Wenn in der Rechsmittelbelehrung zu viel steht

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 05.10.2011

Das Amtsgericht hatte den Antrag der Frau auf Erlass einer Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz in der Hauptsache abgewiesen.

In der Rechtsmittelbelehrung las sie, dass dagegen die Beschwerde möglich ist. Diese legt sie am 10.06.2011 ein.

Soweit, so (noch) gut.

Dann las sie in der Rechtsmittelbelehrung auch noch, dass eine Sprungrechtsbeschwerde (§ 75 FamFG) möglich ist. Den Satz, dass diese nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden kann, überlas sie allerdings und legte höchst persönlich am 16.06.2011 Sprungrechtsbeschwerde ein.

Die Sprungrechtsbeschwerde war schon wegen der fehlenden Mitwirkung eines Anwalts unzulässig.

Was aber noch viel schlimmer ist: Mit der Einlegung der unzulässigen Sprungrechtsbeschwerde wurde auch die ursprünglich zulässige Beschwerde unzulässig. Denn es gelten § 75 I 2 FamFG:

Der Antrag auf Zulassung der Sprungrechtsbeschwerde und die Erklärung der Einwilligung gelten als Verzicht auf das Rechtsmittel der Beschwerde.

und § 67 I FamFG

Die Beschwerde ist unzulässig, wenn der Beschwerdeführer hierauf nach Bekanntgabe des Beschlusses durch Erklärung gegenüber dem Gericht verzichtet hat.

OLG Celle v. 20.06.2011 - 10 UF 145/11

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11 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Burschel,

dies erscheint mir nicht primär ein Problem der Rechtsmittelbelehrung, die war ja wohl zutreffend. Sicherlich steht auch die Entscheidung im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, aber sie verursacht trotzdem "Bauchschmerzen" (die waren ja vielleicht auch Anlass Ihres Beitrags):
Vertritt man die Auffassung, dass der Anwaltszwang v.a. eine "Wohltat für den Rechtsunkundigen" sein soll - angeblich ist das ja die Legitimation des Anwaltszwangs - , dann sollte eine anwaltlich nicht vertretene Person mit einem Antrag, für den Anwaltszwang herrscht, solch eine nachteilige Rechtsfolge (Verlust jedes Rechtsmittels) nicht auslösen können.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Lieber Herr Prof. Müller,

ja, auch ich habe so ein ungutes Bauchgefühl bei der Entscheidung.

Die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung ist erst durch das FamFG ins Familienrecht gekommen und hat seitdem für viel Unklarheit gesorgt.

Vielleicht hätten die Folgen der §§ 67, 75 FamFG in die RMB mit aufgenommen werden sollen/müssen/können.

Mit ihrer (aus meiner Sicht zutreffenden) Argumentation hätten die Richter in Celle wohl aber auch anders entscheiden können ....

Vielen Dank Herr Burschel für dieses wunderbare Lehrstück dafür, dass:

 

1. Mehr und komplexere Gesetze und Bestimmungen  keineswegs zu mehr Recht oder gar mehr Gerechtigkeit führen, sondern nur zu mehr Wirrwarr und mehr Fallgruben und weniger Nachvollziehbarkeit für diejenigen, für die die Gesetze gemacht wurden und sich daran halten sollen.

Und natürlich zu mehr Einkommen für die Rechtsindustrie.

 

2. Dass der Anwaltszwang, der von der Anwältin Zypries nocheinmal ganz massiv ausgeweitet wurde, keineswegs den Rechtssuchenden dient, sondern lediglich den Einkommensinteressen der Anwälte.

 

3. Dass in Celle ein ganzer Wald von Koniphären zu sein scheint, der es sogar schaft, auch noch aus einem unwirksamen weil formal unzulässigen Antrag noch einen Nachteil für den Antragsteller zu basteln.

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Guy Fawkes schrieb:

2. Dass der Anwaltszwang, der von der Anwältin Zypries nocheinmal ganz massiv ausgeweitet wurde, keineswegs den Rechtssuchenden dient, sondern lediglich den Einkommensinteressen der Anwälte.

Immer kräftig (und lbind) drauf, auf die Anwälte, oder?

Zypries war nie Anwältin. Sie war erst WissMA bei der Uni Gießen, dann Referentin in der Hessischen Staatskanzlei, danach WissMA beim BVerfG. Danach wurde sie Referatsleiterin, danach Abteilungsleiterin und anschließend Staatssekretärin.

 

Zum Rest des Kommentars: einverstanden.

   
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@Guy Fawkes

 

Ich könnte gut ohne den Anwaltszwang leben, nicht nur finanziell.  An der Anzahl der Mandate gemessen, besteht ja auch in den meisten Angelegenheiten kein Anwaltszwang, zumal der überwiegende Teil der an Anwälte heran getragenen Rechtsstreitigkeiten außergerichtlich geklärt wird (mögen Richter, unter der Last ihrer Akten zusammenbrechend, gelegentlich auch einen anderen Eindruck haben).

