Love-Parade-Ermittlungen: Kommt es 2012 zur Anklageerhebung?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 31.12.2011

Die Love-Parade Katstrophe vom 24. Juli 2010 hat über ein Jahr lang die Öffentlichkeit in Deutschland stark bewegt (allein hier im Blog ca. 80.000 Abrufe und über 3.000 Kommentare). Nach dem Jahrestag mit starker medialer Aufmerksamkeit ist es allerdings recht still geworden - über die Duisburger Stadtgrenzen hinaus wird kaum noch darüber berichtet und auch hier im Blog ist die Diskussion, die monatelang intensiv alle Aspekte dieses Unglücks beleuchtet und die staatsanwaltliche Aufklärung kritisch begleitet hat, im Herbst 2011 weitgehend zum Erliegen gekommen. Nun, das ist der übliche Aufmerksamkeitszyklus, der auch in einem Blog nicht völlig ignoriert werden kann.

Dennoch möchte ich die Love Parade am letzten Tag des Jahres 2011 noch mal zum Thema machen und meine Einschätzung mitteilen, dass es nach vielen Monaten der intensiven Ermittlungen wohl bald zu einem Abschluss des Ermittlungsverfahrens kommen wird. Ich erwarte dies für 2012. Und ich hoffe für die Angehörigen der Getöteten, für die vielen Verletzten und für die Allgemeinheit, dass die Ermittlunegn einen hinreichenden Tatverdacht ergeben, dass also Anklage erhoben wird gegen Verantwortliche, die insbesondere bei der Planung dieser Veranstaltung wesentliche Sicherheitsinteressen der Besuicher missachtet haben. Dieses Ergebnis ist wegen der Schwierigkeit des Nachweises individueller Verantwortlichkeit allerdings nicht sicher. 

Unabhängig davon wünsche ich allen an der Diskussion hier im Blog Beteiligten und allen, die sich nach wie vor für die Aufklärung des Love Parade Unglücks auf verschiedenen Ebenen engagieren, alles Gute für  2012.

Hier die Links zu den früheren Diskussionen hier im Beck-Blog in umgekehrter Chronologie:

AKTUELL Juli 2012

Juli 2011 (249 Kommentare, ca. 12000 Abrufe)

Mai 2011 (1100 Kommentare, ca. 7500 Abrufe)

Dezember 2010 (537 Kommentare, ca. 8000 Abrufe)

September 2010 (788 Kommentare, ca. 16000 Abrufe)

Juli 2010 (465 Kommentare, ca. 23000 Abrufe)

Ergänzend:

Link zur großen Dokumentationsseite im Netz:

Loveparade 2010 Doku

Link zur Seite von Lothar Evers:

DocuNews Loveparade Duisburg 2010

Link zur

Großen Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag NRW

Link zum

Gutachten von Keith Still (engl. Original)

Gutachten von Keith Still (deutsch übersetzt)

Link zur

Analyse von Dirk Helbing und Pratik Mukerji (engl. Original)

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172 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Albrecht,

Ihre politisch durchaus nicht unerheblichen und juristisch ebenfalls hörens- wie lesenswerten allgemeinen justizkritischen Ausführungen erscheinen mir recht weit entfernt von den konkreten Love Parade Ermittlungen. Insbesondere der Zusammenhang mit dem NS-Unrechtsstaat und seiner Bewertung in der Nachkriegszeit, den Sie herstellen (oder nur in den Raum stellen?)  erscheint mir sehr weit hergeholt. Es gibt sicherlich passendere Beispiele in der deutschen Justizgeschichte als die (noch laufenden) Love Parade Ermittlungen. Eine gewisse Redlichkeit in der Wahl der Argumente und Assoziationen sollte man sich schon bewahren, wenn man um ein konkretes Thema streitet.

