Erzieherische Befähigung von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten. Werden die §§ 36, 37 JGG reformiert?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 21.10.2011

Im aktuellen Entwurf des StORMG (Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs) - zu den allg. strafprozessualen Änderungen werde ich später einen Beitrag einstellen -   ist u.a. vorgesehen, die schon lange bestehende Forderung zu erfüllen, §§ 36, 37 JGG zu konkretisieren.

§ 36 wird wie folgt geändert:
a) Der Wortlaut wird Absatz 1 und folgender Satz wird angefügt:
„Richter auf Probe und Beamte auf Probe dürfen im ersten Jahr nach ihrer Ernennung nicht zum Jugendstaatsanwalt bestellt werden; sie dürfen in dieser Zeit die Sitzungsvertretung in Verfahren vor den Jugendgerichten nur unter Aufsicht eines Jugendstaatsanwalts wahrnehmen.“
b) Folgender Absatz 2 wird angefügt:
„(2) Jugendstaatsanwaltliche Aufgaben dürfen Amtsanwälten nur übertragen werden, wenn diese die besonderen Anforderungen erfüllen, die für die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben an Staatsanwälte gestellt werden. Referendaren kann im Einzelfall die Wahrnehmung jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben unter Aufsicht eines Jugendstaatsanwalts übertragen werden. Die Sitzungsvertretung in Verfahren vor den Jugendgerichten dürfen Referendare nur unter Aufsicht und im Beisein eines Jugendstaatsanwalts wahrnehmen.“

§ 37 wird wie folgt geändert:
a) Der Wortlaut wird Absatz 1 und die folgenden Sätze werden angefügt:
„Sie sollen über Kenntnisse auf den Gebieten der Kriminologie, Pädagogik und Sozialpädagogik sowie der Jugendpsychologie verfügen. Einem Richter oder Staatsanwalt, dessen Kenntnisse auf diesen Gebieten nicht belegt sind, sollen die Aufgaben eines Jugendrichters oder Jugendstaatsanwalts erstmals nur zugewiesen werden, wenn der Erwerb der Kenntnisse durch die Wahrnehmung von einschlägigen Fortbildungsangeboten oder eine anderweitige einschlägige Weiterqualifizierung alsbald zu erwarten ist.“

Die folgenden Absätze 2 und 3 werden angefügt:
„(2) Von den Anforderungen des Absatzes 1 kann bei Richtern und Staatsanwälten, die nur im Bereitschaftsdienst zur Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben eingesetzt werden, abgewichen werden, wenn andernfalls ein ordnungsgemäßer und den betroffenen Richtern und Staatsanwälten zumutbarer Betrieb des Bereitschaftsdiensts nicht gewährleistet wäre.
(3) Als Jugendrichter beim Amtsgericht oder als Vorsitzender einer Jugendkammer sollen nach Möglichkeit Personen eingesetzt werden, die bereits über Erfahrungen aus früherer Wahrnehmung jugendgerichtlicher oder jugendstaatsanwaltlicher Aufgaben verfügen. Davon kann bei Richtern, die nur im Bereitschaftsdienst Geschäfte des Jugendrichters wahrnehmen, abgewichen werden. Ein Richter auf Probe darf im ersten Jahr nach seiner Ernennung Geschäfte des Jugendrichters nicht wahrnehmen.“

Das Ziel ist klar: Dem Erziehungsgedanken soll hier verstärkte Bedeutung zukommen - insb. weil die  Jugendgerichte als Jugendschutzgerichte auch über Anklagen wegen sexuellen Missbrauchs zu befinden haben.  Bislang ist es im allg. weniger gut gelungen (und gelingt immer weniger) der gesetzlichen Sollvorschrift des § 37 JGG in der Praxis Geltung zu verschaffen. Zitat aus der Entwurfsbegründung:

Erfahrungsberichte und Beobachtungen aus der Praxis, aber auch empirische Studien führen allerdings schon seit langem zu Klagen, dass die gesetzlichen Qualifikationsanforderungen bei der Besetzung der Jugendgerichte und der Bestellung von Jugendstaatsanwälten vielfach keine hinreichende Beachtung finden (vgl. zuletzt die Untersuchung von Drews, Die Aus- und Fortbildungssituation von Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten in der Bundesrepublik Deutschland – Anspruch und Wirklichkeit von § 37 JGG [Dissertation], Aachen 2005, S. 70, 130 ff., sowie die gängigen JGG-Kommentare zu § 37, s. nur Eisenberg, a. a. O, § 37 Rn. 11: „… dass die tatsächlichen Auswahlkriterien in der Justizpraxis den Anforderungen von § 37 auch nicht annähernd genügen“).

Nächste Woche findet eine Expertenanhörung im Bundestag statt. Aus der Praxis haben sich bereits zwei Sachverständige (Präsidentin des LG Ingolstadt und eine Richterin am AG Lübeck)  dazu geäußert: Vor allem aus Praktikabilitätserwägungen lehnen sie die vorgeschlagene Reform der §§ 36, 37 JGG ziemlich deutlich ab.

 

 

 

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