Unfall auf der Kartbahn: Wer zahlt Fahrzeugschaden?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 05.12.2011
Rechtsgebiete: KartbahnAG SteinfurtVerkehrsrecht|10912 Aufrufe

Eigentlich kein Verkehrsrecht - passt aber doch irgendwie hier hin:

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Vorfalls vom 18.05.2011 gegen 20.30 Uhr auf der Kartbahn-L an der ... in H geltend.

Am Abend des 18.05.2011 befand sich die Klägerin mit vier ihrer Arbeitskollegen auf der Kartbahn. Insgesamt befanden sich an diesem Tag zwei Gruppen auf der Bahn. Die zweite Gruppe bestand aus sechs englischsprachigen Personen. Gegen ein
Eintrittsentgeld nutzten sie die GoKarts und Sicherheitshelme des Betreibers. Betriebsinhaber der Kartbahn ist der Kläger. Die Bahn unterteilt sich in einen 600 m langen Innen- und einen 300 m langen Außenbereich, wobei sich die Bahn vor der
Wiedereinfahrt in die Halle kurzfristig verengt und dann in einer fast um 180 Grad herum führenden scharfen Linkskurve verläuft. In der 4. Runde kam es in dieser Linkskurve aus streitiger Ursache zu einem Zusammenstoß des GoKarts der Beklagten und desjenigen des vor ihr fahrenden Zeugen I, in dessen Folge das von der Beklagten geführte GoKart frontal gegen die Leitplanke in der Nähe der Toreinfahrt prallte und zu Schaden kam. Umfang und Höhe des am GoKart eingetretenen Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger verlangte von der Beklagten für den Schaden aufzukommen und den Schaden ihrer Haftpflichtversicherung zu melden. Er stellte ihr unter dem 20.05.2011 zunächst einen Betrag von 1.662,58 EUR inklusive Mehrwertsteuer in Rechnung. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.06.2011 reduzierte er seine Forderung auf den
Nettobetrag von 1.397,13 EUR und verlangte schließlich mit Rechnung vom 17.06.2011 zumindest die Zahlung eines Betrages von 861,29 EUR zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, insgesamt 1.024,93 EUR. Wegen des genauen Inhalts der Rechnung vom 17.06.2011 wird auf Bl. 6 d. A., verwiesen. Von der Beklagten wurde eine Schadensregulierung mit Schreiben vom 05.07.2011 abgelehnt.