Spekulationen über vorsätzliches Tötungsunrecht auf der Loveparade oder - dazu habe ich ja schon diverse Male im Verlauf dieser monatelangen Blog-Diskussion deutlich Stellung genommen - über irgendwelche  "illegalen Forschungspraktiken", die ein "wachsamer" Laie hier anführt, schaden einer seriösen Diskussion, die wir hier zu führen versuchen, und sind nicht applauswürdig. Solche Spekulationen helfen letztlich denjenigen, denen eine bequeme Ausflucht aus ihrer Verantwortung gelegen kommt.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

Die Studie von Andreas Schwarz (TU Ilmenau)

„How public use social media to respond to blame games in crisis communication: The Love Parade tragedy in Duisburg 2010“ veröffentlicht  in Public Relations Review, Online am 27. Februar2012

liegt mir jetzt vor:

Vorausgeschickt sei, dass ich in dieser Wissenschaftsdisziplin kein Experte bin und auch nur das wiedergebe, was ich für interessant halte. Die Studie enthält natürlich noch viele weitere Details. Ich hoffe aber, dass ich das Wesentliche richtig wiedergeben kann: Theoretischer Hintergrund ist die „situational crisis communication theory“ (SCCT, Coombs 1995), die Schwarz mit seiner Untersuchung testet.

Im Kern geht es bei der SCCT darum, welche Wirkungen Stellungnahmen in einer Krisenkommunikation haben: Z.B. was kommt bei den Adressaten an und in welcher Weise wird ihre Sichtweise der Krise dadurch verändert, was haben Krisenstellungnahmen bzw. Verantwortungszuweisungen in der PR-Arbeit für Auswirkungen auf den Ruf eines Unternehmens bzw. einer Organisation?

Schwarz  wertete Daten von zwei großen Internetdiskussionsforen vom 24. Juli bis 2. August 2010 aus, nämlich das Forum des WDR-1 Live (942 zufällige Kommentare aus insgesamt über 8500 Postings) sowie  das  SPON-Forum (905 von über 6500 Postings).

Es wurde dann ausgezählt, wie oft (bestimmten) Organisationen/Unternehmen in den Kommentaren eine Verantwortung für das Geschehene zugewiesen wurde.

45 % der Kommentatoren wiesen die Schuld unspezifisch den Organisationen bzw. Personen zu, die die LoPa organisiert/geplant haben (meine Abkürzung: ORG)

25 % wiesen der Polizei (POL)

25 % den Duisburger Behörden (DU) die Schuld zu

17 % dem OB Sauerland (OB)

14 % Lopavent (LOV)

5 % Rainer Schaller (RS)

(über 100 %, da einige posts mehrere Verantwortliche nannten)

Die Regierung NRW und der Innenminister wurden selten als verantwortlich benannt.

Interessant ist die Veränderung dieser Schuldzuweisungen über die Zeit hinweg.

Nach der Untersuchung seien die Werte für die ORG bis 26. Juli stark angestiegen, danach gefallen.

Die anderen Zuweisungen  (POL, DU, OB, LOV, RS) seien hingegen bis 29. Juli gestiegen, ab dann wieder gefallen, mit der Ausnahme LOV, die bis 31. Juli auf gleich hohem Niveau geblieben sei.

Am 28. Juli sei die Verantwortungszuschreibung an POL stark gestiegen und zwar  im Anschluss an die Pressekonferenz der Polizei mit Minister Jäger, in der sie ihre Verantwortung abgelehnt haben.

Einige Schlussfolgerungen von Schwarz:

Die Daten zeigten, dass die Schuldzuweisung an andere keine erfolgreiche Krisenkommunikation darstelle: Jeweils dann, wenn die verschiedenen Beteiligten (POL, DU, OB, LOV) mit dem Finger auf andere zeigten, hätten sie damit in der Öffentlichkeit der Internet-Kommentatoren eher die gegenteilige Reaktion erzeugt. LOV und RS, die in der Beobachtungszeit in der Öffentlichkeit wenig präsent gewesen seien, hätten auch deutlich weniger Verantwortung zugeschrieben bekommen, während diejenigen, die sich in der Öffentlichkeit als „unschuldig“ präsentiert hätten (OB, POL) davon nicht in der beabsichtigten Weise profitiert hätten. Allerdings seien LOV und RS auch in der großen Gruppe ORG (nicht spezifizierte Organisationen) enthalten.

 

Meine vielleicht etwas überinterpretierende Folgerung (Schwarz ist vorsichtiger und erkennt die Limitationen seiner Methode):

Die Strategie von LOV und RS war aus PR-Sicht genau richtig: Sich am Anfang bedeckt halten, die anderen den PR-Fehler (die Schuld auf andere zu schieben) machen lassen, und erst später, wenn sich der Staub gelegt hat,  "aus der Deckung" zu kommen. Bis heute ist insb. RS meinem Empfinden nach sehr gut damit gefahren, dass sich andere (insb. POL und OB) in der Öffentlichkeit den "Mund verbrannt" haben. Ich glaube nicht, dass der Ruf von z.B. McFit unter dem Desaster wesentlich gelitten hat.

