„Was haben Sie mir da hingeschmiert? Wir wissen doch beide, wonach das riecht.“

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 19.11.2011
Rechtsgebiete: AG LübeckStrafrechtVerkehrsrecht1|9140 Aufrufe

Schon etwas eklig ist dieser Fall, auf den ich bei einer Recherche nach anderen Entscheidungen bei Beck-Online gestoßen bin. Aber auch irgendwie kurios:

 

Der Angeklagte wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten verurteilt.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschrift:

§ 223 Abs. 1 StGB.

Gründe:

I.

Der 50-jährige Angeklagte ist unverheiratet und hat keine Kinder. Mit einer in E. wohnenden Lebensgefährtin führt er eine Wochenendbeziehung. Der Angeklagte selbst wohnt in einer Gartenlaube.

Der Angeklagte besuchte zunächst die Realschule, die er mit dem Abschluss verließ. Anschließend erwarb er an einem Fachgymnasium die Fachhochschulreife und begann anschließend ein Studium der physikalischen Technik an der Fachhochschule Lübeck. Das Studium brach er nach sechs Semestern ohne Abschluss ab. In der Folgezeit verpflichtete sich der Angeklagte für zwei Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Anschließend war er als selbstständiger Kurierfahrer in H. tätig. Das Gewerbe gab er wegen Erfolglosigkeit wieder auf und wanderte zunächst für drei Jahre nach P. aus, wo er seinen Lebensunterhalt mit Gelegenheitsjobs bestritt. Nach der Rückkehr nach Deutschland verrichtete der Angeklagte vorübergehend bei dem Fährunternehmen TT Line verschiedene Tätigkeiten. Einer geregelten, längerfristigen Tätigkeit ging er auch in der Folgezeit nicht nach. Zuletzt lebte der Angeklagte von Verdiensten, die er mit einem selbstständigen Hausmeisterservice erwarb. Er beabsichtigt, auch diesen nunmehr wegen Erfolglosigkeit aufzugeben und einen Antrag auf Sozialleistungen zu stellen.

Der Angeklagte konsumiert regelmäßig Alkohol, vorwiegend Bier (ca. fünf bis sechs am Tag), daneben aber auch härtere Alkoholika (Schnaps). Einer Therapie hat er sich bisher nicht unterzogen, da er meint, allein und aus eigenem Antrieb den Alkoholkonsum reduzieren und gar komplett einstellen zu können.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits wiederholt in Erscheinung und insgesamt neun Mal verurteilt worden, dabei zwischen 1984 und 2008 wegen Vermögens- und insbesondere Straßenverkehrsdelikten zu Geld- als auch Freiheitsstrafen, die nach erfolgreicher Bewährung erlassen worden sind.

Einschlägig oder im weiteren Sinne einschlägig ist der Angeklagte bisher wie folgt verurteilt worden:

Mit Urteil vom 13.05.1985 verurteilte ihn das Amtsgericht Lübeck wegen Vornahme einer exhibitionistischen Handlung in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 30,00 DM.

Mit Urteil vom 19.06.1986 verurteilte ihn das Amtsgericht Lübeck erneut wegen einer exhibitionistischen Handlung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von drei Monaten. Die Strafe wurde mit Wirkung vom 27.07.1989 erlassen.

Die den beiden vorgenannten Urteilen zugrunde liegenden Feststellungen konnten in das hiesige Verfahren nicht mehr eingeführt werden, da die (angeforderten) Akten bereits vernichtet sind.

Mit Urteil vom 25.08.2010 verurteilte ihn das Amtsgericht Lübeck wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung in vier Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 10,00 €. Dieser Verurteilung lagen folgende Feststellungen zugrunde:

„Über einen Zeitraum von einigen Monaten im Jahr 2009 beging der Angeklagte eine Serie von gleichartigen Taten, die wie folgt abliefen:

Der Angeklagte zog sein Sperma auf eine Einwegspritze, fuhr mit seinem Rennrad durch die Straßen von L., bis er eine Frau fand, die alleine unterwegs war, und bespritzte diese im Vorbeifahren mit seinem Sperma. Die Frauen litten jeweils unter starkem Ekelgefühl und fühlten sich in ihrer Ehre verletzt.