 

Sinn und Zweck des Anwaltszwanges liegt darin begründet, einen Vorfilter einzubauen, damit zum einen nicht jeder Schrott, der überhaupt keine Aussicht auf Erfolg hat, an die Gerichte herangetragen wird, zum anderen soll der Sach- und Rechtsvortrag möglichst auf die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen beschränkt werden.  Beides funktioniert aufgrund vieler schlechter Anwälte oder solcher, die sich vom Mandanten unter Druck setzen lassen, nicht immer. Der Gesetzgeber fürchtet jedoch offenbar, daß noch mehr Verfahren im Chaos versinken, wenn der Bürger bei allen Gerichten und in allen Instanzen ohne diese anwaltliche Bremse auftreten könnte.

 

Von mir aus kann der Anwaltszwang abgeschafft werden. In der Regel gewinnt sich ein Fall  leichter, wenn die Gegenseite vor Gericht nicht anwaltlich vertreten ist.

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Und noch ein Nachtrag hierzu:

RA Hermann schrieb:

Sinn und Zweck des Anwaltszwanges liegt darin begründet, einen Vorfilter einzubauen, damit zum einen nicht jeder Schrott, der überhaupt keine Aussicht auf Erfolg hat, an die Gerichte herangetragen wird, zum anderen soll der Sach- und Rechtsvortrag möglichst auf die für die Entscheidung wesentlichen Tatsachen beschränkt werden.

Genau dieses Ziel könnte man viel besser erreichen, indem man das Anwaltshonorar, zumindest in Teilen von einem Erfolg der anwaltlichen Bemühungen abhängig machen würde.

 

So sind es oftmals gerade die Anwälte, die ihre Mandanten zu einem völlig blödsinnigen Rechtsstreit raten, wohlwissen, dass sie ihr Geld in jedem Fall bekommen, auch wenn der Mandant krachend untergeht.

Und auch da würden klarere Rechtsnormen viel mehr dabei helfen, unsinnige Streitigkeiten vor Gericht auszutragen.

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Guy Fawkes schrieb:

Und auch da würden klarere Rechtsnormen viel mehr dabei helfen, unsinnige Streitigkeiten vor Gericht auszutragen zu vermeiden.

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@Guy Fawkes,

auch wenn für "Einkommensinteressen der Anwaltschaft" der erste Eindruck spricht, glaube ich doch, dass der von RA Hermann genannte Zweck der empirisch zutreffendere ist: Man erwartet sich vom Anwaltszwang eine Versachlichung des Rechtsstreits v.a. im Interesse der staatlichen Behörden/Gerichte (und der anderen Rechtssuchenden). Dennoch: Legitimiert wird der Anwaltszwang häufig mit dem Interesse des Rechtssuchenden, der sonst leicht den Überblick verliere, welche Rechtsmittel und Argumente wirklich rechtlich "zählen". Aber egal, ob man den Anwaltszwang nun für richtig oder für falsch hält, im obigen Fall sollte er nicht zum Verlust sämtlicher Rechtsmittel führen.

 

Naja, ich hatte in meinem Beitrag ja eigentlich gar nicht auf die Anwälte "geschossen", sondern auf das immer komplexer und damit schlechter werdende Rechtssystem.

Dass Anwälte mit möglichst wenig Arbeit, möglichst viel Geld verdienen wollen, ist ja nicht mal verwerflich.

Wer will das nicht?

 

Nur selbst wenn hinter der Anwaltspflicht hehre Absichten stecken sollten, so ist dieser Plan offensichtlich nicht nur nicht aufgegangen, sondern hat sich in sein Gegenteil verkehrt.

Gut gemeint ist eben das Gegenteil von gut gemacht.

 

Und für einen ordentlichen Ablauf der Verhandlung zu sorgen, sollte eigentlich Aufgabe des Richters sein.

Und es ist eben schon ein Armutszeugnis für das Rechtssystem, wenn schon der Gesetzgeber der Meinung ist, dass es so kompliziert sei, dass man es als Normalsterblicher ohne Anwaltshilfe eigentlich gar nicht mehr durchschauen kann.

 

Irgendwann heisst es nur noch:

"Fassen sie lieber nix an, bevor sie mit einem Anwalt gesprochen haben."

Und dass ist mit Sicherheit ein Zustand, den sich vor Allem Anwälte wünschen und niemand sonst.

