LAG Berlin-Brandenburg: CGZP auch in der Vergangenheit nicht tariffähig

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 10.01.2012

 

Die Folgestreitigkeiten im Anschluss an die CGCP-Entscheidung des BAG nehmen kein Ende. Noch nicht geklärt war insbesondere die Frage, wie es mit der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personal-Service-Agenturen (CGZP) in der Vergangenheit bestellt war. Diese Frage ist wichtig für etwaige Equal-Pay-Ansprüche betroffener Leiharbeitnehmer, aber auch für Nachforderungen der Krankenkassen wegen rückständiger (nicht gezahlter, aber geschuldeter) Sozialabgeben (zur Verjährung von Equal-Pay-Ansprüchen jüngst Stoffels, NZA 2011, 1057). Das LAG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 9.1.2011 - 24 TaBV 1285/11) hat nun festgestellt, dass CGZP auch am 29. November 2004, 19. Juni 2006 und 9. Juli 2008 nicht tariffähig war und zu diesen Zeitpunkten keine Tarifverträge abschließen konnte. Das LAG hat seine Entscheidung auf die Grundsätze gestützt, die das BAG in seinem Beschluss vom 14. Dezember 2010 (NZA 2011, 289) aufgestellt hat. Danach ist die CGZP keine Spitzenorganisation nach § 2 Abs. 3 TVG, weil sich ihre Mitgliedsgewerkschaften nicht im Umfang ihrer Tariffähigkeit zusammengeschlossen haben. Außerdem geht der in der Satzung der CGZP festgelegte Organisationsbereich für die gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung über den ihrer Mitgliedsgewerkschaften hinaus. Das Landesarbeitsgericht hat nicht entschieden, ob Arbeitgeber, die mit ihren Leiharbeitnehmern die Anwendung der CGZP-Tarifverträge vereinbart hatten, auf die Wirksamkeit der Tarifverträge in der Vergangenheit vertrauen durften. Dies ist gegebenenfalls in Rechtsstreitigkeiten zu untersuchen, in denen Arbeitnehmer wegen der Unwirksamkeit der Tarifverträge Nachforderungen stellen. Das LAG hat die Rechtsbeschwerde an das BAG nicht zugelassen. Möglich bleibt jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde. 

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10 Kommentare

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Angesichts der seit Jahren umstrittenen Tariffähigkeit der "christlichen" Gewerkschaften (das ist noch sehr schmeichelhaft formuliert, diese Vereinigungen haben in der überwältigenden Zahl der Fälle vor Gericht krachende Niederlagen erlitten) kann sich kein Arbeitgeber ernsthaft auf einen "Vertrauensschutz" bezüglich der Wirksamkeit berufen.

Schon eher könnten sich Arbeitnehmer auf eine "ständige Rechtsprechung" zur Nichttariffähigkeit der C-"Gewerkschaften" berufen.

Was das Vertrauen auf die Wirksamkeit von TV angeht, wundert mich die Aussage angesichts des BAG-Urteils vom 15. 11. 2006 (10 AZR 665/05) doch sehr - hier noch einmal zur Erinnerung (http://lexetius.com/2006,3461):

"Die Entscheidung über die Tariffähigkeit einer Vereinigung nach § 2a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG begründet oder beendet nicht erst die Tariffähigkeit, sondern stellt die Tariffähigkeit oder Tarifunfähigkeit nur fest." (Rdnr. 24)

"Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt (Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 15)." (Rdnr. 25)

Mein Name schrieb:

"Der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung wird nicht geschützt (Oetker in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 2 Rn. 15)." (Rdnr. 25)

 

Das oben benannte Zitat aus dem Urteil ist vorliegend nicht einschlägig. Dies deshalb, da im Unterschied zu dem zuvor zitierten Urteil der Tarifvertrag der CGZP bereits in Vollzug gesetzt wurde. Die Frage des Vertrauensschutzes stellt sich sehr wohl. Dies um so mehr, als dass es sich um eine Arbeitnehmerkoalition gehandelt hat der die Tariffähigkeit entzogen wurde, nicht um einer Arbeitgeberkoalition.