Im Einzelnen kam es zu folgenden Taten:

1. Am 05.05.2009 gegen 8.10 Uhr bespritzte der Angeklagte die Zeugin L. im Bereich des Kleingartengeländes „A“.

2. Am 04.07.2009 bespritzte der Angeklagte gegen 0.30 Uhr die Zeugin F. in der B.-Straße. Der Zeugin F. gelangte ein Teil des Spermas in den Mund.

3. Am 04.07.2009 gegen 9.30 Uhr bespritzte der Angeklagte die Zeugin K1. in der B.-Straße.

4. Am 23.07.2009 bespritzte der Angeklagte die Zeugin K2. in der A.-Straße.

Bei Begehung der Taten war der Angeklagte jeweils leicht alkoholisiert.“

Die vorstehenden Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen Angaben in der Hauptverhandlung, die Feststellungen zu seinen Vorstrafen auf dem verlesenen Bundeszentralregisterauszug vom 29.03.2011 sowie dem verlesenen Urteil des Amtsgerichts Lübeck vom 25.08.2010.

II.

Ab ca. 13.00 Uhr des Tattages, dem 18.01.2011, trank der Angeklagte zunächst insgesamt jedenfalls fünf Pils-Bier à 0,5 Liter sowie zwei kleine Schnäpse (Bonekamp), infolgedessen er sich angetrunken, aber nicht betrunken fühlte, befriedigte sich dann zwischen 14.00 und 15.00 Uhr selbst und fing dabei sein Sperma in einem Becher auf und füllte dieses in ein leeres Augentropfen-Fläschchen um. Er blieb in der Folgezeit zunächst für ca. zwei bis drei Stunden in seiner Gartenlaube bzw. in dem Garten, wo er auch noch arbeitete, und fuhr sodann mit dem Fahrrad zu den Einkaufsmärkten am sogenannten K. in L. Das Fläschchen mit dem abgefüllten Sperma führte er in der Absicht bei sich, eine beliebige - äußerlich von ihm aber als attraktiv empfundene - Frau bei geeigneter Gelegenheit mit dem Sperma zu bespritzen. Am Kaufhof angekommen, suchte der Angeklagte den A.-Markt auf und stellte sich dort mit ausgewählten Artikeln in eine Schlange am Kassenbereich. Vor ihm stand die Zeugin M. in Begleitung ihrer siebenjährigen Tochter. Der Angeklagte, der die Zeugin attraktiv fand, holte sodann das mit seinem Sperma befüllte Fläschchen aus der Tasche und spritzte der Zeugin dessen Inhalt im Bereich ihres Gesäßes auf ihre Kleidung. Dabei kam es ihm auf eine gedankliche Erregung während der Tatausführung an, ohne dass eine körperliche Erregung dabei oder danach eintrat.

Die Zeugin bemerkte kurz darauf, dass eine Stelle an ihrem Gesäß bzw. unteren Rückenbereich feucht wurde. Sie griff mit ihrer Hand zu der Stelle und dabei in das auf ihrer Kleidung befindliche Sperma. Sie roch an ihrer Hand und bemerkte, dass es sich bei der Flüssigkeit um Sperma handelte. Sie drehte sich sogleich zu dem weiterhin hinter ihr stehenden Angeklagten um und sprach diesen darauf an. Konkret fragte sie ihn: „Was haben Sie mir da hingeschmiert? Wir wissen doch beide, wonach das riecht.“ Der Angeklagte stritt das Geschehene zunächst ab. Sowohl die Zeugin als auch der Angeklagte bezahlten dann ihre Waren. Der Angeklagte verließ schließlich den Laden vor der Zeugin, die ihm nacheilte und ihn vor dem Laden erneut zur Rede stellte. Dabei gab der Angeklagte schließlich zu, die Zeugin mit Sperma bespritzt zu haben. Die Zeugin, die sich in ihrer Ehre herabgesetzt fühlte und Ekel verspürte, schlug und trat den Angeklagten daraufhin mehrmals und verständigte in der Folgezeit die Polizei, nachdem sich der Angeklagte entfernt hatte.