 

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@Guy Fawkes

 

Das anwaltliche Gebührenrecht ist ungerecht, da haben sie Recht. Es ist überwiegend losgelöst vom Erfolg, vom Arbeitsaufwand und von der Kompetenz des Anwalts. Es wirkt sich mal zu Lasten des Anwalts aus, wenn dieser nämlich bei einem relativ geringen Streitwert und entsprechend niedrigen Gebühren zum Teil jahrelang an einem Verfahren arbeitet; häufig wirkt es sich jedoch zum Nachteil des Mandanten aus, wenn der Anwalt für ein, zwei kurze Schreiben die vollen Gebühren aus dem Gegenstandswert verlangen kann.

 

Ein erfolgsorientiertes Honorar ist jedoch nicht praktikabel. Denn trotz vieler inkompetenter Kollegen liegt es zumeist nicht am Anwalt, wenn dem Begehren des Mandanten nicht zum Erfolg verholfen werden kann.  Was kann der Anwalt dafür, wenn der Zeuge nicht so aussagt, wie der Mandant behauptet hat, wenn das Sachverständigengutachten nicht das gewünschte Ergebnis bringt, wenn der Mandant den Anwalt unzutreffend informiert hat? Soll der Anwalt für die ganze Arbeit dann kein oder nur ein Grundhonorar erhalten, obgleich das Unterliegen im Prozeß völlig außerhalb seines Einflußbereichs lag?

 

Eine stundensatzorientierte Vergütung, wie es bei Handwerkern üblich ist, würde in den meisten Fällen zu noch höheren Honorarrechnungen führen als heute, wenn man dem Anwalt auch nur einen Stundensatz einer Autowerkstatt zubilligen würde.

 

Eine für beide Seiten gerechte Gebührenordnung ist nicht in Sicht.

 

 

 

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@RA George,

eine perfekte Formel für eine absolut gerechte Anwaltsentlohnung habe auch ich nicht anzubieten, nur die gibt es in anderen Bereichen auch nicht.

 

Aber die totale Entkoppelung des Anwaltshonrars, sowohl vom Aufwand für den RA als auch vom Nutzen für den Klienten ist mit Sicherheit die schlechteste aller möglichen Varianten.

Gerade die Funktion des "Vorfilters", die RA Hermann oben postuliert hat, wird dadurch ins Gegenteil verkehrt und zum Brandbeschleuniger.

 

Es gilt sich nicht für jeden Anwalt und vermutlich auch nicht für die meisten aber doch für eine nicht geringe Anzahl von Anwälten, die die Gelegenheit nutzen, ihren Klienten in ein völlig sinn- und aussichtslose Verfahren treiben, da sie ja in jedem Fall auch an einem vergeigten Verfahren genauso gut verdienen, wie an einem, mit großem Aufwand und Sachverstand gewonnenem.

 

Ich denke auch, dass auch andere (die meisten?) Berufszweige mit dem Risiko leben müssen, nicht jeden Aspekt ihrer Tätigkeit unter Kontrolle zu haben.

 

Gerade die Handwerker wie z.B. der Klempner oder Automonteur sind dafür ein gutes Beispiel.

 

Auch die können nicht immer vorhersagen, wie es unter dem Blech oder dem Schamotte ausieht, und ob sie noch auf ihre Kosten kommen, nachdem ihnen schon mehrere Schrauben abgegniedelt sind, oder die alte, moderige Badewannenverkleidung zerbröselt ist.

 

Ich wüsste keinen Grund, warum nicht auch Anwälte mit Stundensätzen und Kostenvoranschlägen arbeiten sollten, die ihnen nur knapp ihre Unkosten decken und echte Profite erst durch eine Erfolgsprämie zu erzielen wären.

Mir fällt auch kein Grund ein, warum ausgerechnet die finanziellen Interessen der Anwälte von einer "Gebührenordnung" gechützt sein sollen, die der Handwerker aber nicht.

 

Aus meiner Sicht käme bestenfalls ein staatlicher Standardstundensatz, meinetwegen auch Fallpauschalen  in Betracht, die z.B. bei der Bezahlung durch den unterlegenen Antragsgegener zu bezahlen wäre.

Die individuell vereinbarte Erfolgsprämie bliebe Sache des Auftraggebers.

 

Wie gesagt, die Existenz der RVG ist kein direkter Vorwurf an die Rechtsanwälte, denn (fast) jeder nimmt, was er kriegen kann.

Nicht nur Anwälte.

Meine Kritik richtet sich da eher an die Politik, die für so etwas verantwortlich ist.

 

Interessant ist in diesem Zusammenhang nur, dass die Legislative und auch die Exkutive von einem auffallend hohen Anteil a Juristen besetzt sind und da fügt es sich natürlich nur ganz zufällig so, dass die Poltik gerne mal ihre schützende Hand über diese Berufsgruppe hält.

Womit wir wieder am Anfang sind.

Die Justiz dient vor Allem den Juristen und nicht den Rechtsuchenden.

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