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RA A. Butt schrieb:
dass es sich um eine Arbeitnehmerkoalition gehandelt hat der die Tariffähigkeit entzogen wurde, nicht um einer Arbeitgeberkoalition.

Irrtum, Herr Anwalt:

das LAG hat festgestellt: "Die CGZP war hiernach keine tariffähige Arbeitnehmervereinigung iSd. § 2 Abs. 1 TVG, da sie nach ihren Satzungen vom 15. 1. 2003 und vom 6. 12. 2005 keine Arbeitnehmer organisiert." (RdNr. 137)

Die Satzung der CGZP bestimmt eindeutig, dass sie eben keine Arbeitnehmervereinigung mit Vollmacht der Einzelgewerkschaften ist (§2 (2) TVG), sondern eine reine Spitzenorganisation nach §2 (3) TVG und damit eben keine Arbeitnehmerkoalition!

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t... (Volltext der Entscheidung)

Dass der Abschluss von Tarifverträgen in Bereichen, die nicht von der eigenen Satzung abgedeckt werden, regelmäßig zum Verlust der Tariffähigkeit führt, hat das BAG bereits festgestellt. Ebenso: "Unerheblich sind der tatsächliche Abschluss von Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Sie allein vermögen die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit nicht zu erweitern." (1 ABR 36/08)

Die TV der CGZP sind und bleiben also nichtig. Eine Bezugnahme auf nichtige, also de jure nicht existente Verträge kann abernicht stattfinden. Ansonsten könnte man mit jedem anderen Scheingeschäft auch endlos Schindluder treiben ("der Kaufpreis bemisst sich nach dem Preis, der am [beliebiges Datum] bei [beliebiges Scheingeschäft] erzielt wurde"). Das kann nicht ernsthaft als Argument für "Vertrauensschutz" herhalten ...

Unerheblich sind der tatsächliche Abschluss von Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Sie allein vermögen die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit nicht zu erweitern Unerheblich sind der tatsächliche Abschluss von Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Sie allein vermögen die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit nicht zu erweitern Unerheblich sind der tatsächliche Abschluss von Tarifverträgen oder die Praxis der Aufnahme von Mitgliedern als solche. Sie allein vermögen die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit nicht zu erweitern"

Wenn die CGZP schon 2004 nicht tariffähig war, dürfte es für die Equal-Pay Ansprüche der Arbeitnehmer schwierig werden, da der Auskunftsanspruch gemäß

§ 13 AÜG verjährt sein dürfte.  Oder?

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Stand heute sind wegen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren sowieso alle Ansprüche aus 2008 und früher verfallen, falls der Arbeitgeber die Einrede der Verjährung ausspricht (wovon auszugehen ist).

In der Praxis gibt es in vielen Arbeitsverträgen (und manchen Tarifverträgen - deren Gültigkeit kann aber ebenfalls umstritten sein, siehe http://blog.beck.de/2012/01/02/bezugnahme-auf-mehrgliedrige-tarifvertraege-der-zeitarbeitsbranche-auf-dem-pruefstand) jedoch Ausschlussfristen, die nur 3 Monate betragen (kürzere Ausschlussfristen sind unzulässig und damit nichtig, es gilt dann die regelmäßige Verjährungsfrist). Dann kann/konnte maximal die Lohndifferenz der letzten 3 Monate verlangt bzw. eingeklagt werden, die von davor sind verfallen.

Unstrittig war bisher nach dem BAG-Beschluss vom 14.12.2010 der unverfallene Anspruch auf Lohndifferenz aus dem "alten", wegen Tarifunfähigkeit nichtigen eingliedrigen CGZP-TV seit dem  8. Oktober 2009 (Datum der letzten Satzungsänderung der CGZP; über diese Satzung hat das BAG am 14.12.2010 geurteilt). Nun können bereits anhängige Lohnklagen (z.B. solche, die Ende Dezember 2010 erhoben wurden und die bis 2006 zurückreichen) auf Ansprüche von vor diesem Datum ausgedehnt werden - was für die klagenden Arbeitnehmer etwa den vier- bis fünffachen Betrag bedeutet.

Außerdem - und dies ist der weitaus größere Brocken für die Arbeitgeber, die sich ab Beginn des Berlin-Brandenburger Verfahrens oft mit Ausschlussfristen enthaltenden Zusatzvereinbarungen zu bestehenden Arbeitsverträgen abgesichert haben - sind nun die Nachforderungen der Sozialversicherungen auf noch ausstehende Beträge aus der Lohndifferenz rechtlich abgesichert, die erst nach 4 Jahren verjähren und für die es keine Ausschlussfristen gibt, so dass sie für alle Arbeitnehmer zu entrichten sind. 

Was den Auskunftsanspruch aus §13 AÜG betrifft, so wird dessen Verjährung durch eine Lohnklage ebenso gehemmt wie die der Geldforderung selbst. 

Hier die Entscheidung auf der HP des Landes Berlin:

http://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/archiv/20120109.0820.364749.html

Auch noch interessant:

Arbeitsgericht weist Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der CGZP-Tarifverträge als unzulässig ab

Pressemitteilung Nr. 03/12 vom 10.01.2012

"... hat der Rechtsnachfolger des AMP in einem gegen die CGZP vor dem Arbeitsgericht Berlin geführten Rechtsstreit die Feststellung begehrt, dass sämtliche seit dem 24. Februar 2003 abgeschlossenen Tarifverträge rechtswirksam seien. Eine derartige gerichtliche Feststellung hätte sich gemäß § 9 TVG auf die Rechtsverhältnisse der tarifgebundenen Verleiher und ihrer Leiharbeitnehmer erstreckt; die Leiharbeitnehmer hätten dann nicht mehr geltend machen können, die CGZP-Tarifverträge seien nicht wirksam.

Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nicht gegeben sei. Die CGZP berühme sich nicht der Rechtsunwirksamkeit der von ihr abgeschlossenen Tarifverträge; dass die Wirksamkeit der Tarifverträge in der Arbeitsgerichtsbarkeit und den Sozialversicherungsträgern in Abrede gestellt würden, genüge für ein Feststellungsinteresse nicht."

Urteil vom 28. November 2011, Aktenzeichen 55 Ca 5022/11

http://www.berlin.de/gerichte/arbeitsgericht/presse/archiv/20120110.0825.364750.html

(für Nichtjuristen: http://www.duden.de/rechtschreibung/beruehmen)

Eine Equal-Pay Klage des Arbeitnehmers gegen seinen ehemaligen Entleiher wird wohl kaum den Auskunftsanspruch gem. § 13 AÜG gegenüber dem ehemaligen Entleiher hemmen. Insofern wird dem Arbeitnehmer, wenn er nicht rechtzeitig innerhalb der Dreijahresfrist Stufenklage erhoben hat, die notwendigen Informationen zur Bezifferung seiner Klage dauerhaft fehlen.

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@ RA Butt: das LAG macht zum "Vertrauensschutz" bezüglich der CGZP recht eindeutige Aussagen, insbes. in den Rdnrn 188 bis 190

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cc) Dieser Auslegung des § 2 Abs. 3 TVG und der daraus resultierenden Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP zu den genannten, in der Vergangenheit liegenden Zeiträumen steht nicht das Verbot der echten Rückwirkung von Rechtsfolgen auf einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt bzw. das rechtsstaatliche Gebot des Vertrauensschutzes entgegen.

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(1) Zu den wesentlichen Elementen des Rechtsstaatsprinzips zählt die Rechtssicherheit. Der rechtsunterworfene Bürger soll nicht durch rückwirkende Beseitigung erworbener Rechte in seinem Vertrauen auf die Verlässlichkeit der Rechtsordnung enttäuscht werden (BVerfGE 45, 142 <167>; 72, 175 <196>; 105, 48 <57>; 126, 286 <313>). Der Bürger soll die ihm gegenüber möglichen staatlichen Eingriffe voraussehen und sich dementsprechend einrichten können (vgl. BVerfGE 13, 261 <271>)

178

Als Teil der Staatsgewalt sind die Gerichte an das Rechtsstaatsprinzip gebunden und müssen bei Änderung ihrer Rechtsprechung, nicht anders als der Gesetzgeber bei Gesetzesänderungen, den Grundsatz des Vertrauensschutzes beachten (BVerfG 14.01.1987 – 1 BVR 1052/79 – BVerfGE 74,129,154). Vertrauensschutz bedeutet u.a. Schutz vor Rückwirkung. Ein Bürger darf grundsätzlich auf die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung konkretisierte Rechtslage und deren Bestand vertrauen. Er darf erwarten und sich darauf verlassen, dass sein zum Zeitpunkt der Handhabung rechtlich gefordertes Verhalten von der Rechtsprechung nicht nachträglich als rechtswidrig oder nicht ausreichend qualifiziert wird (BVerfG 22.03.1983 – 2 BVR 475/78 – BVerfGE 63,343,357). Eine Rechtsprechungsänderung darf deshalb regelmäßig nicht dazu führen, einer Partei rückwirkend Handlungspflichten aufzuerlegen, die sie nachträglich nicht mehr erfüllen kann (BAG 29.03.1984 – 2 AZR 429/83 – AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 31). 

179

Dieser allgemeine Vertrauensschutz steht allerdings sogar der teleologischen Reduktion einer gesetzlichen Vorschrift nicht generell entgegen (vgl. BVerfGK 4, 105 <111>). Der allgemeine, aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Vertrauensschutz unterscheidet sich damit vom speziellen Vertrauensschutz des Art. 103 Abs. 2 GG, wo gerade das Vertrauen auf den Wortlaut einer Norm geschützt wird (vgl. BVerfGK 4, 105 <111>).

180

(2) Diese Grundsätze stehen der Anwendung des § 2 Abs. 3 TVG in der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 14.12.2010 (- 1 ABR 19/10 -  a.a. O.) zukunftsbezogen vorgenommenen Auslegung auf die hier verfahrensgegenständlichen Zeitpunkte nicht entgegen.

181

(a) Die Beschwerdeführer können sich nicht darauf berufen, sie hätten sich auf den eindeutigen Wortlaut des § 2 TVG verlassen. Denn mit dieser Argumentation stellen sie lediglich auf eine bestimmte, ihnen richtig erscheinende Auslegung dieser Vorschrift, nämlich die Auslegung nach dem Wortlaut, ab. Die Beschwerdeführer konnten jedoch nicht auf die Anwendung gerade dieser einen Auslegungsmethode durch die Gerichte vertrauen. Den Gerichten steht vielmehr auch die Möglichkeit der Auslegung mit Hilfe teleologischer Gesichtspunkte zu Gebote, von der das Bundesarbeitsgericht - wie oben ausgeführt - Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfG 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06 - juris).

182

(b) Soweit die Beschwerdeführer vortragen, sie hätten auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vertraut, liegt ebenfalls kein Verstoß gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 20 Abs. 3 GG vor. Abgesehen davon, dass sogar die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich ist, wenn sie hinreichend begründet ist (vgl. BVerfGE 122, 248 <277>) und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält (vgl. BVerfGE 84, 212 <227>; BVerfGK 4, 12 <15>), hat das Bundesarbeitsgericht mit seinem Beschluss vom 14. 12. 2010 seine Rechtsprechung nicht geändert.

183

(aa) Die hier aufgeworfene Frage der Ableitung der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation von der Tariffähigkeit ihrer Mitgliedsverbände war bis zum Beschluss des BAG vom 14. 12. 2010 noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Entscheidungen. Von einer bislang ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu dieser Frage ist das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 14.12.2010 deshalb nicht abgewichen. Das Bundesarbeitsgericht hat – anders als in dem zitierten Urteil vom 23.03.2006 (2 AZR 343/05 – a.a.O. - Massenentlassung -) sowie beispielsweise im Urteil vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 – NZA 2007,965 - Gleichstellungsabrede -) nicht eine ständige Rechtsprechung geändert.

184

(bb) Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das Bundesarbeitsgericht von einer ganz herrschenden Meinung im Schrifttum abgewichen wäre. Soweit ersichtlich ist die Frage des Ursprungs der Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation in den Standartkommentaren zum TVG zum Zeitpunkt der Gründung der CGZP nicht erörtert worden. Die Grundlage der Auslegung des § 2 Abs. 3 TVG durch das Bundesarbeitsgericht, nämlich der Grundsatz der Unteilbarkeit der Tariffähigkeit, war im Schrifttum allerdings ganz überwiegend anerkannt (vgl. Wiedemann/ Oettker, 6. Auflage 1999, Rnr. 19 zu § 2 TVG; anderer Auffassung insbesondere Rieble in FS Wiedemann S. 519,526 ff). Diese Rechtsauffassung wurde bereits im Jahre 2006 vom Bundesarbeitsgericht übernommen (28.03.2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006,1112). Es kann daher dahinstehen, ob eine erstmalige höchstrichterliche Entscheidung, die von einer bislang herrschenden Meinung im Schrifttum abweicht, den Grundsatz des Vertrauensschutzes zu beachten hat.

185

(cc) Die Feststellung der Tarifunfähigkeit zu den hier verfahrensgegenständlichen Zeitpunkten ist daher ein reiner Anwendungsfall der Auslegung des § 2 TVG, kein rückwirkender Eingriff in abgeschlossene Lebenssachverhalte.

186

(dd) Im Übrigen werden weder der CGZP und ihren Mitgliedsverbänden noch den beteiligten Arbeitgeberverbänden bzw. einzelnen Arbeitgebern allein durch die Feststellung der Tarifunfähigkeit der CGZP in der Vergangenheit irgendwelche Handlungspflichten auferlegt. Ob in den ausgesetzten Rechtsstreiten die verklagten Arbeitgeber auf die Tariffähigkeit der CGZP in der Vergangenheit vertrauen durften, war nicht Gegenstand des vorliegenden Beschlussverfahrens.

187

(b) Unabhängig davon haben die Beschwerdeführer, die sich auf das Gebot des Vertrauensschutzes berufen haben, nicht geltend gemacht, warum bei ihnen bzw. ihren Mitgliedern zum Zeitpunkt des Abschlusses der hier maßgeblichen Tarifverträge ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Tariffähigkeit der CGZP entstanden sein soll.

188

(aa) Vertrauensschutz kann da nicht in Frage kommen, wo das Vertrauen auf eine bestimmte Rechtslage sachlich nicht gerechtfertigt wäre. Das Vertrauen ist nicht schutzwürdig, wenn der Bürger nach der rechtlichen Situation in dem Zeitpunkt, auf den der Eintritt der Rechtsfolge vom Gesetz zurückbezogen wird, mit dieser Regelung rechnen musste. Darüber hinaus kann der Staatsbürger auf das geltende Recht bei seinem Planen dann nicht vertrauen, wenn es unklar und verworren ist. In solchen Fällen muss es dem Gesetzgeber bzw. der Rechtsprechung erlaubt sein, die Rechtslage rückwirkend zu klären (vgl. BVerfG 19.12.1961 - 2 BvL 6/59 - BVerfGE 13, 261).

189

Eine solche Klärung der Rechtslage hat das Bundesarbeitsgericht vorgenommen. Sie war nach der bisher schon geltenden Lehre von der Unteilbarkeit der Tariffähigkeit auch nicht überraschend.

190

(bb) Die Beschwerdeführer haben auch nicht vorgetragen, auf welcher tatsächlichen Grundlage (rechtliche Begutachtung der Satzung der CGZP und/oder der Mitgliedsverbände?) sie nach der bisherigen Rechtsprechung von der Tariffähigkeit der CGZP ausgehen durften, zumal die CGZP bereits vor Verabschiedung ihrer ersten Satzung Tarifverträge geschlossen hat. Bei Prüfung der Satzung hätten die Arbeitgeber bzw. ihre Verbände mindestens aufgrund der Version von 2003 erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP haben müssen. Das Arbeitsgericht hat zu Recht – wie zuvor bereits das LAG Berlin-Brandenburg in seinem Beschluss vom 07.12.2009 (- 23 TaBV 1016/09 - LAGE § 2 TVG Nr 8) darauf hingewiesen, dass die Aufgabe der Tarifgemeinschaft nach Nummer 3. der Satzung 2003 darin bestanden habe, die tariflichen Interessen der Mitgliedsgewerkschaften zu vertreten und für deren Mitglieder Tarifverträge abzuschließen. Eine weitere Regelung über Aufgaben und Zuständigkeiten für die Zeitarbeitsbranche enthielt die Satzung nicht.