Die Zeugin, die seit ihrem dreizehnten Lebensjahr unter psychischen Problemen leidet, einhergehend mit bis in die Jahre 2008/2009 beigebrachten Selbstverletzungen, und die im Alter von 15 Jahren zudem Opfer einer Vergewaltigung geworden war, litt in der Folge unter erheblichen psychischen Belastungen und etwa eine Woche nach der Tat zudem unter massiven Schlafstörungen, die sich gegenüber den Schlafstörungen, die sie auch sonst zuweilen hat, verschlimmerten. Die Tatbegehung durch den Angeklagten ließ das von ihr im Zuge der in der Vergangenheit an ihr begangenen Sexualstraftat Erlebte wieder in ihr Bewusstsein treten; zu gedanklich von ihr erneut in Erwägung gezogenen Selbstverletzungen kam es indes nicht. Die Zeugin leidet zudem an Multipler Sklerose, was sich beim Auftreten von Stress in Muskelkrämpfen äußert. Durch die durch die Tat des Angeklagten ausgelösten psychischen Belastungen erlitt sie wiederholt massive Krampfanfälle, was zu Schmerzen in ihren Armen und Beinen führte.

Mögliche Folgeschäden seines Opfers über das unmittelbare Bespritzwerden mit Sperma hinaus, insbesondere Beeinträchtigungen des seelischen Wohlbefindens, nahm der Angeklagte in Kauf. Es kam ihm auf derartige Folgen zwar nicht an, er fand sich aber mit ihnen ab, um die erstrebte Befriedigung im Zeitpunkt des Bespritzens mit seinem Sperma zu erlangen. Mögliche Folgen für das Opfer waren ihm im Zeitpunkt der Tatbegehung egal, da er dieses als Lust-/Sexualobjekt ansah, an dem er seiner eigenen Fantasie freien Lauf lassen konnte. Davon, dass die Zeugin oder andere anwesende Personen das Bespritzen selbst oder das Sperma unmittelbar danach an dem Körper oder der Kleidung bemerkten, ging der Angeklagte nicht aus. Er wollte vielmehr, dass die Tat selbst unbeobachtet bleibt.

Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf dem Geständnis des Angeklagten, welches das Gericht nach Prüfung für glaubhaft erachtet, sowie der glaubhaften Aussage der Zeugin M., an deren Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen. Die Zeugin hat zunächst in sich schlüssig und widerspruchsfrei sowie detailreich den Tathergang geschildert. Unter wiederholtem Weinen und einem sich ihre gesamte Aussage durchziehenden Zittern hat sie dabei glaubhaft ihre „Vorschädigungen“ dargelegt, ebenso die von ihr erlittenen Tatfolgen.

III.

Der Angeklagte hat sich damit einer vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht (dazu sogleich unter III. 1.).

Eine Strafbarkeit des Angeklagten (tateinheitlich) wegen anderer Tatbestände scheidet jedenfalls im Ergebnis aus, da diese entweder bereits objektiv nicht verwirklicht wurden oder nach den konkreten Umständen die subjektive Tatseite nicht festzustellen war (dazu im Folgenden unter III. 2. bis 5.).

