BAG: Wer Weiterbeschäftigung verlangt und zugesprochen erhält, muss seine Arbeit auch anbieten

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.12.2011

Die Arbeitgeberin hatte dem Arbeitnehmer zum 30.09.2006 wegen dessen Alkoholabhängigkeit gekündigt. Auf die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers hin stellte das ArbG Bielefeld mit Urteil vom 05.06.2007 die Unwirksamkeit der Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Klägers als Verpackungsentwickler zu unveränderten Bedingungen. Der Kläger drohte am 24.07.2007 die Zwangsvollstreckung aus dem Weiterbeschäftigungstitel an. Daraufhin schrieb die Arbeitgeberin ihm:

Sehr geehrter Herr H,

das Arbeitsgericht Bielefeld hat mit Urteil vom 5.6.2007 festgestellt, dass die von uns ausgesprochene Kündigung unwirksam ist. Gleichzeitig wurden wir verurteilt, Sie bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens weiterzubeschäftigen. Sie haben inzwischen durch ihren Anwalt Vollstreckungsmaßnahmen angedroht. Ausschließlich zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung sind wir bereit, Sie urteilsgemäß tatsächlich weiterzubeschäftigen. Die Weiterbeschäftigung erfolgt nur bis zum Tage der Entscheidung des LAG, da wir davon ausgehen, dass die Entscheidung des Arbeitsgerichts Bielefeld aufgehoben wird. Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach den arbeitsrechtlichen Regeln der erzwungenen Weiterbeschäftigung. Wir fordern Sie hiermit auf, am 07.08.2007 um 10:00 Uhr bei Herrn Dr. S zu erscheinen. Er wird ihnen dann Ihren Arbeitsplatz zuweisen.

Der Arbeitnehmer nahm die Arbeit am 07.08.2007 nicht auf und teilte am 20.08. mit, er sei bis zum 10.08.2007 krank gewesen. Auch nach seiner Genesung erschien er nicht am Arbeitsplatz. Stattdessen macht er nunmehr Annahmeverzugslohn gemäß § 615 BGB geltend.

Das BAG hat seine Klage abgewiesen (Urt. vom 17.08.2011 - 5 AZR 251/10, BeckRS 2011, 78922):

Voraussetzung des Annahmeverzuges sei gemäß § 297 BGB die Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft des Schuldners. Fehle dem Schuldner der Leistungswille, gerate der Gläubiger nicht in den Verzug der Annahme, sodass auch die Rechtsfolgen des § 615 Satz 1 BGB nicht einträten. Hier sei der Kläger zwar am 07.08.2007 arbeitsunfähig gewesen. Jedoch habe er diesen vorübergehenden Hinderungsgrund zunächst gar nicht benannt und auch mit Schriftsatz vom 20.08.2007 nur erklären lassen, dass er zum Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses arbeitswillig, vom 02.08. bis zum 10.08.2007 aber arbeitsunfähig gewesen sei. Anstalten zu einer Arbeitsaufnahme habe er trotz zwischenzeitlicher Genesung weiterhin nicht gemacht, obwohl das Angebot der Beklagten, ihn weiterzubeschäftigen, zeitlich unbefristet war.

Der Leistungswille sei auch nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder eingetreten. Der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, welche den Schluss zuließen, dass er nach Ablehnung des Weiterbeschäftigungsangebots seinen Leistungswillen zu einem späteren Zeitpunkt wiederhergestellt habe. Es sei nicht erkennbar, dass die im Laufe des Rechtsstreits zur Unzumutbarkeit der Tätigkeit nachgeschobenen Gründe im Zusammenhang mit seinem Leistungswillen im Klagezeitraum standen.

 

 

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