Hessisches LAG zur außerordentlichen Eigenkündigung ohne wichtigen Grund

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 26.10.2011

Mit Schreiben vom 11.12.2009 kündigt die Arbeitnehmerin ihr Arbeitsverhältnis selbst zum 31.01.2010. Die Arbeitgeberin bestätigt den Erhalt des Kündigungsschreibens und akzeptiert die Beendigung zu dem angegebenen Termin. Daraufhin klagt die Arbeitnehmerin auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht. Ihre Eigenkündigung sei unwirksam. Sie habe sie nämlich nur ausgesprochen, um einer angedrohten fristlosen Kündigung der Arbeitgeberin zuvorzukommen.

Das Hessische LAG gibt der Klägerin Recht (Urt. vom 25.05.2011 - 17 Sa 222/11, BeckRS 2011, 75516):

Kündigung mangels wichtigen Grundes nicht nach § 626 BGB wirksam

Als außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB sei die Kündigung unwirksam, weil die Arbeitnehmerin hierfür keinen wichtigen Grund hatte. Selbst wenn die von der Arbeitgeberin angedrohte fristlose Kündigung unwirksam gewesen wäre, stelle dies keine so erhebliche Vertragsverletzung dar, dass die Arbeitnehmerin darauf mit einer fristlosen Kündigung hätte reagieren dürfen.

Kündigung mangels Wahrung der Frist nicht als ordentliche wirksam

Die Kündigung sei auch nicht als ordentliche Kündigung wirksam. Die Klägerin habe nämlich die tarifvertragliche Kündigungsfrist nicht eingehalten. Da die Arbeitgeberin zum Ausdruck gebracht habe, dass sie eine Eigenkündigung der Klägerin nur zum 31.01.2010, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt akzeptieren werde, stehe und falle die Wirksamkeit der Kündigung mit der in ihr genannten Kündigungsfrist.

Aufhebungsvertrag formunwirksam

Die Kündigung könne zwar in ein Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages umgedeutet werden. Ein solcher sei aber nicht formwirksam zustande gekommen, da die Arbeitgeberin ihre Annahme nicht auf derselben Urkunde erklärt habe (§§ 623, 126 BGB).

Kein Rechtsmissbrauch (§ 242 BGB)

Der Klägerin sei schließlich auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Fehlen eines wichtigen Grundes für ihre Eigenkündigung zu berufen: Die Rechtsordnung lasse widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Rechtsansichten dürften geändert werden. Jeder Partei stehe es auch grundsätzlich frei, sich auf die Nichtigkeit von ihr selbst abgegebenen Erklärungen zu berufen. Der Vorwurf treuwidrigen oder missbräuchlichen Verhaltens aufgrund Widerspruchs zu vorangegangenem Verhalten setze dementsprechend neben dem Widerspruch als solchem grundsätzlich voraus, dass für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder sonstige besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Dem eine außerordentliche Kündigung aussprechenden Arbeitnehmer sei es daher grundsätzlich nicht verwehrt, sich auf deren Unwirksamkeit wegen fehlenden Kündigungsgrundes zu berufen; die Grenze sei Rechtsmissbrauch. Ein solcher sei hier angesichts der angedrohten Kündigung durch die Arbeitgeberin nicht zu erkennen.

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2 Kommentare

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Spätestens bei der (hilfsweisen) ordentlichen Kündigung, hätte ich die bisherige BAG-Rspr. (so auch nach Auffassung eines anderen Senats) vertreten und ausgeführt, dass jedenfalls eine Beendigung zum nächstmöglichen Zeitpunkt gewollt ist.

 

Es wäre vorliegend also ausreichend gewesen, auf der Kündigungsbestätigung zusätzlich aufzuführen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hilfsweise auch bei Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist akzeptiert wird?

 

Der Arbeitgeber hätte nach den Ausführungen also auch einfach auf der schriftlichen Kündigung die Beendigung handschriftlich bestätigen und anschließend einfach nur eine (nochmalige) Bestätigung schicken können. Dann wäre wohl ein Aufhebungsvertrag wirksam.

 

Das Urteil entspricht wohl damit der neuen Rspr. des 2. Senats, verwundert allerdings auf den ersten Blick.

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Das hat das BAG in einer Entscheidung aus 1985 (2 AZR 67/84) schon mal ähnlich gesehen. Eine Bestätigung wie vorgeschlagen könnte event. nicht reichen, wenn man sich die BAG Entscheidung aus 2007 zum Klageverzicht ansieht (2 AZR 208/06). Denn beide Unterschriften schließen die Aufhebungserklärung, dies sich m.E. dann aus Eigenkündigung und Bestätigung zusammensetzt nicht ab. Ferner wird man die Erklärung des AG wohl eher als Angebot zu Abschluss eines AufhV zum ordentlichen Fristende verstehen müssen. Dieses müsste der AN m.E. erst annehmen.

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