Datenschutz versus Meinungsfreiheit: Hyperlinks auch zu rechtswidrigen Inhalten zulässig

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 14.10.2011
Rechtsgebiete: InformationsrechtUrheber- und Medienrecht11|6701 Aufrufe

Das LG Braunschweig hat per Urteil vom 5.10.11 (PDF) einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen mit dem der Verfügungskläger, ein Burschenschaftler, einem Nachrichtenmagazin das Setzen eines Links verbieten wollte.

Speziell ging es in dem Verfahren um einen Online-Artikel, der sich mit dem Thema Rechtsextremismus in Burschenschaften beschäftigte. Dabei wurde ein Link auf die Medienplattform Indymedia gesetzt, die eine Vielzahl interner Dokumente zu diesem Thema veröffentlicht hatte. Darunter befanden sich unter anderem auch Emails des Burschenschaftlers. Diese seien nach Angaben des Antragstellers illegal auf die Seite gelangt.

Allerdings kann es nach Auffassung des Gerichts dahinstehen, ob die Erstveröffentlichung der Emails unzulässig war. Zwar bestätigte das Gericht, dass durch Veröffentlichung der Emails bei Indymedia das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers verletzt wurde. Bei einer Abwägung der gegensätzlichen Interessen überwiege jedoch das öffentliche Informationsinteresse an der Originalquelle. Dem steht nicht entgegen, dass der verlinkte Inhalt als rechtswidrig zu beurteilen ist. Entscheidend ist, dass das Nachrichtenmagazin sich diese Inhalte nicht „zu Eigen“ gemacht hat. Dieses Kriterium ist vom BGH (I ZR 191/08) ursprünglich für den Bereich des Urheberrechts entwickelt worden.

Persönlichkeitsrechte versus Meinungsfreiheit. Wie sehen Sie das Urteil? Hat das Gericht die richtige Abwägung getroffen? Können die für den Bereich des Urheberrechts entwickelten Grundsätze auch auf den Schutz von Persönlichkeitsrechten angewandt werden?  

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11 Kommentare

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1. Anders als noch bei "Schöner Wetten" kommt es bei der presserechtlichen Linkhaftung nach "AnyDVD" nicht mehr auf die Verletzung von Prüfungspflichten an, jedenfalls nicht für die mittelbare Störerhaftung.

2. Das APR ist ebenso wie das UrhR ein absolut geschütztes Recht gem. § 823 Abs. 1 BGB. Nur bei Verhaltensunrecht wie etwa dem UWG oder u.U. § 95a UrhG hat der I. Zivilsenat eine mittelbare Störerhaftung ganz abgelehnt (vgl. jetzt erstmals nicht mehr nur noch andeutungsweise "Kinderhochstühle im Internet").

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also hätte der Burschschafter mal lieber gegen Indymedia vorgehen sollen, als gegen den Linksetzer, oder sehe ich das falsch?

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Auch die Meinungsfreiheit rechtfertigt im Netz nicht generell jede Verlinkung (z.B. nicht die Verlinkung auf Missbrauchsbilder). Ein öffentliches Informationsinteresse bestand in dem AnyDVD-Fall m.E. nicht, wo lediglich die rechtswidrige Software heruntergeladen werden konnte und keinerlei weitergehendes Informationsinteresse erkennbar war. Deswegen bin ich der Ansicht, dass in dem Heise-Fall der Link unzulässig war. Es ist bedauerlich, dass der BGH die damals im "Schöner Wetten"-Urteil sorgfältig aufgestellten Kriterien nicht auch im Heise-Fall geprüft hat, weil er dann möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

Dieser Fall liegt m.E. aber anders als der AnyDVD-Fall. Die Richter begründen in ihrem Urteil zur Veröffentlichung der e-Mails ausführlich und nachvollziehbar, worin das öffentliche Informationsinteresse liegt. 

Der wichtigste Punkt ist, dass man eben nicht generalisieren kann und eine Einzelfallbetrachtung für jeden Link vorzunehmen ist (wie es der BGH mit zusätzlichen Kriterien ja im "Schöner Wetten"-Urteil bereits ausgeführt hatte), bei der selbstverständlich der Meinungsfreiheit das ausschlaggebende Gewicht zukommt. In Fall der Linksetzung auf die im Internet veröffentlichten e-Mails bin ich deshalb auch der Meinung, dass der Kläger zu Recht mit seinem Antrag abgewiesen wurde und die Aufrechterhaltung des Links gerechtfertigt ist.