Zu beachten: Wer tatsächlich verantwortlich ist, war natürlich nicht Gegenstand der Studie von Schwarz.

Update: Nach einem Hinweis von Herrn Schwarz habe ich ein Missverständnis in der Zahlenaufstellung oben korrigiert.

 

 

Guten Abend miteinander!

Ich leg direkt los:

 

 

#41 Lothar Evers

"Die Zäune rechts und links, gehörten zur Absperrung des geländes während der Vorbereitungsmassnahmen zur Loveparade. Ähnlich wird das Gelände auch heute (massiver) abgesperrt."

Woher wollen Sie das wissen? Dann wäre ja Aurelis dafür verantwortlich zu machen. M.M. nach verhält es sich anders: Die Haken, die an die Wände angebracht wurden hatten nur den Zweck die späteren Zäune zu verankern.

 

#47 Jürgen Hagemann

"Mir stellt sich die Frage, ob nun nicht das Ermittlungsverfahren auch auf Klüpfel, Schreckenberg usw. ausgeweitet werden müsste."

 

Und auf Jasper und Rübel.

 

Zum Stau am Rampenkopf ist es nach Aussage eines erfahreneen Love Parade-besuchers, der dort in Duisburg versuchte zu entkommen gekommen, aufgrund der schmerzhaften, ohrenbetäubenden Lautstärke, die von dem dort stehenen Float ausging, der einen Mindestabstand von ca. mindestens 50 Metern gebietet.

 

#66 Lothar Evers

"Wie aus Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft hervorgeht, forderten die Beamten im Helikopter ihre Kollegen am Boden per Funkspruch auf: "Räumt die Gitter weg, dann läuft auch wieder alles." Aus bislang unbekannten Gründen wurde die Forderung jedoch nicht umgesetzt."

 

Hat wohl Chef verboten.

#69 Henning Ernst Müller

"Danke, lopachron, genau das meinte ich: Die Hubschrauberperspektive kann sicherlich nicht richtig wiedergeben, wie es für die Betroffenen am Boden aussieht und was dort an polizeilichen Aktionen noch möglich war."

 

Oh doch!

 

#73 Daphne

"Was den Personalmangel angeht: Warum hat man nicht die fünf geparkten Bullis zur Hilfe genommen, um die Rampe oben erstmal für die Abgänger dichtzumachen...? Dafür waren sie doch angeblich vorgesehen."

 

5 Pkws (aber egal), m.M. waren die nur ein Planungsfake, um ein Argument für die Absperrung bzw. für die Verengung zu haben.

 

Bei aller Besucherzahlen-Diskutiererei wird permanent folgender Fakt missachtet. Ich mache daraus ein Quiz: Wie viele Besucher durften vertraglich auf dem Gelände, der Rampe und in den Tunneln bis zu den Schleusen vorhanden sein?

 

#85 L.E.

"Zu einem Schleusensystem, gehört -jedenfalls im Schiffsverkehr- die möglichkeit, sowohl Berg- als auch Talfahrt zu stoppen. Mir scheint aber der Fokus ausschliesslich auf Einlass gerichtet. Sonst hätte man längst über alternative Abgangssysteme nachdenken müssen."

 

Sehe ich auch so, bedeutet, dass die Gehenden im Tunnel hätten verbleiben müssen.

 

Fehlende Ordner am Rampenkopf: Ein Grund könnte in der nicht ertragbaren Lautstärke liegen.

 

#99 Pilsbierchen

"Wäre sie aber bei weniger Besuchern genehmigungsfähig gewesen? Und wenn ja, bei wie vielen?"

 

Bei vorhandenen Fluchtwegen bei 250.000?

 

"Es gab m.W. auch keine Auflagen (ich lasse mich aber gern belehren), dass er eine bestimmte Personenzahl in einer bestimmten Zeit auf das Gelände lassen muss."

 

Dann aber zumindest: darf?

 

#104 H.E.M.