Der Kläger behauptet, dass der Hallenaufsicht bereits vor dem Unfall auf der Kartbahn neben einem der
anderen Fahrer auch die Beklagte wegen sehr aggressiven Fahrens aufgefallen sei. Aus diesem Grunde habe sich der Zeuge T in der 4. Runde zur Beobachtung auf den Außenbereich an das Tor für die Einfahrt begeben. Nach dessen Beobachtung sei es dadurch zum Unfall gekommen, dass die Beklagte noch kurz vor der Halleneinfahrt versucht habe, mit hoher Geschwindigkeit den vor ihr fahrenden Zeugen I links zu überholen. Hierbei sei die Beklagte mit dem GoKart gegen die linke Leitplanke gestoßen. Ihr Fahrzeug habe sich gedreht, sei mit dem GoKart des Herrn I zusammengestoßen und dann mit der Vorderfront gegen die Leitplanke der Toreinfahrt geprallt. Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte den Unfall auf der Kartbahn durch einen grob fahrlässigen Fahrfehler verschuldet habe. Denn ihr Überholversuch sei von Anfang an aussichtslos gewesen. Der Kläger behauptet, dass durch den Unfall die Silentblöcke des GoKarts gebrochen, die Lenkradsäule und das Lenkrad verbogen und der Kartrahmen sowie der Rundumschutz des GoKarts beschädigt worden seien. Für die von seinem Mechaniker durchgeführte Reparatur habe er insoweit Materialkosten von 465,93 EUR sowie 18 Arbeitsstunden zu je 28,00 EUR und 55,00 EUR Verpackungs- und Versandkosten aufwenden müssen. Hierneben beansprucht er eine allgem
eine Schadenspauschale von 25,00 EUR.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag zur Höhe von 891,29 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 13.07.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, an dem Abend an dritter Position der Fahrer gestartet zu sein. Nach drei
Runden ohne Überholvorgänge sei der Zeuge I von dem weiteren vor ihr fahrenden Kollegen N überholt
worden, so dass der Zeuge I ab da in der Position vor ihr gefahren sei. In der vierten Runde sei sie im Außenbereich auf der rechten Seite in die letzte scharfe Linkskurve eingefahren und von dem hinter ihr fahrenden GoKart von hinten links gerammt worden, so dass sie auf das Fahrzeug des Zeugen I aufgeschoben worden sei. Dadurch habe sie die Kontrolle über ihr GoKart verloren und gegen die Planke an der rechten Parcours-Seite gefahren. Sie habe nicht beabsichtigt gehabt, zu überholen. Dem Zeugen I sei es gelungen, sein Fahrzeug wieder zu fangen und weiterzufahren. Das Fahrzeug, dass ihr GoKart von hinten gerammt habe, sei von einem Mann der anderen Gruppe gefahren worden und nach dem Zusammenstoß einfach an ihr vorbei gefahren. Die Aufsicht habe sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Außenbereich befunden, sondern sei erst bei ihr eingetroffen, nach dem die 10 anderen Fahrer ein weiteres Mal an ihr vorbeigefahren waren. Sie ist der Ansicht, dass der Unfall allein von
dem hinter ihr fahrenden Fahrer verschuldet worden sei. Nach dem Unfall seien sämtliche Teilnehmer zu
dem Vorfall befragt und deren Adressen von der Polizei aufgenommen worden, aber keiner der
anderen Gruppe habe zugeben wollen, ihr aufgefahren zu sein. Im Übrigen ist die Klägerin der Meinung, dass nur gewichtige Regelverstöße zu einer Haftung der Teilnehmer gegenüber dem Betreiber führen können. Denn auch dem Betreiber gegenüber seien die Haftungsgrundsätze für die Ausübung von Motorsport anzuwenden.

Wegen des weiteren Vortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen inhaltlich Bezug genommen.

Das Gericht hat die Parteien persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen T und I. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2011, 72 ff. d. A., verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch zu.

Als Anspruchsgrundlage in Betracht kommen insoweit nur eine Haftung der Beklagten nach § 280 Abs. 1 BGB oder aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 1 BGB jeweils in Verbindung mit § 249 BGB. Allerdings hat die Beklagte aufgrund einer konkludenten Haftungsbeschränkung nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit einzustehen. Weder
eine grob fahrlässige Verletzung von Pflichten der Beklagten aus dem Mietvertrag über das GoKart noch eine grob fahrlässige Sachbeschädigung an
dem GoKart durch die Beklagte sind zu erkennen. Der entsprechende Nachweis ist dem insoweit darlegungs- und beweispflichtigem Kläger nicht gelungen.