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Benno Barnitzke, LL.M. schrieb:

Ein öffentliches Informationsinteresse bestand in dem AnyDVD-Fall m.E. nicht, wo lediglich die rechtswidrige Software heruntergeladen werden konnte und keinerlei weitergehendes Informationsinteresse erkennbar war. Deswegen bin ich der Ansicht, dass in dem Heise-Fall der Link unzulässig war. Es ist bedauerlich, dass der BGH die damals im "Schöner Wetten"-Urteil sorgfältig aufgestellten Kriterien nicht auch im Heise-Fall geprüft hat, weil er dann möglicherweise zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.

 

Das sehe ich genau so. Im AnyDVD-Urteil heißt es: Ein Link "beschränkt sich nicht (..) auf eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite. (..) [Vielmehr] erschließt ein Link vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Informationsquellen." (Rn. 29)

Der besagte Link im AnyDVD-Fall verwies aber, wie oben bereits erwähnt, lediglich auf eine Internetseite von der die rechtswidrige Software heruntergeladen werden konnte. Das Gericht verkennt, dass es sich gerade in einem solchen Fall um "eine bloß technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite" (s.o.) handelt und ein Link dieser Art eben keine zusätzlichen Informationsquellen erschließt. Eine Einzelfallbetrachtung hätte im AnyDVD-Fall m.E. zu einem billigeren Ergebnis geführt.

@#3

1. Der I. Zivilsenat war an Prüfungspflichten hinsichtlich der Rechtswidrigkeit i.S.v. "Schöner Wetten" wegen des möglichen Berichterstattungsinteresses bei unzweifelhaft rechtswidrigen Inhalten i.S.v. BVerfG-AnyDVD, Rn. 19 gehindert.

2. Es gibt im Grundsatz keine "Hyperlink-Haftung" mehr, weil der Hyperlink nicht zu einer Eingriffsvertiefung führt, zumal der User nach Markierung der in der Berichterstattung genannten Begriffe über Kontextmenu und Suchmaschine ohne weiteres den Hyperlink immitiert. Entscheidend ist mithin die Zulässigkeit der Nennung der Begriffe bereits in der Berichterstattung.

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@ #2

Das Oberlandesgerichts Stuttgart (Aktenzeichen 4 U 96/10) hat entschieden, dass die Veröffentlichung einer privaten E-Mail, die nur für einen begrenzten Empfängerkreis bestimmt ist, grundsätzlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Diese Rechtsverletzung kann aber gerechtfertigt sein, wenn das Informationsinteresse der Öffentlichkeit überwiegt. In dem Fall vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht ging es um die Veröffenlichung einer privaten E-mail zum Thema 'Unabhängige Impfaufklärung'. Das Gericht urteilte, dass das öffentliche Informationsinteresse an einem solch wichtigen Thema, das auch die Gesundheit eines jeden Bürgers betrifft, das Persönlichkeitsinteresse des Klägers überwiegt.

In dem Fall mit den E-mails des Burschenschafters liegt eine sehr ähnliche Situation vor. Auch hier handelte es sich um die Veröffentlichung privater, an einen bestimmten Personenkreis gerichteter E-mails. Eine Rechtsgutsverletzung liegt also vor. Allerdings wiesen die E-mails auf rassistische Tendenzen innerhalb der deutschen Burschenschaften hin. An solchen radikalen Entwicklungen besteht freilich ein besonderes öffentliches Interesse, so dass diese Rechtsgutsverletzung m. E. gerechtfertigt ist.

Eine Klage gegen die ursprüngliche Veröffentlichung der E-mails, also gegen Indymedia, wäre also wohl ebenso abgewiesen worden. Es besteht hinsichtlich der Güterabwägung kein Unterschied zu einer Klage gegen die bloße Verlinkung.

@#7

Das Zitat von BGH-AnyDVD zur rechtlichen Bedeutung von Hyperlinks ist nicht erschöpfend.