"Der Zusammenhang zwischen Genehmigung/Planung und fatalem Gedränge infolge der Polizeiketten wird hergestellt durch den mangelnden Durchfluss am Rampenkopf: Man hätte voraussehen können und müssen, dass sich die Menschen nicht von allein in die hinteren Ecken des Geländes begeben, sondern viele dort stehen bleiben, wo sie voraussichtlich einen guten Blick aufs Geschehen haben, den sie auch durch Weitergehen nicht mehr verbessern können. Dies kann jeder, der ein Konzert besucht, natürlich voraussehen: Wird der (einzige) Eingangsweg direkt an der Bühne vorbeigeführt, bleiben natürlich viele an dem begehrten Platz direkt an der Bühne stehen und erzeugen so einen Rückstau."

 

Grundsätzlich ja, konkret aber eine Mutmaßung?

 

#108 P.B.

"Gibt es Gesetze, wo dieser "Automatismus" festgeschrieben wird? Und kann das so pauschal stimmen? Wäre der Veranstalter z.B. auch verantwortlich, wenn es zu tödlichen Unfällen am Hauptbahnhof gekommen wäre?"

 

Und wurde, damit dies nicht geschieht, deshalb Oberhagemann zum Zählen am Bahnhof und den umliegenden Bereichen, beauftragt?

 

#119 lopachron

"Ab 15:40 war die Polizei alleinverantwortlich für die Besucher im Tunnel-/Rampensystem, denn sie hat in "führender Position" Taktiken benutzt, mit denen weder der Veranstalter, noch die Feuerwehr einverstanden waren... Die Polizeiführung war ab 15:40 also m.E. jederzeit berechtigt und verpflichtet, diese eigenen unsäglichen Maßnahmen sowie die gesamte Veranstaltung wegen "akuter (selbstverursachter) Gefahr" sofort abzubrechen."

 

Unterstanden die u.U. Wolfgang Rabe, nicht nur Chef des Katastrophenamtes + Polizei DU + Feuerwehr, sondern auch Chef der Genehmigungsbehörde + Rechtsdezernent etc.?

 

#122 Flusspferd

 

Sehr wichtige Aspekte, finde ich, vor allem zum "entsorgten" Cebin. Die Ja's gingen hauptsächlich von der Duisburger CDU aus. Man muss wissen, dass Wolfgang Rabe zum Krefeld-Duisburger CDU-Klüngel gehört, so auch Anja Geer. Er ist aber auch, was evtl. noch viel wichtiger ist stellv. GF der EG Duisburg-Innenstadt, deren Hauptact die "Duisburger Freiheit" darstellt. Aber schon sehr makaber, dass ein Rechtsdezernent es blendend versteht Rechtsbrüche in Folge zu empfehlen.

 

#137 H.E.M.

"Soweit ich weiß, fehlen uns Video-Aufnahmen von der Ostschleuse, die das bestätigen, aber es erscheint mir nachvollziehbar, dass hier wegen des Gedrängels geöffnet werden musste. Vielleicht musste die Schleuse auch einfach dem Druck weichen."

 

Aus dem Interview mit Frau Hesse wird deutlich, dass die Besucher diese überrannten, weil die Ordner sie nicht (auf)halten konnten, da Polizei weg.

 

0

Ergänzung zum Stau am Rampenopf (weil es so wichtig ist):
Berichtet wird, dass es gar keinen Sinn gemacht hätte von dort aus woanders hin zu gehen, da man auch an anderer Stelle den Floats zu nah gekommen wäre. Die Organisatoren haben anscheinend auch das nicht beachtet. (Oder doch?) Eine Frage an den Meister f.V.: Ist es nicht als schudhaftes Versäumnis zu bewerten, die DB der Musikanlagen anscheinend völlig außer Acht zu lassen? Von den Berliner LoPas wird hingegen berichtet, das es dort kein Problem war, da man sich von den Trucks dort entfernt genug aufhalten konnte. Die, die denen nahe waren, galten immer als die "Bedrogten", die aufgrund dessen "nichts merkten". Herr Müller, könnte man daraus schließen, dass für den Stau oben dann doch einzig und allein Lopavent (Floatmanager) verantwortlich ist?

