BAG zu Geheimcodes in Zeugnissen

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 19.11.2011
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBAGZeugnis Geheimcode3|6455 Aufrufe

 

Zur Verwendung von Geheimcodes in Zeugnissen gibt es allerlei Mutmaßungen und Gerüchte, die kaum eine Entsprechung in der Realität finden dürften. Denn es fragt sich schon, welches Interesse der das Zeugnis erteilende Arbeitgeber an einer solchermaßen verschleierten Negativ-Botschaft haben sollte. Ließen Verhalten und/oder Leistung des Arbeitnehmers zu wünschen übrig, ist der Arbeitgeber nicht gehindert, dies im Zeugnis zum Ausdruck zu bringen. Ggf. kann er auch interessierten Arbeitgebern, bei denen sich der ausgeschiedene Arbeitnehmer später vorstellt, nähere Auskünfte geben. Abgesehen davon bildet das Arbeitgeberlager auch keine homogene Gruppe, die sich stillschweigend auf einen Geheimcode verständigt haben könnte. Im übrigen gibt es Formulierungen, die jedem geübten Zeugnislesern und auch den meisten Arbeitnehmern in ihrer Bedeutung durchaus geläufig sind, mithin nicht als geheime Botschaften qualifiziert werden können. So drücken die Worte „hat sich stets bemüht“ trotz des positiven Ansatzes einen Tadel aus, wenn das Zeugnis zum Erfolg des Bemühens schweigt. Und natürlich gibt es auch einige andere zumindest zweifelhafte Charakterisierungen.

Von Rechts wegen sind negative Geheimcodes in Zeugnissen und verboten (§ 109 Abs. 1 S. 2 GewO) mit der Folge, dass der Arbeitnehmer auf Zeugnisberichtigung klagen kann. Das Problem ist jedoch, dass sich Geheimcodes vor Gericht kaum nachweisen lassen. So widerfuhr es auch dem Kläger in einem jetzt vom BAG (15.11.2011 – 9 AZR 386/10, Pressemitteilung Nr. 88/11) entschiedenen Fall. Sein Zeugnis enthielt auszugsweise folgenden Absatz: „Wir haben den Kläger als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt, der stets eine sehr hohe Einsatzbereitschaft zeigte. Der Kläger war jederzeit bereit, sich über die normale Arbeitszeit hinaus für die Belange des Unternehmens einzusetzen. Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollen Zufriedenheit.“ Entgegen der Ansicht des Klägers gelangt das BAG zu der Einschätzung, dass die im Zeugnis enthaltene Formulierung, „als sehr interessierten und hochmotivierten Mitarbeiter kennen gelernt“, aus Sicht des objektiven Empfängerhorizonts nicht den Eindruck erwecke, es attestiere dem Kläger in Wahrheit Desinteresse und fehlende Motivation.

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3 Kommentare

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Also, man muss schon mit einem sehr positivem, beschwingten Lebensgefühl (neben einer zahlungsfreudigen Rechtsschutzvers. oder einem Mandanten mit zu viel Geld) ausgestattet sein, um einen isolierten "Zeugnisstreit" bis vor´s BAG zu schleppen. Respekt an den/die KollegIn.

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Zeugnisrechtsstreitigkeiten kosten vor allem Nerven des Rechtsanwalts. Regelmäßig sind es doch die Mandanten, die sich da hineinsteigern.

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Der Begriff "kennengelernt" wird in der angegebenen Formulierung von vielen HR-Praktikern tatsächlich als Abtönung verstanden, im Sinne von "nicht durchgehend" oder auch "etwas überraschend".

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