Denn entscheidend ist folgende Feststellung: "Dann ist aber nicht ersichtlich, dass der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerinnen durch die Setzung des Links auf die Internetseite von SlySoft erheblich vertieft worden ist. Denn für den durchschnittlichen Internetnutzer war es bereits aufgrund der Angabe der Unternehmensbezeichnung SlySoft mit Hilfe von Suchmaschinen ohne weiteres möglich, den Internetauftritt dieses Unternehmens aufzufinden." (Tz. 27; vgl. #4 Nr. 2).

Daraus folgt, dass es für die Zulässigkeit des Hyperlinks auf die Zulässigkeit der Angabe im berichterstattenden Text am Maßstab des öffentlichen Informationsinteresses ankommt.

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Jonas Schublinski schrieb:
@#7 "Dann ist aber nicht ersichtlich, dass der Eingriff in die urheberrechtlichen Befugnisse der Klägerinnen durch die Setzung des Links auf die Internetseite von SlySoft erheblich vertieft worden ist. Denn für den durchschnittlichen Internetnutzer war es bereits aufgrund der Angabe der Unternehmensbezeichnung SlySoft mit Hilfe von Suchmaschinen ohne weiteres möglich, den Internetauftritt dieses Unternehmens aufzufinden." (Tz. 27; vgl. #4 Nr. 2). Daraus folgt, dass es für die Zulässigkeit des Hyperlinks auf die Zulässigkeit der Angabe im berichterstattenden Text am Maßstab des öffentlichen Informationsinteresses ankommt.

 

Genau dieses Argument erachte ich für nicht stichhaltig. Die Möglichkeit des Abrufs rechtswidriger Inhalte über alternative Zugangsmöglichkeiten rechtfertigt nicht ihrerseits die Eröffnung eines weiteren Zugangs zu derselben rechtswidrigen Quelle. In letzter Konsequenz führte dies ansonsten dazu, dass die Existenz rechtswidriger Inhalte im Internet aus sich selbst heraus legitimierbar wäre. Gerade weil AnyDVD über Suchmaschinen auffindbar war, würde sich das Verbot des Links für den Heise-Verlag als kaum spürbarer Eingriff darstellen. Der Link hätte deswegen im konkreten Fall beseitigt werden müssen.

Das Informationsinteresse ist dann nach den Kriterien des "Schöner Wetten"-Urteils zu prüfen, was ich jedoch im AnyDVD-Fall nicht erkennen kann.

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Ich halte das Argument, dass der Eingriff durch die Setzung des Links nicht erheblich vertieft worden ist, schon deswegen für äußerst fragwürdig, da durch eine Verlinkung der Aufruf der betreffenden Webseite schon erheblich erleichtert, beziehungsweise der Weg dorthin deutlich verkürzt wird. Das Verhalten der Internetnutzer wird auch dadurch beeinflusst, dass sich Verlinkungen in den meisten Fällen durch Hevorhebungen vom eigentlichen Fließtext absetzen und so den Aufruf der betreffenden Webseite durch den Internetnutzer nahezu provozieren.

Noch ein Nachtrag: Der Europäische Gerichtshof

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Olivier Martinez, Robert Martinez  

entschied am Dienstag, dass ein Gericht am Wohnort des Geschädigten am besten die Auswirkungen einer Persönlichkeitsverletzung beurteilen könne. Das Opfer könne jedoch auch in dem Land klagen, in dem sich der Urheber niedergelassen habe (Aktenzeichen C-161/10). 

http://curia.europa.eu/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=en&alljur=alljur&jurcdj=jurcdj&jurtpi=jurtpi&jurtfp=jurtfp&numaff=C-161/10&nomusuel=&docnodecision=docnodecision&allcommjo=allcommjo&affint=affint&affclose=affclose&alldocrec=alldocrec&docdecision=docdecision&docor=docor&docav=docav&docsom=docsom&docinf=docinf&alldocnorec=alldocnorec&docnoor=docnoor&docppoag=docppoag&radtypeord=on&newform=newform&docj=docj&docop=docop&docnoj=docnoj&typeord=ALL&domaine=&mots=&resmax=100&Submit=Rechercher 

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