BayVGH München: Demonstrant durfte nicht mehrere Stunden in Polizeibus festgehalten werden

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 07.02.2012

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vom 27.01.2012, Az.: 10 B 08.2849, gegen den die Revision nicht zugelassen wurde, betrifft zwar keine strafrechtliche Ermittlungsmaßnahme, wird aber auch dort Bedeutung gewinnen: Wird eine Person mehrere Stunden in einem abgestellten Polizeibus (Gefangenentransporter) festgehalten, so verletzt dies ihr Grundrecht auf Freiheit, wenn es in der konkreten Situation möglich gewesen wäre, diese besonders belastende Form der Freiheitsentziehung früher zu beenden.

 

Im Zusammenhang mit einer unangemeldeten Demonstration gegen das Pfingsttreffen der Gebirgsjäger in Mittenwald Ende Mai 2004 wurde der Kläger am Nachmittag von der Polizei in Gewahrsam genommen, in eine bei der Standortverwaltung eingerichtete Gefangenensammelstelle verbracht und mit kurzen Unterbrechungen durch ein Verhör und eine erkennungsdienstliche Behandlung längere Zeit in einem Polizeibus festgehalten. Erst am späteren Abend wurde er zur Polizeiinspektion gefahren, wo er die Nacht in einer Haftzelle verbrachte. Der zuständige Richter am Amtsgericht hob am Vormittag des darauffolgenden Tages die Freiheitsentziehung auf.

 

Die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahme hatte das VG München abgewiesen. Die Maßnahme sei mit etwa dreieinhalb Stunden von geringer zeitlicher Dauer und zudem aus verwaltungstechnischen Gründen erforderlich gewesen.

 

Dem hat sich der VGH nicht angeschlossen. Der Kläger sei durch das mehrstündige Sitzen im Gefangenentransportbus einer unzumutbaren Freiheitsentziehung unterworfen worden. Eine Einzelkabine in einem solchen Bus sei nur 77 x 95 Zentimeter klein und beschränke die Bewegungsfreiheit extrem. Das Festhalten darin stelle einen über den Gewahrsam hinausgehenden schweren Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar. Dieser sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil es in der konkreten Situation (größere Veranstaltung, personelle und sachliche Ausstattung der Einsatzkräfte) auch die Möglichkeit gegeben habe, den Kläger früher in die Haftzelle zu bringen.  

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen