BGH: Ist doch egal, was der Vorsitzende der Strafkammer dem Verteidiger am Telefon verspricht...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 07.02.2012

Natürlich sind Telefonate zwischen den Verfahrensbeteiligten im Strafprozess normal. Der BGH hatte jetzt einen Fall, bei dem der Vorsitzende einer Strafkammer am Telefon erklärt hatte, für den Fall des Geständnisses des Angeklagten werde es für ihn "günstiger":

Der telefonische Hinweis des Strafkammervorsitzenden an den Verteidiger, der Angeklagte könne im Falle einer geständigen Einlassung mit einer Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung rechnen, hat nicht zu einer Bin-dung der Strafkammer geführt. Eine solche ergibt sich erst aus einer Verständigung nach § 257c Abs. 3 Satz 4 StPO, nicht jedoch aus den verschiedenen, zuvor möglichen Formen der Kommunikation des Gerichts mit den Verfahrensbeteiligten (§§ 202a, 212, 257b StPO).
Auch ein berechtigtes Vertrauen des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten dahin, dass von der Einschätzung der Bewährungsfrage nicht abgewichen wird, solange kein entsprechender Hinweis erteilt worden ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 30. Juni 2011 - 3 StR 39/11, NJW 2011, 3463), konnte durch dieses erkennbar im Rahmen der Terminsvorbereitung geführte Telefonat nicht entstehen.
Soweit die Revision beanstandet, dass der Vorsitzende entgegen der Verpflichtung aus § 243 Abs. 4 StPO die Erörterung mit dem Verteidiger nicht in der Hauptverhandlung mitgeteilt hat, könnte das Urteil auf einem solchen Fehler nicht beruhen, weil der Angeklagte alsbald durch seinen Verteidiger von ihr unterrichtet worden war. Der Senat kann daher offen lassen, ob er der Auffassung folgen würde, dass nur solche Erörterungen der Mitteilungspflicht unter-liegen, die entweder von dem gesamten Spruchkörper in der Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung oder von einem seiner Mitglieder aufgrund entspre-chender Beratung und ausdrücklichen Auftrags des Gerichts geführt worden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2010 - 1 StR 400/10, BGHR StPO § 243 Abs. 4 Hinweis 1).

 

BGH, Beschluss vom 20.12.2011 - 3 StR 426/11 -

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2 Kommentare

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Es gibt in der Tat telefonfreudige Richter, bei denen diese Eigenschaft leider gepaart ist mit damit inkompatiblem Verhalten in der späteren Verhandlung. Die muss man sich merken.

 

Die hier vorgestellte BGH-Entscheidung will wortreich ein Verhalten legitimieren, das wahrlich "unter aller Kanone" ist. Das erinnert an die unselige Rechtsprechung zum schlafenden Richter, der ja nur "in meditativer Weise an der Hauptverhandlung teilgenommen" habe.

 

Was ist die Konsequenz? Den Richter wegen Befangenheit ablehnen, sobald sich im Termin herausstellt, dass sich etwas anderes abzeichnet als von ihm vorab telefonisch zugesagt? Dann wäre ich gespannt, ob in der dienstlichen Äußerung der abgelehnte Richter den Inhalt des Telefonats so einräumt wie vom Verteidiger vorgetragen.

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Ich telefoniere grundsätzlich nicht mit Richtern. Mein Motto ist: wer schreibt, der bleibt. Bei Telefonaten oder mündlichen Unterredungen in Beratungszimmern kommt es häufig zu Mißverständnissen. Falls später rekonstruiert werden muß, wer was gesagt hat, hat ein Rechtsanwalt mit seiner "privaten Äußerung" gegenüber der "dienstlichen Äußerung" eines Richters zumeist schlechte Karte. Wer sich dienstlich äußert, sei es auch nur ein Polizeibeamter, genießt in der Rechtsprechung einen Glaubwürdigkeitsbonus. Derjenige, dessen nichtdienstlicher Äußerung am Ende nicht gefolgt wird - und das ist regelmäßig der Rechtsanwalt -, muß vielleicht sogar mit einem Ermittlungsverfahren wegen versuchter Strafvereitelung o.ä. rechnen, in jedem Fall aber mit einer "Niederlage" im Prozeß.

 

Mein Eindruck ist, daß die meisten Juristen, die etwas telefonisch klären möchten - das gilt nicht nur für Richter, sondern insbesondere auch für Anwälte -, sich Arbeit ersparen und/oder andere Verfahrensbeteiligte über den Tisch ziehen wollen. Wer einen konstruktiven Beitrag zur Verfahrensförderung leisten möchte, sollte sich nicht scheuen, seine Gedanken schriftlich zu fixieren und sie aktenkundig zu machen.

 

Als Berufsanfänger habe ich es immer als sehr unhöflich und zurücksetzend empfunden, wenn ich einen Richter, Staatsanwalt oder Gegenanwalt telefonisch zu erreichen versuchte und mir die Vorzimmerdame nach einem Verbindungsversuch mitteilte, man wolle nicht mit mir sprechen, ich solle es aufschreiben. Heute weiß ich, daß das die einzig kluge Reaktion ist und handhabe es ebenfalls so.

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