BAG zum Anspruch auf Weihnachtsgratifikation bei gekündigtem Arbeitsverhältnis

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 20.01.2012

 

Zu den noch offenen Fragen nach der Erstreckung des AGB-Rechts auf vorformulierte Arbeitsverträge im Rahmen der Schuldrechtsreform gehörte bislang, ob sog. Stichtagsklauseln in Bezug auf Sonderzuwendungen der Inhaltskontrolle standhalten. Im Hinblick auf Weihnachtsgratifikationen hat das BAG (Urteil vom 18. Januar 2012 - 10 AZR 667/10 -) jetzt eine wichtige Entscheidung getroffen. Zu beurteilen war eine Klausel in einem Arbeitsvertrag, derzufolge der Klägerin grundsätzlich ein Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation zustand. Die Weihnachtsgratifikation sollte mit der Vergütung für den Monat November zur Auszahlung kommen (Wobei wohl davon ausgegangen werden kann, dass der Auszahlungszeitpunkt für die monatliche Vergütung das Monatsende war.) Der Anspruch auf die Weihnachtsgratifikation sollte allerdings ausgeschlossen sein, wenn sich das Anstellungsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung in gekündigtem Zustand befindet. Der beklagte Arbeitgeber hatte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. November 2009 zum 31. Dezember 2009 gekündigt. Die klagende Arbeitnehmerin beanspruchte gleichwohl die Weihnachtsgratifikation. Das BAG hält hingegen die Ausschlussklausel für wirksam. Der Anspruch auf eine Weihnachtsgratifikation könne vom ungekündigten Bestehen des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt abhängig gemacht werden. Es komme auch nicht darauf an, wer das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Eine entsprechende Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Voraussetzung sei, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist, wovon offenbar dann ausgegangen werden kann, wenn die Zahlung - wie vorliegend - nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Dass der oftmals fragliche Zweck einer Sonderzuwendung damit entscheidungsrelevant ist, dürfte die Praxis mit einem  nicht unerheblichen Unsicherheitsmoment belasten. Dem LAG, an das die Sache zurückverwiesen wurde, gab das BAG schließlich noch auf herauszufinden, ob der Eintritt der Bedingung treuwidrig herbeigeführt wurde und deshalb nach § 162 Abs. 2 BGB als nicht erfolgt gilt. Die Klägerin hatte immerhin behauptet, ihr sei gekündigt worden, weil sie nicht freiwillig auf die Zahlung der Weihnachtsgratifikation verzichtet habe.

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stoffels schrieb:

Eine entsprechende Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen halte einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stand. Voraussetzung sei, dass nicht die Vergütung von Arbeitsleistungen bezweckt ist, wovon offenbar dann ausgegangen werden kann, wenn die Zahlung - wie vorliegend - nur an den Bestand des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Dass der oftmals fragliche Zweck einer Sonderzuwendung damit entscheidungsrelevant ist, dürfte die Praxis mit einem  nicht unerheblichen Unsicherheitsmoment belasten.

 

Die Entscheidungsgründe sind im Volltext noch nicht veröffentlicht. Einstweilen muss also die Pressemitteilung des BAG genügen.

Hiernach hängt die Wirksamkeit der Klausel gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB davon ab, ob das Weihnachtsgeld lediglich an den Bestand des Arbeitsverhältnisses geknüpft wird. Versteht der Verwender von AGB (Arbeitgeber) das Weihnachtsgeld hingegen als eine Art Arbeitsvergütung, wäre es unter AGB-Aspekten mit dem Grundgedanken des § 611 BGB nicht zu vereinbaren, wenn der bereits "erdiente" Lohnanspruch des Arbeitnehmers davon abhinge, ob das Arbeitsverhältnis gekündigt ist oder nicht. Die Frage, ob das in AGB gewährte Weihnachtsgeld Lohnfunktion hat oder nicht, dürfte daher m. E. einen Anwendungsfall des § 305 c Abs. 2 BGB (Unklarheitenregel) darstellen. Das - wie Sie formulieren - in der "Praxis [...] nicht unerhebliche Unsicherheitsmoment" wäre demnach eines, das zum Glück nicht die üblichen Tatsachenfragen aufwirft, sondern einen Zweifel bei der Auslegung darstellt, der zulasten des Arbeitgebers geht. Daraus müsste man nach meinem Dafürhalten schließen: Wenn nicht klipp und klar das Weihnachtsgeld von der Lohnzahlungspflicht entkoppelt wird, handelt es sich bei Anwendung des § 305 c II BGB um Arbeitslohn, der nicht dadurch wegfällt, dass in AGB steht, das Arbeitsverhältnis müsse ungekündigt sein. 

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