1. Das Verhalten des Angeklagten hat den Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB verwirklicht.

Vorausgesetzt ist eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung, wobei sich beide Tatmodalitäten überschneiden. Körperliche Misshandlung ist nach ständiger Rechtsprechung eine üble, unangemessene Behandlung, durch die das Opfer in seinem körperlichen Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt wird, ohne dass es zwingend der Zufügung von Schmerzen bedarf (vgl. BGH NJW 1995, 2643; Eser/Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB, 28. A. 2010, § 223 Rdn. 3). Als Gesundheitsschädigung ist jedes Hervorrufen oder Steigern eines krankhaften Zustandes von gewisser Schwere und nicht ganz vorübergehender Dauer zu verstehen, wozu schon die Aufrechterhaltung oder Verschlimmerung einer bestehenden Krankheit oder die Herbeiführung oder Aufrechterhaltung von Schmerzen genügen können (vgl. Eser/Sternberg-Lieben, a. a. O., § 223 Rdn. 5). Die körperliche Misshandlung setzt mithin einen Körperlichkeitsbezug voraus, während die Gesundheitsschädigung nicht auf die Beeinträchtigung des körperlichen Zustandes beschränkt ist, sondern auch in der Erregung oder Steigerung einer psychischen pathologischen Störung begründet sein kann (vgl. BGH NStZ 1997, 123; NStZ-RR 2000, 106; Eser/Sternberg-Lieben, a. a. O., § 223 Rdn. 6 m. w. N.), und zwar nicht zwingend hervorgerufen durch Gewaltanwendung sondern auch durch psychische Einwirkungen (vgl. BGH NJW 1996, 1068, 1069; ebenso BGH (VI. Zivilsenat) NJW 1976, 1143, 1144).

Diese tatbestandlichen Voraussetzungen hat das Verhalten des Angeklagten ausgefüllt. Ungeachtet der genauen, im Weiteren offen bleibenden Abgrenzung der beiden Tatmodalitäten des § 223 Abs. 1 StGB, verkennt das Gericht nicht, dass eine Einwirkung, die lediglich das seelische Wohlbefinden berührt, den Tatbestand der Körperverletzung grundsätzlich nicht verwirklicht (vgl. BGH NStZ 1986, 166; 1997, 123). Daher bleibt das Auslösen bloßer Angst- oder Panikgefühle nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum ebenso straflos wie im Grundsatz das Erregen eines Ekelgefühles (vgl. OLG Zweibrücken NJW 1981, 241, für den Fall des Anspuckens, m. w. N. auch zu abweichenden Auffassungen des Reichsgerichts und im Schrifttum; Fischer, StGB, 58. A. 2011, § 223 Rdnrn. 6, 6 e). Die Beurteilung ändert sich aber, wenn infolge von Abscheu oder Ekel körperliche Wirkungen hinzutreten, etwa in Form von Magenschmerzen, Erbrechen und Atemnot (vgl. etwa OLG Köln NJW 1997, 2191, 2192). Es reichen aber auch solche psychischen Beeinträchtigungen aus, die den Körper im weitesten Sinne (vgl. BGH NJW 1983, 462) in einen pathologischen, somatisch objektivierbaren Zustand, vor allem auch nervlicher Art, versetzten. Deshalb sind auch Tatfolgen wie Zittern, Schlaflosigkeit und Angstzustände jedenfalls dann als tatbestandliche Körperverletzung anzusehen, wenn sie nicht nur unerheblichen Ausmaßes sind (vgl. BGH NJW 1983, 462; 1996, 1068, 1069; Eser/Sternberg-Lieben, a. a. O., § 223 Rdn. 4; Fischer, a. a. O., § 223 Rdn. 6 e).

Dies zugrunde gelegt, hat die infolge der zur Beurteilung stehenden Tat erlittene psychische Belastung der Zeugin durchaus einen objektivierbaren somatischen Zustand hervorgerufen. Die Zeugin hat ohne weiteres glaubhaft ausgesagt, dass sie nach der Tat jedenfalls für eine Woche unter einer Verschlimmerung der bei ihr schon bekannten Schlafstörungen gelitten hat; ebenso unter erneuten Krampfanfällen, welche zwar in einer vorbestehenden Erkrankung (Multiple Sklerose) angelegt waren, durch den infolge der Tat ausgelösten Stress indes wiederum aufgetreten sind. Es liegt auf der Hand und bedarf keiner vertiefenden Ausführungen, dass körperliche Wirkungen wie jedenfalls Krampfanfälle, aber auch mehrere Tage andauernde Schlafstörungen, nicht nur nach dem subjektiven Empfinden der Zeugin sondern auch aus der Sicht eines objektiven Betrachters mehr als nur unerheblich sind.