0

 

@ Prof. Müller

@ To Whom It May Concern

 

Nach letztbeiden Textlöschungen, Postings von mir betreffend (die davorige wurde mit Ihrer Hilfe "im Prinzip" rückgängig gemacht) werde ich i) hier nicht mehr mitdiskutieren und habe ii) um Löschung meines Accounts gebeten,

 

freundliche Grüße von Richard Albrecht

0

Sehr geehrter Herr Dr. Albrecht,

nach nochmaliger Nachprüfung: Ich bedauere es, wenn Sie nicht mehr mitdiskutieren möchten, denn die Eingriffe betrafen eine Dopplung (der identische Beitrag steht oben noch!), den genannten "rückgängig gemachten" und einen weiteren, der lediglich Ihre nicht inhaltliche Reaktion auf eine andere Moderationsentscheidung betraf, deren Grund ich Ihnen auf anderem Wege gerne mitteile.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Dear Ric Albrecht,

 

Every discussion needs participants that "Think Different." Like molecular biology needed James D Watson, American physics needed Feynman, Pop-music needed Jimi Hendrix and Jazz-music needed Jaco Pastorius.

 

Or like Apple Inc. said it in nicer words: http://en.wikipedia.org/wiki/Think_Different#Text

 

What are we going to do without your unique points of view? Stare at eachother and say "Agree... Agree.... Agree..."?

 

I hope that you will reconsider your decision to leave and to remove your account, and thus even all your valuable contributions to this discussion so far.

 

From what i understand about the removed messages, is that it was nothing personal about your messages, but it had to do with a double posting that had occured.

 

So, dear Ric, please, reconsider this.. for every discussion needs participants that "Think Different." :-)

 

Hartelijke groeten,

Jolie

Zu Post #155:

Eine ELA-Anlage kann nur sinnvoll betrieben werden, wenn man gleichzeitig Einfluss auf die PA-Anlage hat. Gerade bei der Loveparade musste mit erheblichen Lautstärken aus der PA gerechnet werden. Hier gibt es zum Teil technische Lösungen (Vorrangschaltung für die Polizei), viel wichtiger aber ist die organisatorische Lösung. Es muss eine klare und eindeutige Kommandostruktur geben. Wenn jemand Menschenmengen steuern will, muss er auch technischen oder organistatorischen Zugriff haben auf die Lautsprecheranlagen (ELA und PA). D.h. die Kommunikation zu den Ton-Mischpulten und zum Lagezentrum mit der ELA-Anlage muss stehen. Hierzu werden üblicherweise drahtgebundene Intercoms benutzt (mit Notstromversorgung über Akkus) - in diese drahtgebundene Intercom können auch Funkgeräte eingebunden werden. Entscheidend aber ist die Kommandostruktur mit bekannt gegebener Weisungsbefugnis. Der Techniker am Mischpult muss vorher wissen, ob jemand die Befugnis hat, in den Ablauf der Veranstaltung einzugreifen. Und dieser Veranstaltungsleiter muss dann auch gut ausgebildet und verantwortungsbewusst sein.

Bei der Loveparade stimmte da leider garnichts. Man war sich nicht einig, wer was entscheidet. Es gab keine eindeutige Kommandostruktur. Die Kommunikation der Beteiligten untereinander war nicht gegeben. Über Stunden hinweg sind nur dilettantische Entscheidungen gefällt worden. Und eine ELA-Anlage gab es ebenso wenig wie ein taugliches Sicherheitskonzept oder ausreichende Rettungswege.

 

5

Vielen Dank, Klenk!

Der Artikel, der open access erhältlich ist (engl. Sprache,  50 Seiten), ist m.E. eine ziemlich gute Analyse der Massenturbulenz bei der Loveparade. Er ist allen Interessierten dringend zu empfehlen. Allein die Zusammenstellung der Quellen/Referenzen lohnt sich.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Vielen Dank, I.S.,

interessant ist, dass auch der neue OB Sören Link (SPD) an dem (m.E. juristisch weitgehend widerlegten) Gutachten festhält, nach dem im Duisburger Rathaus keine Fehler gemacht wurden. Im Artikel heißt es :

Der neue Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD), der am 1. Juli gewählt wurde, erklärte dazu, die Rechtsposition der Stadt Duisburg habe sich seit dem von seinem Vorgänger Adolf Sauerland (CDU) in Auftrag gegebenen Gutachten nicht geändert. Das Gutachten geht davon aus, dass im Duisburger Rathaus keine Fehler gemacht wurden.