Mit der Entrichtung des Eintrittsgeldes und der Nutzungsgebühr für das GoKart und den Sicherheitshelm ist zwischen der Beklagten und dem Kläger als Betreiber der Kartbahn ein Mietvertrag gemäß § 535 BGB über das GoKart zustande gekommen. Dieser Mietvertrag unterliegt allerdings nicht den Grundsätzen ein es Mietwagenvertrages, sondern es besteht nach dem Sinn und Zweck der Benutzung eins GoKarts auf einer Kartbahn eine konkludente Haftungsbeschränkung auf Schäden, die durch Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verursacht worden sind. Entsprechende Haftungsbeschränkungen durch Vertrag sind grundsätzlich zulässig und zwar auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung (Palandt/Heinrichs, BGB,
276 Rn. 35). Sie können auch stillschweigend zustande kommen, wenn sich der Wille zur Haftungsbeschränkung wie vorliegend konkludent aus den Umständen ergibt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn feststeht, dass der Schädiger, wäre die Rechtslage vorher besprochen worden, einen
 Haftungsausschluss gefordert hätte und der Geschädigte diesen billigerweise nicht hätte ablehnen dürfen (Palandt/Heinrichs, BGB, 276 Rn. 37). Die Miete eines GoKarts dient anders als ein regulärer Mietwagenvertrag nicht der Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr, sondern der Nutzung des GoKarts auf der Kartbahn in sportlerischem Wettkampf mit den anderen Fahrern. Insoweit ist im Verhältnis der Teilnehmer untereinander anerkannt, dass eine Schadensersatzpflicht bei Unfällen in
dem als risikoreichbekannten Motorsport ausgeschlossen ist, wenn der Schädiger den Unfall ohne gewichtige Regelverletzung verursacht hat (BGH NJW 2003, 2018-2020, zitiert nach juris Rn. 26 ff.). Dies bezeiht sich auch die Haftung für einen Sportunfall auf einer GoKart-Bahn (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 408-409, zitiert nach juris Rn. 9 f.) und wird auf die Annahme einer Einwilligung der Teilnehmer gestützt, die die Widerrechtlichkeit der Schädigung und damit eine Voraussetzung der Ersatzpflicht beseitigt. Denn den Fahrern sind die mit einem solchen sportlichen Wettbewerb verbundenen Gefahren hinreichend bekannt. Sie wissen, dass sowohl die eingesetzten Fahrzeuge als auch sei selbst erheblichen Risiken ausgesetzt sind und nehmen dies wegen des sportlichen Vergnügens, der Spannung oder auch der Freude an der Gefahr in Kauf. Jeder Teilnehmer, des Wettkampfes darf daher darauf vertrauen, nicht wegen solcher Schäden in Anspruch genommen zu werden, die er einem Mitbewerber ohne nennenswerte Regelverletzung aufgrund der typischen Risikolagen des Wettbewerbs zufügt. Bei eigenen Sportfahrzeugen führt dies dazu, dass jeder Teilnehmer einen entsprechenden Sachschaden selbst zu tragen hat. Dies spricht dafür, im Verhältnis eines Teilnehmers zum Betreiber einer Kartbahn, der die Fahrzeuge für den sportlichen Wettkampf zur Verfügung stellt, von einem konkludenten Haftungsausschluss für durch einfache Fahrlässigkeit verursachte Schäden auszugehen. Hierfür spricht auch, dass es dem Kläger als Betreiber der Kartbahn durchaus möglich wäre für die den Besuchern seiner Kartbahn zur Verfügung gestellten GoKarts eine geeignete Sachversicherung abzuschließen.

Demgegenüber gilt für die Beklagte, dass die Teilnahme an Kraftfahrzeugrennen von ihrer Haftpflichtversicherung vermutlich nicht abgedeckt sein wird. Denn GoKarts unterliegen, soweit sie nicht im öffentlichen Straßenverkehr geführt werden, nicht
der Versicherungspflicht gemäß § 1 Pflichtversicherungsgesetz (PflVG). Nach § 4 Ziff. 4 der Verordnung über den Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (KfzPflVV) kann die Teilnahme an kraftfahrtsportlichen Veranstaltungen oder den Übungsfahrten hierzu von der Einstandspflicht der Haftpflichtversicherung ausgenommen werden.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Besucher einer Kartbahn bereit wäre, die Kartbahn mit den gemieteten GoKarts ohne eine Beschränkung
seiner Haftung auf Schäden wegen grober Fahrlässigkeit und Vorsatz zu benutzen. Hätte die Beklagte in Kenntnis der Rechtslage von dem Kläger als Betreiber einen Haftungsausschluss gefordert, so hätte sich dieser billigerweise darauf einlassen müssen.

Bereits nach dem Vortrag des Klägers zum Hergang des Unfalls auf der Kartbahn dürfte es an einem solchen gewichtigen Regelverstoß der Beklagten fehlen.