 

LAG Düsseldorf, 28. Juni 2012 (15 Sa 228/12)

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte gegenüber dem Zahlungsbegehren des Klägers auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 15.11.2006 - 10 AZR 665/05) wird der gute Glaube an die Tariffähigkeit einer Vereinigung nicht geschützt.

Soweit die Beklagte demgegenüber argumentiert hat, dass ein maßgeblicher Gesichtspunkt in der vorgenannten Entscheidung gewesen sei, dass zwischen den dortigen Parteien Leistungen nach dem streitgegenständlichen Tarifvertrag nicht ausgetauscht worden seien, und diese Entscheidung deshalb auch im vorliegenden Fall nicht angewandt werden könne, verkennt sie zum einen, dass es auch im vorliegenden Fall nicht um einen Leistungsaustausch geht, der zwischen den Parteien rückabzuwickeln wäre. Der Kläger will von der Beklagten schlicht mehr, als er bislang als Vergütung von ihr bezogen hat. Zum anderen ergaben sich auch für den Beklagten in dem vom Bundesarbeitsgericht (a.a.O.) entschiedenen Fall aus der ihm gegenüber ergangenen Entscheidung Abwicklungsprobleme, dort in Bezug auf die Erstattung geleisteter Urlaubsvergütung, von der das Bundesarbeitsgericht gemeint hat, dass der Beklagte diesbezüglich für den Fall einer Klage stattgebenden Entscheidung Vorkehrungen hätte treffen können.

Soweit die Beklagte darauf verwiesen hat, dass auch von anderer Seite einschließlich der Arbeitsgerichtsbarkeit in der Vergangenheit die Normen der CGZP-Tarifverträge beanstandungslos angewandt worden wären, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nur solange geschah, als eine entgegenstehende Entscheidung noch nicht bestand. Eine diesbezügliche Rechtsunsicherheit war indes von Anfang an gegeben. Ein positiver Bescheid im Hinblick auf die Rechtswirksamkeit der von der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge ist allein aufgrund der Tatsache ihrer Anwendung nicht gegeben. Auch die von der Beklagten zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.04.2004 (5 AZR 303/03) war nicht geeignet, ein Vertrauen der Beklagten in die Rechtswirksamkeit der durch die CGZP abgeschlossenen Tarifverträge zu begründen, wird dieser Tarifvertrag doch nur neben anderen vergleichbaren Tarifverträgen genannt, um die Üblichkeit des in diesem Verfahren streitgegenständlichen Tariflohns zu begründen.

...

Soweit sich die Beklagte schließlich darauf berufen hat, dass hier nach eigener Aussage des Bundesarbeitsgerichts "juristisches Neuland" betreten worden sei, übersieht sie, dass dies insbesondere auch für die zugrunde liegende Konstellation galt. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Tariffähigkeit einer Spitzenorganisation auf Arbeitnehmerseite im Rahmen eines Verfahrens nach § 2 a Abs. 1 Nr. 4, § 97 ArbGG gab es bis dato nicht (vgl. insoweit Thorsten Diepenbrock, Anm. v. 13.06.2012 zu LSG Darmstadt 1. Senat, Beschluss vom 23.04.2012 - L 1 KR 95/12B ER). Insofern verweist das Arbeitsgericht Berlin (Urteil vom 06.06.2011 - 19 Ca 4286/11 - Rdnr. 15) völlig zu Recht darauf, dass es sich von Anfang an um eine völlig ungeklärte Rechtslage gehandelt habe, so dass niemand habe darauf vertrauen dürfen, diese Rechtsfrage werde höchstrichterlich zu seinen Gunsten entschieden. Ein solches Vertrauen sei stets auf eigenes Risiko erfolgt. Nach Auffassung der Kammer hatte auch die Beklagte im vorliegenden Fall die Möglichkeit, dieses Risiko zu umgehen und einen Tarifvertrag in gesicherter Konstellation arbeitsvertraglich in Bezug zu nehmen, oder aber eben das Risiko einzugehen, die CGZP-Tarifverträge gleichwohl in Bezug zu nehmen und später entsprechende Nachzahlungen leisten zu müssen.

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