Gibt es ein Copyright auf Interviewpassagen? LG Berlin meint, ja!
von , veröffentlicht am 20.11.2011Eine Schauspielerin gibt dem "Stern" ein Interview. Die BILD-Zeitung zitiert längere Passagen des Interviews wörtlich. Die Schauspielerin verklagt die BILD-Zeitung auf Unterlassung. Sie argumentiert vor Gericht erfolgreich, sie sei Miturheberin des Interviews (§ 8 Abs. 2 Satz 1 UrhG) und die Übernahme von Textpassagen durch BILD verletze ihre geistigen Eigentumsrechte.
Das Landgericht findet das einleuchtend (LG Berlin vom 20.9.2011, Az. 16 O 134/11). Die Antworten der Schauspielerin auf die Interviewfragen seien Sprachwerke iSv § 2 UrhG. Jedes Sprachwerk bedarf aber einer bestimmten Schöpfungshöhe.
Man tut sich schwer, sich dies bei einem Interview vorzustellen.
Lesenswert ist daher die Begründung, mit der das Landgericht die Schöpfungshöhe der Äußerungen der Schauspielerin bejahte:
"Zu Recht weist sie darauf hin, dass sie auf die vorsichtige Frage nach ihrem Verhältnis zu freizügigen Liebesszenen - für die heutigen Gepflogenheiten durchaus unüblich - offen und platt reagiert, in ihrer nächsten Aussage dann aber differenziert die von ihr gespielte Frau beschreibt und mit einer knappen und lakonischen Schilderung der Diskussion um die Freigabe des Fotos schließt. [...] In ihren streitgegenständlichen Antworten schildert die Klägerin zwar auch tatsächliche Ereignisse, bringt aber vor allem ihre innere Einstellung zu diesen zum Ausdruck. "
Ach so. Es muss also die innere Einstellung in Worte gefasst werden!
Daher eröffne ich die Diskussion und schließe ich mit einem Zitat eines der größten Interview-Urhebers der Gegenwart: "Eine Ehe ist wie ein Fußballspiel - man weiß nie, wie es ausgeht." (Lothar Matthäus)
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
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8 Kommentare
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Wo genau liegen denn bei Ihnen da Schwierigkeiten, in individuell formulierten Aussagen, die nicht lediglich eine neutrale Tatsachenschilderung darstellen, eine eigene geistige Schöpfung zu erkennen?
Tilman kommentiert am Permanenter Link
Diese Problematik gabs schon mal bei einem anderen Darsteller, wobei ich nicht weiss, wie es am Ende ausgegangen ist:
http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,272529,00.html
PH kommentiert am Permanenter Link
Es reicht nicht irgendeine Schöpfung, sondern es muss eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht werden. Das kann man in diesem Fall schon in Zweifel ziehen.
pjul kommentiert am Permanenter Link
Na denn, angesichts der Länge des Dreier/Schulze-Zitats im Urteil würde ich mir als LG Hamburg dann aber auch Gedanken machen, ob ich mit der ganz und gar "knappen und lakonischen Schilderung" von Herrn Schulze nicht auch fremde Urheberrechte verletze ;-). Wie heißt es so schön: "Eine bloße Zusammenstellung einzelner Zitate ohne erkennbare eigene Leistung, wie hier geschehen, erfüllt diese Anforderung indes nicht."
Name kommentiert am Permanenter Link
Fabian Reinholz kommentiert am Permanenter Link
Was sind den "individuelle Gedanken"? Oder anders gefragt: Gibt es auch Gedanken, die nicht individuell sind? Ich tue mich schwer, eine Schöpfungshöhe darin zu sehen, dass jemand Fragen beantwortet - und selbst wenn er dabei sein Seelenleben zur Schau stellt.
Wer erinnert sich noch an die berühmte Wutrede von Giovanni Trapattoni (Was erlauben Struntz!)? Gibts dafür Urheberschutz, weil Herr Trapattoni ausgerastet ist und - sagen wir mal - nicht so gut Deutsch konnte?
Name kommentiert am Permanenter Link
Wenn nun ein Sender, dessen Reporter zu dieser Jahrhundertrede ;-) dummerweise zu spät kam und sie deswegen nicht aufnehen konnte, Zusammenschnitte aus den Aufzeichnungen anderer Sender sendet, haben die Rechteinhaber (Sender und als Miturheber Trappatoni) durchaus einen Anspruch auf Unterlassung und zivilrechtlich auf Honorar.
Nichts anderes hat "Bild" gemacht, als sie platt aus dem "Stern" abgeschrieben hat - also kann diese "Zeitung" auch dazu verurteilt werden, das gefälligst zu unterlassen. Weil es eben keine individuellen Gedanken waren, sondern kopierte - um Ihrer Vorstellung mal auf die Sprünge zu helfen (nur für den Fall, dass Sie das letzte Dreivierteljahr auf einer Südseeinsel verbracht haben und Ihnen der Name "Guttenberg" nichts sagt).
vgl. GuttenplagWiki, ähnl. auch "Verfassung und Verfassungsvertrag" :-PUlf J.Froitzheim kommentiert am Permanenter Link
Als Journalist kann ich dazu sagen: Bei der VG Wort muss ich den Interviewten als Miturheber angeben. Als ehrenamtlicher Verwaltungsrat der VG Wort kann ich außerdem ein Lied davon singen, dass man einen Streit über die geistige Schöpfungshöhe eigentlich nicht gewinnen kann. Es gibt nichts Subjektiveres. Eins ist aber klar: Copyright ist hier in Kontinentaleuropa glücklicherweise nicht einschlägig.