Aus NStZ-RR: Verfahrensrüge in OWi-Sachen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 25.11.2011
Rechtsgebiete: OLG KoblenzNStZ-RRStrafrechtVerkehrsrecht1|4906 Aufrufe

Die Verfahrensrüge ist immer ein Problem im Rahmen der Revision. Im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem OWiG kann alles "noch schlimmer" werden, siehe nachfolgenden Fall, der OLG Koblenz, Beschluss vom 24. 3. 2011 - 2 SsBs 154/10 = NStZ-RR 2011, 352 zugrunde lag:

Zum Sachverhalt:

Das AG setzte mit Urteil vom 12. 10. 2010 gegen den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 26 km/h eine Geldbuße und ein Fahrverbot von 1 Monat fest.

Die Rechtsbeschwerde des Betr. blieb erfolglos.
Aus den Gründen:

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, soweit die Verletzung von

 § 261 StPO mit der Behauptung gerügtwird, das Gericht habe Beweismittel zum Gegenstand seiner Urteilsfindung gemacht, die nicht ordnungsgemäß zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden seien.

Hinsichtlich der Berücksichtigung von Eintragungen im Verkehrszentralregister führt die Rechtsbeschwerde aus, der entsprechende Verkehrszentralregisterauszug sei weder in der Hauptverhandlung verlesen noch auf andere Weise, „z.B. durch Vorhalt”, in das Verfahren eingeführt worden. Dieser Vortrag genügt nicht den formellen Anforderungen der § 79 Absatz III OWiG,
§ 344 Absatz II 2 StPO, wonach bei der Rüge von Verletzungen verfahrensrechtlicher Normen die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben werden müssen. Zur ordnungsgemäßen Begründung einer auf die Verletzung des  § 261 StPO gerichteten Verfahrensrüge, im Urteil sei ein Schriftstück verwertet worden, das nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei, gehört nicht nur die Behauptung, die Urkunde sei nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass das Schriftstück nicht in sonst zulässiger Weise zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist (OLG Koblenz, Beschl. v. 16. 10. 2002 –  1 Ss 127/02; OLG Düsseldorf, VRS 85, 452; OLG Köln, VRS 73,136; Kuckein, in: KK-StPO, 6. Aufl., § 344 Rn  58 mwN), wobei der Umfang des erforderlichen Tatsachenvortrages von den prozessualen Umständen des Einzelfalles abhängt (OLG Koblenz, Beschl. v. 16. 10. 2002 –  1 Ss 127/02; BGH, NStZ 2007,  235 – juris Rn 7). Während für das Strafverfahren insoweit gefordert werden muss, dass die Verfahrensrüge auch darlegt, das Schriftstück sei auch nicht durch Vorhalt oder im Selbstleseverfahren eingeführt worden, sieht § 78 Absatz I OWiG weitere Möglichkeiten der Einführung von Schriftstücken in die Hauptverhandlung vor. § 78 Absatz I 1 OWiG erlaubt, dass statt der Verlesung eines Schriftstückes das Gericht dessen wesentlichen Inhalt bekannt gibt, wenn es nicht auf den Wortlaut des Schriftstückes selbst ankommt. Haben der Betr., der Verteidiger und der in der Hauptverhandlung anwesende Vertreter der StA von dem Wortlaut des Schriftstückes Kenntnis genommen oder dazu Gelegenheit gehabt, so genügt es sogar, die Feststellung hierüber in das Protokoll aufzunehmen (§ 78 Absatz I 2 OWiG). Mit der protokollarischen Feststellung wird zugleich klargestellt, dass das Schriftstück so in die Hauptverhandlung eingeführt ist, als wäre es verlesen worden (Göhler-Seitz, OWiG, 15. Aufl., § 78 Rn 1d). Das Schriftstück ist dann verwertbar, ohne dass sein Inhalt in der Hauptverhandlung erörtert worden ist (Senge, in: KK-OWiG, 3. Aufl., § 78 Rn  2). An diesen zusätzlichen prozessualen Möglichkeiten der Einführung von Schriftstücken in die Hauptverhandlung im Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts ist auch der Begründungsaufwand einer entsprechenden Verfahrensrüge zu messen. Schlüssig ist die Rüge nur dann erhoben, wenn sie die Unterlassung aller hier prozessual möglichen Wege der Einführung des Schriftstückes behauptet. Denn es kann nicht Aufgabe des Senats sein, im Rahmen der pauschal erhobenen Rüge, ein Schriftstück sei nicht ordnungsgemäß eingeführt worden, im Einzelnen und anhand des Protokolls zu prüfen, ob die zusätzlichen Möglichkeiten des § 78 Absatz I OWiG ausgeschöpft worden sind.

2. Unzulässig ist auch die Rüge der Verletzung von  § 261 StPO mit der Behauptung, weder die Messfotos noch der Beschilderungsplan seien in Augenschein genommen worden. Sie lässt außer Betracht, dass die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Rahmen einer Zeugenvernehmung nicht der Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedürfen, ja sogar untunlich sind (vgl. BGH, NStZ-RR 1999, 107).
Schweigt also das Hauptverhandlungsprotokoll hinsichtlich der Erhebung eines Augenscheinsbeweises, schließt dies entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gerade nicht aus, dass die entsprechenden Beweismittel im Rahmen der Vernehmung eines Zeugen, hier im Rahmen der Vernehmungen der Messbeamten, eingeführt worden sind. Schlüssig wäre die Rüge daher nur dann, wenn eine Zeugenvernehmung gar nicht stattgefunden hätte, was aber hier nicht der Fall ist. …

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Kurioser Formalismus zur Arbeitsvermeidung. Wieso sollte man vortragen müssen, auf welche Weisen etwas nicht Geschehenes nicht geschehen ist? Das führt nur dazu, dass in Zukunft formelhaft alle Möglichkeiten aufgeführt und verneint werden, ohne dass sich daraus weitere Erkenntnisse für das Rechtsmittelgericht ergeben und es dann trotzdem "im Einzelnen und anhand des Protokolls zu prüfen (hat), ob die zusätzlichen Möglichkeiten des § 78 Absatz I OWiG ausgeschöpft worden sind".

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