Akteneinsichtsrecht in Bedienungsanleitung: AG Wuppertal lehnt ab

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 21.01.2012

Das Thema Akteneinsicht in Bedeinungsanleitungen oder so genannte Lebensakten lief hier schon häufiger. Das AG Wuppertal hat ein Recht auf Kopien hiervon abgelehnt:

 

Der Betroffene, der sich zu seinen persönlichen Verhältnissen so wie oben unter Ziffer I. festgestellt eingelassen hat, räumt ein, das Tatfahrzeug zum Tatzeitpunkt geführt zu haben. Zu seiner Verteidigung bringt er vor, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h nicht gesehen zu haben und sich insoweit einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht bewusst gewesen zu sein. Zudem sei so das Verteidigungsvorbringen die Zuverlässigkeit des Messgerätes und das Ergebnis der polizeilichen Messung für ihn mangels Herausgabe der Bedienungsanleitung für das Messgerät durch die Autobahnpolizei nicht nachprüfbar und insoweit in Zweifel zu ziehen.

Dieses Verteidigungsvorbringen ist, soweit es zu den oben unter Ziffer II. getroffenen Feststellungen im Widerspruch steht, nicht geeignet, den Betroffenen zu entlasten. Vielmehr ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme, deren Umfang sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung ergibt, davon überzeugt, dass der Betroffene den Verkehrsverstoß, so wie festgestellt, begangen hat.

Die Einlassung des Betroffenen ist, die durch Verkehrszeichen angeordnete Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h nicht gesehen haben zu können, widerlegt. Nach den Bekundungen der Messbeamtin, der Zeugin B., die an einem speziellen Einweisungslehrgang für das am Tattag eingesetzte Messgerät teilgenommen hat, und ihrer erläuternden Angaben zu der Dienstanweisung des PP D. für den Einsatz von Geschwindigkeitsmessgeräten an der oben genannten Messstelle sind die die Geschwindigkeit beschränkenden Vorschriftszeichen rund 100 Meter vor der Messstelle beidseits der Richtungsfahrbahn des Betroffenen deutlich erkennbar aufgestellt.

Darüber hinaus folgt aus ihrer zuverlässigen Aussage und dem Inhalt des von ihr gefertigten Messprotokolls vom Tattag sowie des verlesenen Eichscheins des eingesetzten Messgerätes, dass die Geschwindigkeitsüberwachung mit einem gültig geeichten Geschwindigkeitsüberwachungsgerät der Marke Poliscan Speed (Hersteller: VITRONIC Bildverarbeitungssysteme GmbH) erfolgte, das auf der Basis einer Laserpulslaufzeitmessung arbeitet und dessen Bauart von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt zugelassen ist. Anlässlich des Messvorgangs ist am Tatort zur Tatzeit ein Lichtbild aufgenommen worden, auf dem der von dem Betroffenen geführte Pkw mit ihm als Fahrer abgebildet und die gemessene Geschwindigkeit von 131 km/h in einem Datenfeld festgehalten ist, das ebenfalls verlesen wurde.

Danach steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Betroffene den Verkehrsverstoß, so wie oben unter Ziffer II. festgestellt, zumindest fahrlässig begangen hat und nach Abzug einer Messtoleranz von 4 km/h mindestens mit einer Geschwindigkeit von 127 km/h gefahren ist.

Anhaltspunkte für Messfehler sind nicht ersichtlich. Konkrete Bedenken gegen die Richtigkeit der Messung wurden von dem Betroffenen auch nicht erhoben. Nach den Bekundungen der Zeugin ist vielmehr davon auszugehen, dass mögliche Fehler oder Fehlerquellen, die beim Einsatz des vorgenannten Messgerätes die Zuverlässigkeit der Messung hätten beeinflussen können, nicht vorgelegen haben. Die Geschwindigkeitsmessung mittels des eingesetzten Messgerätes der Marke Poliscan Speed gehört zu den sogenannten standardisierten Messmethoden. Dieses Messverfahren liefert gerichtsbekannt bei sachgerechter Bedienung und Beachtung der Betriebsanleitung sowie der allgemeinen Einsatzgrundsätze zuverlässige Ergebnisse.

Eine weitere Beweisaufnahme ist entgegen des seitens der Verteidigung gestellten Antrags auch nicht deshalb erforderlich oder geboten, weil dem Verteidiger trotz mehrfacher Aufforderungen seinerseits keine Kopie der Bedienungsanleitung des Messgerätes übermittelt wurde. Eine Verpflichtung, ihm die auf der Dienststelle des PP D. beim Verkehrsdienst Y. vorgehaltene Bedienungsanleitung zu kopieren und eine solche Kopie zu übersenden, besteht nicht. Es bestand worauf der Verteidiger mehrfach hingewiesen wurde Gelegenheit, die Betriebsanleitung auf der Dienststelle der Autobahnpolizei in Y. einzusehen. Angesichts dessen wurden die Verteidigungsrechte des Betroffenen nicht in unzulässiger Weise beschnitten.

 

AG Wuppertal: Urteil vom 17.10.2011 - 12 OWi 135/11 (623 Js-OWi 1004/11)    BeckRS 2011, 27254

 

Die Problematik ist hoch streitig und spielt in der Regel im Bereich des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG. Zahlreiche AGe sehen die Rechtslage anders als das AG Wuppertal - andere dagegen genauso. Leider gibt es keine klärende obergerichtliche Rechtsprechung dazu.

 

ausführlich zu dem Thema Akteneinsicht in Messunterlagen pp: Krumm, Praxishelfer Ordnungswidrigkeitenrecht - Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen, 1. Aufl. 2012

 

 

 

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2 Kommentare

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Warum mag der Verteidiger die Anleitung wohl nicht vom Hersteller angefordert haben? I. d. R. sind die dort käuflich zu erwerben, wie andere Fachliteratur auch.

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Weil man dann nicht mehr darauf spekulieren kann, das Verfahren durch diesen "Formfehler" zugunsten des Mandanten zu beeinflussen.

Wie Herr Krumm schon schrieb: Die Rechtsprechung ist uneinheitlich, es hätte klappen können.

Der Weg über die nicht vorgelegte Bedienungsanleitung ist deutlich einfacher, als dem bedienenden Polizisten eine tatsächliche Abweichung von dieser Bedienungsanleitung nachzuweisen.

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