Heirat mit 14?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 02.02.2012

Die Beteiligten haben im August 2009 im Libanon die Ehe geschlossen. Er ist (eingebürgerter) Deutscher, sie Libanesin schiitischen Glaubens.

Sie beantragten die Beurkundung der Ehe in Deutschland gemäß § 34 Personenstandsgesetz. Das Problem: Er war bei Eheschließung 17, sie gar nur 14 Jahre alt.

Der Standesbeamte legte die Sache dem Gericht vor (§ 49 II PStG), das AG gab dem Antrag der Frau statt. Auf die Beschwerde der Behörde wurde der Beschluss aufgehoben und der Antrag durch das Kammergericht abgewiesen.

Nach § 4 des auf Sunniten und Schiiten im Libanon anwendbaren ottomanischen Familiengesetzbuchs vom 25. 10. 1917 ist Voraussetzung für die Eheschließung, dass die Braut mindestens 17 Jahre alt ist. Nach § 6 kann einem Mädchen, welches das 17. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und das behauptet, geschlechtsreif zu sein, nach Zustimmung ihres Ehevormunds vom Richter des örtlichen Schariaa-Gerichts die Heirat erlaubt werden. Von letzterem ist nach den vorgelegten Urkunden auszugegehen. Nach libanesischem Recht läge damit eine wirksame Ehe vor.

Eine solche Ehe verstößt aber in Deutschland nach Auffassung des KG gegen den „ordre public“ (Art. 6 EGBGB).

Zu den unverzichtbaren Bestandteilen des deutschen Rechts gehört der Schutz Minderjähriger vor den Folgen von Willenserklärungen und Rechtshandlungen, deren Tragweite sie auf Grund mangelnder Entwicklung und Verstandesreife noch nicht absehen können. Dieses Schutzes bedarf ein Minderjähriger für die Frage einer Eheschließung umso mehr, als er durch diese nicht nur in vermögensrechtlicher Hinsicht verpflichtet wird, sondern eine grundsätzlich auf Dauer angelegte persönliche Bindung mit personenrechtlichen Auswirkungen eingeht. Damit korrespondiert, dass nach § 1303 II BGB für einen Minderjährigen selbst die Erziehungsberechtigten einer Eheschließung nicht durch Zustimmung zur Wirksamkeit verhelfen können, sondern nur das FamG eine Befreiung von § 1303 BGB erteilen kann.

Die Pflicht des Staates zur Gewährleistung des Minderjährigenschutzes findet ihre grundgesetzliche Verankerung in Art. 6 II GG. Die Ermöglichung einer Eheschließung durch Minderjährige, die das näher zu definierende Alter einer hinreichenden geistigen und körperlichen Reife noch nicht erreicht haben (Kinderehe) widerspricht zudem den Intentionen des UN-Eheschließungsabkommens von 1962, dem die Bundesrepublik Deutschland beigetreten ist . Das Abkommen (Art. 2) bestimmt zwar kein international verbindliches Heiratsmindestalter, sondern sieht lediglich vor, dass dieses überhaupt in allen Vertragsstaaten festzulegen ist. Daraus wird jedoch die Zielrichtung deutlich, Kinderehen vorzubeugen.

Die grundsätzliche Entscheidung dazu, von welchem Alter an einem Minderjährigen die notwendige Reife für die Eheschließung frühestens zuerkannt werden kann, so dass die Verpflichtung zu seinem Schutz hinter sein Interesse an der Eheschließung zurücktreten kann, hat der deutsche Gesetzgeber in § 1303 II BGB getroffen. Vor der Vollendung des 16. Lebensjahres kann bei Anwendung des deutschen Rechts unter keinen Umständen die Ehe geschlossen werden. Selbst wenn dies für die Anwendung des Art. 6 EGBGB nicht als statische Grenze begriffen wird, ist erkennbar, dass eine Eheschließung nur möglich sein soll, wenn die geistige und körperliche Entwicklung des Minderjährigen der eines Erwachsenen weitgehend angenähert und die Pubertät im Wesentlichen abgeschlossen sein kann. Davon kann im Alter von 14 Jahren selbst unter Berücksichtigung möglicher kultureller Unterschiede  nicht ausgegangen werden.

KG v. 21. 11. 2011 − 1 W 79/11

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