"Meine Verantwortung ist ein vernünftiger Umgang mit den beschuldigten Mitarbeitern. Ich werde das Verfahren so offen und transparent wie möglich begleiten. Ich bin an rückhaltloser Aufklärung interessiert", sagte Link. Unter den 17 Beschuldigten, denen fahrlässige Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen wird, befinden sich elf Angestellte und Beamte der Stadt Duisburg.

Sicherlich ist daran verständlich, dass sich auch ein neuer Chef vor seine Behörde stellt.

 

Es wäre natürlich "gutes Timing", wenn die StA pünktlich zum zweiten Jahrestag zu einem (vorläufigen?) Abschluss ihrer Ermittlungen käme. Denn es ist ja ohnehin absehbar, dass nächste Woche wieder eine Reihe von Zeitungsartikeln zum Thema Love-Parade erscheinen. Und wenn die StA den Journalisten auf deren Fragen gar nichts zum Fortschritt der Ermittlungen sagen könnte, würde dies sicher zu einem häufig erörterten Kritikpunkt werden (Motto: So viele Ermittler, und nach zwei Jahren immer noch kein Ergebnis absehbar?).

Sobald eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft öffentlich wird, werde ich hier im Beck-Blog wieder einen neuen kommentierenden Beitrag einstellen und zur Diskussion anregen.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Die folgende Presseerklärung soll nun die Erwartungen dämpfen. Sie ist so kurz, dass man sie ohne Weiteres in diese kleine Kommentarbox posten kann:

Loveparade Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dauern an
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Duisburg zur strafrechtlichen Aufarbeitung des tragischen Geschehens bei der Loveparade dauern an. Die bei dem Polizeipräsidenten in Köln gebildete Sonderkommission hat ihre Arbeit zwischenzeitlich weitestgehend abgeschlossen. Zur Aufklärung der Ursachen und Verantwortlichkeiten sind bisher 3.386 Zeugen vernommen worden. Die Staatsanwaltschaft hat zudem einen international anerkannten Sachverständigen hinzugezogen, dessen Arbeit noch nicht abgeschlossen ist. Allein die Hauptakten umfassen mittlerweile rund 30.000 Blatt.
Nach wie vor ist ein Team von mehreren Staatsanwältinnen und Staatsanwälten mit der Aufarbeitung des Geschehens befasst. Aufgrund der außerordentlichen Komplexität des zu prüfenden Sachverhalts und der vielfältigen tatsächlichen und rechtlichen Fragestellungen lässt sich derzeit ein Zeitpunkt für eine abschließende Entscheidung nicht sicher vorhersagen.
Das Verfahren richtet sich weiterhin gegen 17 Beschuldigte (11 städtische Bedienstete, 5 Mitarbeiter der Lopavent GmbH und den verantwortlichen Polizeiführer).
gez.
Bernhard Englisch
Pressestelle
der Staatsanwaltschaft

Habe heute auch dem Zitat von Sören Link nachgeforscht.
Es stammt aus einem längeren Interview, dass die Rheinische Post Anfang nächster Woche veröffentlichen wird. Um genaueres zu seiner Haltung zur Loveparade 2010 sagen zu können, muss man wohl das ganze Interview und wahrscheinlich auch seine Rede auf dem 2. Jahrestag am kommenden Dienstag lesen.

0

Erklärung von "Loveparade Selbsthilfe zum zweiten Jahrestag der Katstrophe:



Die Katastrophe aufklären 

Hinterbliebenen und Traumatisierten helfen



„Auch zwei Jahre nach der Loveparade Katastrophe von Duisburg, bei der 21 junge Menschen getötet und hunderte verletzt und traumatisert wurden, ist nicht geklärt, wer politisch, organisatorisch und strafrechtlich für diese beispiellose Missachtung der Teilnehmer verantwortlich ist.

Die Katastrophe aufklären...
Bisher sind zahlreiche Fragen zur Loveparade 2010 unbeantwortet geblieben. Nicht selten hat man man uns gezielt desinformiert. Wir fordern daher die an Planung und Durchführung beteiligten Institutionen, also den Veranstalter Lopavent, die Stadtverwaltung Duisburg, und die Polizei dringend auf, ihre Dokumente zu Planung und Durchführung der Loveparade den Betroffenen und ihrer
Selbstorganisation vollständig zur Verfügung zu stellen.