Sie sind dem Angeklagten auch zuzurechnen. An einer (objektiven) Zurechenbarkeit kann es zwar unter anderem dann fehlen, wenn das weitere (Kausal-)Geschehen vom Täter nicht als „sein Werk“ beherrschbar und steuerbar gewesen ist. Ganz entfernte und gänzlich atypische Kausalverläufe sind dem Täter daher nicht zurechenbar (vgl. Fischer, a. a. O., Vor § 13 Rdn. 27; Lenckner/Eisele in: Schönke/Schröder, a. a. O., Vor § 13 Rdn. 93). So liegt der Fall hier indes nicht. Außergewöhnliche Tatfolgen, welche der Angeklagte in ihrem Gewicht nicht hätte erkennen und mit diesen auch nicht rechnen konnte, liegen nicht vor (anders wäre dies möglicherweise zu beurteilen gewesen, wenn die Zeugin sich erneut Selbstverletzungen zugefügt hätte, was aber keiner weiteren Erörterung bedarf). Der Angeklagte konnte und durfte sich gerade nicht darauf verlassen, dass sein Opfer die Tat als bloße Belästigung abtut, und - pointiert ausgedrückt - seine Kleidung wäscht und nichts von dem Vorfall physisch und/oder psychisch „hängen bleibt“. Dafür geht die Intensität des in Rede stehenden Eingriffs in die Intimsphäre zu deutlich über eine bloße Belästigung hinaus, auch wenn er nicht das Gewicht einer Gewalttat erreicht. Hinzu tritt die auch dem Angeklagten zuzuschreibende Kenntnis - vom Oberlandesgericht Karlsruhe in einem hinsichtlich Vorschädigung und Tatfolgen ähnlich gelagerten Fall als „Allgemeingut“ bezeichnet -, „dass sich Geschädigte in ihren psychischen Reaktionen auf an ihnen verübte Straftaten voneinander unterscheiden und eine besondere Anfälligkeit gerade von weiblichen Geschädigten dann besteht, wenn sie bereits früher - was nicht selten ist - Opfer einer Gewalttat geworden sind“ (OLG Karlsruhe NJW 2003, 1263, 1264). Auch dass eine schwerwiegende Sexualstraftat, wie die der Zeugin in der Vergangenheit widerfahrene Vergewaltigung, zu psychischen Vorbeeinträchtigungen führt, die durch eine neuerliche Straftat, selbst wenn diese - wie hier - das Gewicht einer Sexualstraftat nicht erreicht, wieder ausgelöst werden und somatische Folgen nach sich ziehen, ist nicht ungewöhnlich und für den Täter voraussehbar (OLG Karlsruhe a. a. O.; vgl. ferner BGH NStZ-RR 2000, 363); anders gewendet: Der Angeklagte konnte schlichtweg nicht darauf vertrauen, nicht auf ein vorgeschädigtes Opfer treffen zu können, sondern musste jederzeit damit rechnen (zur Bedeutung für die Strafzumessung näher unter IV. 1).

