BGH: Geheimhaltung des Zeugen zugesagt? Macht es euch nicht zu einfach!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 07.09.2011

Ist einem Zeugen "Geheimhaltung" zugesichert worden, so ist es immer schwierig, Verfahren zu führen. Der BGH hatte gerade hierzu eine Revision zu entscheiden, die für den Angeklagten erfolglos blieb. In einem Zusatz zeigt der BGH aber (nochmals) sehr deutlich auf, dass sich das Gericht auch trotz etwaiger Geheimhaltungszusagen mit Kraft bemühen muss, die Wahrheit zu ermitteln:


Ergänzend zur Antragsschrift des  Generalbundesanwalts vom 7. Juni 2011 bemerkt der Senat:
 Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe den von der Verteidigung in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, den Zeugen „KOK B. anzuweisen, die Personalien sowie die ladungsfähige Anschrift der“ von diesem geführten „VP ´ G. ` bekannt zu geben“, ist auch deshalb nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil die Revision es versäumt, Inhalt und Reichweite der KOK B. erteilten Aussagegenehmigung (vgl. § 54 StPO), die im Rahmen der Hauptverhandlung seitens der Staatsanwaltschaft abgegebene Gegenerklärung sowie den „vorstehenden Sachverhalt“ mitzuteilen, über den LOStA J. vor seiner Geheimhaltungsentscheidung vom 20. Mai 2009 unterrichtet worden war.
Soweit das Landgericht den Antrag allein unter Hinweis „auf die zugesicherte Geheimhaltung“ abgelehnt und in den - dem Senat durch die erhobene Sachrüge eröffneten - Urteilsgründen die Ansicht vertreten hat, eine Vernehmung der polizeilichen Vertrauensperson habe nicht erfolgen können, „weil dieser Person durch die Staatsanwaltschaft Geheimhaltung zugesichert wurde“ (UA S. 6), steht dies allerdings nicht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auf die die Revision - für sich genommen zutreffend - hingewiesen hat. Denn danach bindet eine solche Zusicherung der Vertraulichkeit zwar - mit Einschränkungen - die Staatsanwaltschaft und die Polizei (vgl. Nummer 4 der Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informan-ten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen [V-Personen] und Ver-deckten Ermittlern im Rahmen der Strafverfolgung/Anlage D zu den RiStBV). Für das gerichtliche Verfahren hat sie aber keine Bedeutung. Die Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (Art. 97 Abs. 1 GG). Darum dür-fen sie eine gebotene Beweiserhebung nicht deshalb ablehnen, weil Staatsanwaltschaft oder Polizei die Identität eines Informanten geheim halten wollen.
Lassen sich der Name und die Anschrift des Informanten nicht anders feststellen, so kann und muss das Gericht von allen öffentlichen Behörden - auch von der Staatsanwaltschaft und der Polizei - diejenigen Auskünfte verlangen, die es zur Ermittlung der Beweisperson für erforderlich hält (§§ 161, 202, 244 Abs. 2 StPO). Die Auskunft darf in entsprechender Anwendung des § 96 StPO nur verweigert werden, wenn die oberste Dienstbehörde erklärt, dass das Bekannt-werden ihres Inhalts dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Solange eine solche sog. Sperrerklärung nicht vorliegt, darf der Gewährsmann insbesondere nicht als ein unerreichbares Beweismittel i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO angesehen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 3. November 1987 - 5 StR 579/87, BGHSt 35, 82, 84 ff. mwN).

BGH, Beschluss vom 26.7.2011 - 1 StR 297/11 

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