Jedenfalls ist ein solcher nicht nachgewiesen. Denn selbst die Angaben des Zeugen T als richtig unterstellt, könnte der Beklagten allenfalls vorgeworfen werden, die Scharfe Linkskurve zu weit innen angegangen zu sein und nicht bedacht zu haben, dass der vor ihr fahrende Zeuge I im weiteren Verlauf der Kurve mit seinem Fahrzeug wieder weiter nach innen kommen würde, sie sich dann also in dessen Fahrbahn befinden würde. Damit läge aber nur ein einfacher Verstoß der Beklagten gegen die auf der Kartbahn zu beachtenden Regeln vor (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. V. 14.11.2003, Az. I-22 U 69/02, zitiert nach juris Rn. 58).

Noch nicht einmal ein eindeutiger Überholvorgang der Beklagten ist festzustellen, der im Übrigen auch nur  einfachen Regelverstoß bedeutet hätte. Vielmehr hat sich auch bei dieser Konstellation ein absolut  typisches Risiko einer Fahrveranstaltung auf einer Kartbahn verwirklicht (vgl. BGH NJW 2003, 2018-2020, zitiert nach juris Rn. 27). Auch bei sportlerischen Fahrten zum reinen Vergnügen ist es die Regel, dass ein Fahrer versucht, seine Geschicklichkeit auszutesten und/ oder die Belastbarkeit seines Fahrzeugs auszunutzen, die größtmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, und dabei entweder dicht auf vorausfahrende Fahrzeuge auffährt oder ein solches zu überholen versucht (OLG Düsseldorf, NJW-RR 1997, 408-409, zitiert nach juris Rn. 9). Deswegen ist ein besonderer durch die Eigenart des Sports geprägter Maßstab anzulegen, nach welchem nicht schon jede geringfügige Beeinträchtigung eines anderen Sportlers als sorgfaltswidrig im Sinne des § 276 BGB zu bewerten ist, sondern eine Haftung nur bei gewichtigen Regelverstößen in Betracht kommt.

Der Zeuge T sagte aus, dass er im Außenbereich stehend beobachtet habe, dass der Zeuge I die starke Linkskurve am Ende von außen angefahren sei, die Beklagte demgegenüber innen und der Zeuge I bei Hineinfahren in die Kurve das GoKart der Beklagten berührt habe. Erst im zweiten Anlauf „verbesserte“ er seine Angaben dahin, dass die Beklagte in das GoKart des Zeugen I hereingefahren sei. Bereits hiernach
ist anzunehmen, dass der Unfall allenfalls durch eine
einfache Unbedachtheit der Beklagten verursacht
worden ist. Hinzu kommt, dass die Richtigkeit der Angaben des Zeugen T gewissen Bedenken unterliegt.

Zum einen war bei ihm eine erhebliche Tendenz zu erkennen zugunsten seines Arbeitgebers
auszusagen. Zu erkennen war dies insbesondere daran, dass er seine anfängliche Version des
Zusammenstoßes zu korrigieren versuchte. Zum anderen bestätigte der Zeuge I die Angabe der Klägerin, die Aufsichtsperson habe zum Zeitpunkt des Unfalles beim Start im Indoor-Bereich gestanden. Sollte dies der Fall gewesen sein, ist wenig glaubhaft, dass der Zeuge T von dem Vorgang überhaupt etwas selbst gesehen haben kann. Denn vom Innenbereich ist eine Sicht auf die Außenbahn nur durch die beiden Tore möglich und auch wegen der Entfernung eingeschränkt. Letztlich kann dies aber deswegen dahin stehen, weil bereits ein gewichtiger Regelverstoß nicht er wiesen ist, so dass sich auch die Vernehmung der weiteren von der Beklagten benannten Zeugen erübrigte.

 

AG Steinfurt: Urteil vom 26.10.2011 - 21 C 966/11  = BeckRS 2011, 26741

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