"Whistleblower"-Urteil des EGMR ist rechtskräftig

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 25.10.2011
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtwhistleblowingEGMREMRK2|8122 Aufrufe

Mit Urteil vom 21.07.2011 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Deutschland wegen einer Verletzung von Art. 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) verurteilt (Beschwerde-Nr. 28274/08, Heinisch). Im Ausgangsfall hatte die Klägerin sich erfolglos gegen eine Kündigung zur Wehr gesetzt, die sie erhalten hatte, nachdem sie öffentlich auf vermeintliche Missstände in dem Pflegeheim, in dem sie arbeitete, hingewiesen hatte. Der EGMR hat mit diesem Urteil "Whistleblowern" deutlich den Rücken gestärkt.

Das Urteil des EGMR war seinerzeit nur von einer kleinen Kammer gefällt worden. Die Bundesregierung hätte die Möglichkeit gehabt, innerhalb von drei Monaten die große Kammer des Gerichtshofs anzurufen. Diese Frist hat sie ungenutzt verstreichen lassen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.

Presseberichten zufolge bemüht die Klägerin sich um eine Wiederaufnahme des Kündigungsschutzprozesses mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung. Die Arbeitgeberin soll ihr außergerichtlich eine Abfindung in hoher fünfstelliger Höhe angeboten haben.

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2 Kommentare

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Laut dem Pressebericht wird 70K angeboten. Ziel der Klägerin sind "Gehalt und Betriebsrentenansprüche von 2005 bis 2011". Das wird wohl eher in Richtung 300000 gehen.

 

Aber gibt es überhaupt sowas wie ein "Recht auf Wiederaufnahme" einer Zivilsache aufgrund einer EGMR-Entscheidung?

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Restitutionsklage ist zulässig, § 580 Nr. 8 ZPO. Das Problem ist aber, dass die Restitutionsklage nur innerhalb von fünf Jahren vom Tag der Rechtskraft des Urteils an erhoben werden kann (§ 586 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Damit soll nach Ablauf dieser Frist endgültig Rechtsfrieden einkehren. Angesichts der Länge der Verfahren vor dem EGMR ist diese Frist häufig verstrichen.

Frau Heinisch hat allerdings Glück, und das in doppelter Hinsicht. Erstens: Das BAG hatte die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision am 6.6.2007 zurückgewiesen, erst damit wurde das Urteil des LAG Berlin rechtskräftig. Die Fünf-Jahres-Frist läuft also noch. Zweitens: Der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 8 ZPO wurde erst mit Wirkung zum 1.1.2007 in die ZPO eingefügt, er findet gemäß § 35 EGZPO nur Anwendung auf Verfahren, die nach dem 31.12.2006 rechtskräftig abgeschlossen wurden. So hier.

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