Putzfrau behält Job, obwohl sie Kunstwerk zerstörte

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 06.11.2011

 

Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt: Eine Raumpflegerin hatte in einem Dortmunder Museum Teile eines Kunstwerks weggeschrubbt. Die Arbeit des Künstlers Martin Kippenberger mit dem Titel „Wenn´s anfängt durch die Decke zu tropfen“, ist eine Dauerleihgabe für das Museum Ostwall im Dortmunder U. Es besteht aus einem menschenhohen Holzplattenturm. Unten in der Mitte befindet sich ein Gummitrog mit einem weißlichen Kalkfleck. Die Putzfrau entfernte diese Schicht, die sie für Schmutz hielt - und zwar so gründlich, dass das Werk nach Einschätzung der Museumsrestauratorin nicht mehr zu retten ist. Der Versicherungswert des Kunstwerks beträgt 800.000 Euro. Arbeitsrechtliche Konsequenzen (Kündigung, Abmahnung, Haftung) muss die Raumpflegerin offenbar nicht befürchten. Das bestätigte Frank Schwake, Chef der Dortmunder Reinigungsfirma AWF, auf Anfrage von „DerWesten“. Schwake nimmt seine Angestellte ausdrücklich in Schutz: „Sie weiß selbst nicht, wie ihr das passieren konnte. Die Frau ist fix und fertig.“ Einen Grund, die langjährige Mitarbeiterin zu entlassen sieht der Chef nicht. „Sie behält natürlich ihre Stelle, sie hat sich ja nie etwas zu Schulden kommen lassen“, betont er sein Vertrauen in die Raumpflegerin. Auch wenn es in der Vergangenheit bei anderen Unternehmen kleine Anlässe für Kündigungen gegeben habe, komme eine Entlassung gar nicht Frage. Die Frau habe in einem „unbedachten Moment“ gehandelt und sei anschließend selbst unter Tränen zu ihrem Chef gekommen, um das Missgeschick zu beichten. „Da ist einfach etwas über sie gekommen“, so Schwake. Das Personal hat die Anweisung, zu Kunstwerken einen Abstand von 20 Zentimetern zu halten – „Das wusste sie natürlich, darum ist sie ja so erschüttert.“ Eine Bestrafung durch den Arbeitgeber schließt der Chef denn auch aus: „Wir schätzen die Mitarbeiterin sehr. Sie ist genug gestraft, weil sie sich unendlich schämt.“

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9 Kommentare

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Wenn ich an das Kunstwerk und dessen angeblichen Zerstörung denke, kann ich mir ein grinsen nicht verkneifen.

Ich hoffe, dass das auch für den Arbeitgeber keine schwerwiegende Folgen hat. Arbeitgeber mit einem solchen Verantwortungsgefühl findet man nicht an jeder Ecke.

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Richtig... die Putzfrau ist jetzt auch Künstlerin, die Installation muss nun auch ihr zugeschrieben werden.

Fehlt nur noch ein neuer Name:

"Wenn`s anfängt durch die Decke zu tropfen - muss man gründlich wischen"

oder so ähnlich

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Bundesweit? Wohl eher weltweit:

http://www.bbc.co.uk/news/entertainment-arts-15613227

http://www.washingtonpost.com/blogs/arts-post/post/11-million-sculpture-damaged-by-cleaning-woman-in-german-museum/2011/11/07/gIQAMkmFvM_blog.html

Was diese Frau für den Ruf der Deutschen in der Welt getan hat, lässt sich wohl kaum erfassen und ist ihr nicht hoch genug anzurechnen (und stellt sogar Jay Lenos Anekdote über die Kirchturmuhren im "Christophorus"-Interview in den Schatten). Auch wenn viele über "Sekundärtugenden" die Nase rümpfen mögen: ich habe schon von vielen in D ansässigen Ausländern gehört, wie angenehm es ist, in einem Land zu leben, in dem die Straßenränder nicht von Müll übersät sind. Eine solche Schmunzel-Meldung macht den Etat der DZT (immerhin über 27 Mio.) für einige Jahre überflüssig :-)

Die Dame sollte das Bundesverdienstkreuz bekommen!

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Interessant finde ich die bisher noch nicht gestellte Frage nach der Unterweisung der Reinigungsfachkraft. Gerade bei und in der Nähe von Kunstobjekten ist eine fachgerechte Reinigung nicht problemlos. Wenn dazu noch Kunstwerke aus Schmutz bestehen, haben der Auftraggeber wie auch der Unternehmer eine besondere Verpflichtung, über den zu bewahrenden Schmutz (Kunst) und den zu entfernenden Schmutz /Schmutz) zu unterrichten. Ein schriftlicher Reinigungsplan für jeden Raum mit Angabe der durchzuführendenen Arbeiten unter Angabe der Vorsichtsmaßnahmen ist hier sogar gefordert. Genau dieser Verpflichtung sind Auftraggeber und Unternehmer zum Schaden der anvertrauten Kunstwerke nicht nachgekommen. Anders ist die selbstverständliche Entfernung des Schnutzes durch die Reinigungsfachkraft nicht zu erklären. Die Reinigungsfachkraft wurde also von den eigentlich Verantwortlichen gänzlich falsch beschuldigt.

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Wenn ich der Künstler wäre, würde ich der Raumpflegerin gratulieren. Schliesslich hat sie -wenn auch unbewusst- einen Beitrag zur Vervollkommung des Werkes geleistet. Hier handelt es sich offensichtlich um einen fortgesetzten Schaffensakt, den der Künstler zwar nicht höchstpersönlich ausgeführt hat, als dessen Urheber sich der Künstler aber durchaus begreifen darf.  Offenbar hat das Werk eine Offenheit in Gestaltung und Betrachtung, die den Betrachter zu eigenem Schaffen anhält. Der klassische Graben zwischen Künstler und Betrachter wird geschlossen. Beide gehen ein symbiotisches Verhältnis mit neuer Schaffenskraft ein. Das ist Kunst!

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