Der im Auftrag der Stadt Duisburg durch die Rechtsanwälte Dr. Ute Jasper und Andreas Berstermann erstellte Bericht zum "Verwaltungshandeln der Stadt Duisburg“ hat Unsummen gekostet. Er ist jedoch kaum geeignet, das Handeln innerhalb der Duisburger Verwaltung aufzuklären. Jasper und Berstermann schrecken nicht davor zurück, Fakten zu verschweigen und Dokumente gezielt
zu selektieren.

Das ist inzwischen durch ergänzende Recherchen nachgewiesen:
· Ein Treffen im März 2010 der für die Loveparade verantwortlichen
Mitarbeiter der Stadtverwaltung Duisburg mit auswärtigen Experten, die vor der Katastrophe warnen, wird unterschlagen.

· Es bleibt unklar, warum das Duisburger Bauamt eine Lautsprecher - Anlage für Durchsagen an Besucher der Loveparade erst fordert,
dann aber das Gelände ohne deren Einbau abnimmt.

· Die Rolle des Krisenstabes der Stadt Duisburg unter dem Duisburger Rechtsdezernent Rabe, im Zwischenbericht noch angedeutet, fehlt im Endbericht.

Verwaltungsvorstand, und Rat der Stadt Duisburg sollten daher umgehend eine unabhängige Kommission einsetzen. Ihre Aufgabe wäre es, die Lücken dieses Berichtes zu schliessen, die bisher unterschlagenen Dokumente zu veröffentlichen und damit eine politische Bewertung durch Betroffene, Rat und Öffentlichkeit zu ermöglichen.

Chancengleichheit herstellen...
Die Staatsanwaltschaft Duisburg wertet immer noch die Ermittlungen der Sonderkommission zur Loveparade der Polizei in Köln aus. Dafür haben wir Verständnis.
Warum allerdings allen Beschuldigten und ihren Anwälten bereits vor Monaten Akteneinsicht in diese Ermittlungsergebnisse gewährt wurde, uns als Nebenklägern diese Akteneinsicht aber verweigert wird, ist uns völlig unverständlich.
Nur wenn wir diese bisherige Arbeit kennen, können wir -wenn nötig- Anregungen zu weiteren Ermittlungen geben. 

Wir haben ein Recht ebenso gut vorbereitet wie die Beschuldigten unsere Rechte wahr zu nehmen. Diese Ungleichbehandlung kränkt uns. Die Staatsanwaltschaft sollte ihre Weigerung überdenken und aufheben.

Hinterbliebene und Verletzte entschädigen...
Die vom Land NRW unmittelbar nach dem 24. Juli 2010 aufgelegten Soforthilfefonds haben hervorragend gearbeitet. Ihre Mittel sind inzwischen erschöpft. Danach ist der Kampf um Entschädigung für viele Betroffene schwierig und belastend geworden. Insbesondere die AXA als Versicherung des Veranstalters Lopavent, die inzwischen auch Gelder der Stadt Duisburg verwaltet, erleben wir als äusserst restriktiv.

Zahlreiche Verletzte und Traumatisierte brauchen Hilfe auf ihrem Weg zurück ins Leben. Wir bitten Land, Stadt Duisburg und Lopavent sich gegenüber der AXA für eine grosszügigere Entschädigungspraxis einzusetzen.

Selbsthilfe und Begegnungen fördern
Die Begegnung mit anderen Geschädigten der Loveparade - Katastrophe ist sowohl für die Hinterbliebenen als auch für die Verletzten und Traumatisierten ein entscheidendes Element, um die Folgen und Traumata des Geschehens am 24. Juli 2010 in Duisburg zu verarbeiten.

Diese Begegnungen, bisher durch das Land finanziert, sind für die Zukunft nicht gesichert. Wir bitten Stadt Duisburg und Landesregierung dringend, diese Treffen
auch in Zukunft sicher zu stellen.

