Arbeitgeber muss öffentliche Kritik durch Betriebsrat hinnehmen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 29.09.2011

 

Ein Arbeitgeber darf trotz scharfer öffentlicher Kritik seinem Betriebsrat nicht einfach fristlos kündigen. Das entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz mit Urteil vom 8.7.2011 – 6 Sa 713/10. Die Klägerin hatte als Vorsitzende des Betriebsrats einer Großbäckerei in einem Fernsehinterview Kritik an der Unternehmensführung geäußert: Arbeitspausen würden nicht eingehalten, diese den Mitarbeitern aber beim Zeitguthaben abgezogen. Nach Ausstrahlung des Interviews wurde der Klägerin eine fristlose Kündigung ausgesprochen. Mit ihrer hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklage hatte die Klägerin in zweiter Instanz Erfolg. Ein Betriebsrat könne im Rahmen seiner Zuständigkeit selbst darüber entscheiden kann, wann und in welchem Umfang eine öffentliche Stellungnahme angebracht ist. Insoweit könne er sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung gemäß Art. 5 GG unter Beachtung des § 2 Abs. 1 BetrVG berufen. Der Arbeitgeber müsse durchaus Kritik an seiner Betriebsführung hinnehmen. Die Grenze ist erst erreicht, wenn konkrete Gefahren für Betriebsabläufe oder für die Außenwirkung des Unternehmens drohen. Selbst dann müssen die Reaktionen oder Sanktionen des Arbeitgebers dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Erfolglos blieb dagegen die Berufung gegen eine später ausgesprochene ordentliche Kündigung. Die erfolgte, weil der Betrieb bald darauf komplett geschlossen wurde.

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