Die (Verletzungs-)Folgen bei der Zeugin hat er gleichgültig in Kauf genommen und sich mit ihnen um seines erstrebten - freilich weiterhin weitgehend im Dunkeln liegenden - Zieles (gedankliche Befriedigung) willen abgefunden. Physische oder psychische Folgen bei seinem Opfer waren ihm schlichtweg egal. Der Angeklagte handelte mithin jedenfalls bedingt vorsätzlich. Bedingter Vorsatz ist dann gegeben, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Körperverletzungserfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkennt und damit in der Weise einverstanden ist, dass er die Tatbestandsverwirklichung billigend in Kauf nimmt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihr abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch unerwünscht sein (vgl. BGHSt 36, 1, 9; BGH NStZ 2004, 201, 202). Ausreichend ist dabei, dass dem Täter der als möglich erkannte Handlungserfolg gleichgültig ist (vgl. BGHSt 40, 304, 306). Dass diese Voraussetzungen vorliegen, ergibt sich auch daraus, dass dem Angeklagten aufgrund der der einschlägigen Vorverurteilung zugrunde liegenden Fällen bekannt war, dass seine Opfer über das unmittelbare Bespritzen von Sperma weit mehr in Anspruch genommen werden, und zwar gerade auch in körperlicher Hinsicht. Dieses Wissens war beim Angeklagten auch zum hiesigen Tatzeitpunkt noch vorhanden. Daher kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Angeklagte auf den Nichteintritt des Taterfolges vertrauen konnte. Über mögliche Tatfolgen hat er sich in gleichgültiger Weise hinweg gesetzt. Dass er dabei nicht über solche reflektiert hat, ändert an der Beurteilung nichts. Denn wer als Täter aus Gleichgültigkeit nicht nachdenkt, hält alles für möglich, und handelt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vorsätzlich, weil er mit jeder eintretenden Möglichkeit einverstanden ist (vgl. BGH NJW 1960, 1821, 1822; BGHSt 40, 304, 306 m. w. N.).

Anhaltspunkte dafür, dass er infolge seiner Alkoholisierung oder eines etwaigen Triebes in seiner Einsichts- und Steuerungsfähigkeit jedenfalls erheblich vermindert war (§ 21 StGB) lagen nicht vor. Dabei ist auch zu bedenken, dass das Verhalten des Angeklagten trotz des nunmehr - im Vergleich zu den 2009 begangenen einschlägigen Taten - in breiterer Öffentlichkeit praktizierten modus operandi insbesondere nach seiner unwiderleglichen Einlassung - eine Entdeckung durch die Zeugin nicht erstrebt zu haben - von einer gewissen „Heimlichkeit“ und von einer auf Verdeckung der wahren Ziele gerichteten „Feigheit“„ geprägt ist und insoweit deutlich hinter einem, eine seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB regelmäßig nahe legenden (vgl. Fischer, a. a. O., § 183 Rdn. 8) exhibitionistischen Verhalten zurückbleibt (dazu sogleich).

Der Angeklagte hat sich nach alledem einer vorsätzlichen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

 

AG Lübeck: Urteil vom 08.06.2011 - 746 Js 13196/11    BeckRS 2011, 19102

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

acai beere are produced get-at-able a palm tree known scientifically as Euterpe oleracea, established in floodplain areas of the Amazon River, Talcott said. When cultivated, the berries are stygian purple and at hand at indicator the nick the capaciousness of of a blueberry. They qualify a skeletal layer of salubrious pomace bordering a sizeable seed.

Historically, Brazilians abnehmtabletten bear in utilize plonk down to acai berries to upon digestive disorders and veneer conditions, he said. Growing appearance marketing efforts alongside retail merchants and Internet businesses present acai products can second consumers worsted albatross, abridge cholesterol and pay-off energy.

“A cake of claims are being made, but most of them haven’t been tested scientifically,” Talcott said. “We are perpendicular start to commiserate with the convolution of the acai berry and its health-promoting wie kann ich schnell abnehmen.”

In the schnell abnehmen main UF deliberate during the course of, six unalike chemical extracts were made from acai fruit second-rate, and each hand down was predisposed in seven concentrations.

Four of the extracts were shown to abnehmpillen torture informatory numbers of leukemia cells when applied in search 24 hours. Depending on the deliverance and concentration, anywhere from handy 35 percent to 86 percent of the cells died.

0

Kommentar hinzufügen