Duisburg, den 22. Juli 2010
Loveparade Selbsthilfe
Jürgern Hagemann
(Vorsitzender)
http://loveparade-selbsthilfe.de/

Pressekontakte:
Lothar Evers
Tel: 0221 97610515
mail: evers@loveparade-selbsthilfe.de

Links zu den oben erwähnten Recherchen:
Expertentagung März 2010:
http://docunews.org/loveparade/analyse/katastrophe-mit-vorwarnung/

Fehlende Lautsprecheranlage:
http://docunews.org/loveparade/analyse/wo-waren-die-lautsprecher/

Krisenstab der Stadt Duisburg:
http://docunews.org/loveparade/krisenstab-versenkt/

5

#14 @ Prof Müller

Verständlich, die pauschale "Rathausentlastung" des Herrn Link. Doch bedeutet diese auch eine pauschale Polizeientlastung. Nicht grundlos wollte schließlich dessen bester Freund, IM Jäger, Chef der Duisburger SPD, Link als OB. Ohne die Mitwirkung der Polizei, dem Remonstrationsverzicht Cebins, hätte Stadt Duisburg ihr illegales Ding nicht durchziehen können. Auch aus diesem Grund war es für die Politik wichtig, dass einer der ihren OB wird und nicht der unabhängige Rubinstein. Das Schmankerl: An Rücktrittsforderungen und Abwahl Sauerlands war nicht nur die SPD beteiligt, sondern auch und vor allem Pro NRW. Was wiederum die SPD (Steegmann, Jäger etc) wussten, billigten und eigentlich auch ganz gut fanden, denn ohne die unermüdliche Mithilfe dieser Nationalisten ("Neurechten/Neokonservativen") hätten sie es nicht geschafft. Aber vor allem verhalfen sie Link zum SPD-Niederlagensieg, weil man 13 Unabhängige aufstellte und sich, obwohl zugesagt und von der Bevölkerung gewünscht und erhofft, nicht auf Rubinstein geeinigt hatte. Womit es auch keinen Neuanfang gibt, sondern ein wie fast eh und jeh, mit dem Umterschied, dass es nun eine politisch mehr als zweifelhafte "Gedenkstätte" gibt, denn wer gedenkt und mahnt dort an wen oder was? Doch eigentlich kann zumindest Herr Rubinstein froh sein, nicht der neue OB von DU geworden zu sein, rettete dies doch vielleicht sogar sein Leben. Weiß Herr Link, welches Kasperlestück er in welchem Thaeater spielt? Anzunehmen ja, Karrieristen wissen das immer. Mit Link hat Jäger auf jeden Fall einen, den er in der Hand hat und nicht umgekehrt wie es eigentlich sein müsste. 

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@ Herr Prof. Dr. H.E. Müller

Eine Frage, bitte, in Verbindung zu einem Statement zur Rolle der Polizei:

Wie reagiert man auf den Fakt, dass die Polizei im Einvernehmen mit der Stadt gemeinsame Sache machten zugunsten von Politik und Prestige? Noch schlimmer jedoch wiegt meiner Ansicht nach der Fakt,dass der damalige Polizeipräsident Rolf Cebin offenbar auf seine Pflicht des Remonstrierens verzichtet hatte, denn was vielen nicht wissen ist, dass das Remonstrationsrecht des Beamten, vor allem des leitenden Beamten eine (verdammte) Pflicht ist. Es kann nicht anders gewesen sein als dass der damlige Innenminister Wolf diesen vorzeitig vom Dienst befreite, denn wir wissen ja, dass es mit Cebin nicht zu einer Austragung dieser Veranstaltung gekommen wäre. Eine frühzeitge polizeiliche Pressemitteilung aus Februar 2009 hatte dies deutlich gemacht. Duisburg bekam dann den Stellvertreter Detlef von Schmeling, einen Verwaltungschef OHNE Polizeilaufbahn. Und niemand fragt sich offenbar: Wie, was - und das bei DEM Ding?

Eine echte Polizeipräsidentin gabs dann erst wieder im September 2010, heißt 4-5 Monate hatte Duisburg keinen. Und da spricht man von normal in Rente gegangen??? Wie verfahren mit leitenden Beamten, in dem Fall einen Polizeipräsidenten, der von seinem "Pflichtrecht" zu remonstrieren keinen Gebrauch gemacht hat? Wer hat sich da schuldhaft gemacht außer eben diesem, der damalige Innenminister zudem?

Dies wird keine Sache einer staatsanwaltlichen Anzeige sein. Muss sowas vor ein Verwaltungsgericht, de facto, müssen Cebin, von Schmeling (wegen Kenntnis) und Wolf dort verklagt werden? Ich wette drauf, dass das noch nicht geschehen ist.

Danke im Voraus für Ihre kompetente Einschätzung.

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