Erdbeerkuchen, Durchfall und homöopathische Präparate

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 23.02.2012

Aus einer Entscheidung des OLG Hamm, in der es die elterliche Sorge für ein 2007 nichtehelich geborenes Kind gegen den Willen der Mutter auf beide Elternteile übertrug:

 

Derzeit findet eine Kommunikation der Kindeseltern zwar nur schriftlich statt, woran sich regelmäßig kleinere Missverständnisse und Missstimmungen entzünden. Jedoch liegen dieser qualitativ mangelhaften Kommunikation zwischen den Kindeseltern keine unüberwindlichen Zerwürfnisse zwischen ihnen zugrunde. Vielmehr sind die Kommunikationsschwierigkeiten in der Paarebene der Kindeseltern begründet, wie sowohl der Verfahrensbeistand als auch das Jugendamt im Einklang mit dem Senat festgestellt haben. Auch sind die Auseinandersetzungen auf der Paarebene keinesfalls außerordentlich heftig; vielmehr ist die fehlende Qualität der Kommunikation ganz wesentlich auf die weigerliche, nicht auf objektiv nachvollziehbare Motive gestützte Haltung der Kindesmutter zurückzuführen, die sowohl die verbale Kommunikation mit dem Kindesvater als auch die Durchführung einer Mediation verweigert.

Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kindesvater sich keinesfalls beanstandungsfrei verhalten hat. Insbesondere war es fehlerhaft, entgegen der schriftlichen Mitteilung der Kindesmutter, dass D an einer Durchfallerkrankung leide, D Erdbeerkuchen zu verabreichen. Zu verkennen ist andererseits aber auch nicht, dass derartige letztlich auf gegenseitiges Misstrauen der Kindeseltern zurückzuführende Vorfälle durch das jetzige Kommunikationssystem verstärkt werden. Auch steht dem Fehlverhalten des Kindesvaters ein gewichtiges Fehlverhalten der Kindesmutter gegenüber. Diese befragt aus Misstrauen gegenüber dem Kindesvater D dazu, ob sich der Kindesvater an ihre Anweisungen (z. B. betreffend die Verabreichung homöopathischer Präparate) hält. Dieses Verhalten ist geeignet, den Loyalitätskonflikt D zu verstärken. Jedoch gebieten es diese Mängel der Kommunikation nicht, die ohnehin erforderliche Kommunikation der Kindeseltern noch mehr zu schwächen.

Vielmehr entspricht es nach übereinstimmender Auffassung des Jugendamts und des Verfahrensbeistandes, die zur Überzeugung des Senats zutreffend ist, D Wohl am Besten, wenn die Kindeseltern die Qualität ihrer Kommunikation auf Elternebene nach und nach bessern. Denn die um eine Kommunikationsverbesserung mit dem anderen Elternteil bemühte Haltung erlaubt es D am ehesten, den sich bei ihm bereits verfestigenden Loyalitätskonflikt abzubauen und eine unbefangene und unbelastete Bindung zu beiden Eltern zu behalten, bzw. wiederzuerlangen.

In Gesamtwürdigung dieser Umstände ist es den Kindeseltern zumutbar, die erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen, um die gemeinsame Sorge für D auszuüben.

Da die Kindeseltern noch nicht die gemeinsame Sorge ausgeübt haben, kann derzeit nur in begrenztem Ausmaß auf das bisherige Kommunikationsverhalten der Kindeseltern zurückgegriffen werden, da überhaupt kein Anlass für die Kindeseltern bestand, die Möglichkeiten aber auch die Sachzwänge der gemeinsamen elterlichen Sorge zu erproben und auf ihre Belastbarkeit und Alltagstauglichkeit zu überprüfen.

Hinzukommt, dass die Verweigerung der Zustimmung zur Einrichtung der gemeinsamen Sorge aus nicht kindeswohlbezogenen Motiven regelmäßig gerade nicht tragfähig für den Ausschluss der gemeinsamen elterlichen Sorge ist, (BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010, Az.: 1 BvR 420/09, NJW 2010, 3008, Rz. 59 ff.). Nimmt man hinzu, dass die gemeinsame Sorge häufig besser als die Alleinsorge geeignet ist, die Kooperation und die Kommunikation der Eltern miteinander positiv zu beeinflussen sowie den Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen aufrechtzuerhalten und die Beeinträchtigung der Kinder durch die Trennung zu vermindern, ist bei im Übrigen günstigen Umständen den Kindeseltern grundsätzlich eine Konsensbereitschaft im Rahmen der Zumutbarkeit abzuverlangen, (siehe ebenso KG Berlin, Beschluss vom 07.02.2011, Az: 16 UF 86/10; im Ergebnis OLG Hamm, Beschluss vom 22.06.2011, Az.: 10 UF 50/11).

Insoweit ist der Senat auch überzeugt, dass es der grundsätzlich intellektuell beweglichen Kindesmutter gelingen wird, die bisherige starre Haltung zum Wohl des Kindes D abzulegen und dem Kind zu ermöglichen, eine unbefangene Haltung zu beiden Eltern einzunehmen bzw. zu behalten.

 

OLG Hamm v. 31.01.2012 - II-2 UF 168/11

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5 Kommentare

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Herzlichen Dank, Herr Burschel!

Mal ganz davon abgesehen, dass ein kooperationsbereiter, sorgewilliger und –fähiger Vater erst bis zum OLG klagen muss, um in die gemeinsame elterliche Sorgepflicht genommen zu werden, ist es erschreckend, dass ein Familiengericht auf die 18 Monate zurückliegende Entscheidung des BVerfG hingewiesen werden muss.

Wirklich zu bedauern ist, wenn Familienrichter/innen Aussagen und Feststellungen (Rn. 10, Rn. 18, Rn. 21, Rn 27) nicht sinnvoll miteinander verbinden und werten, wie es dem 2. Senat für Familiensachen in dieser Sache gelang.

Ich hoffe auf eine positive Signalwirkung und „intellektuelle Beweglichkeit“, auf Seiten  aller Verfahrensbeteiligten, insbesondere Elternteile.

„Insoweit sollten die Kindeseltern die von der Kindesmutter im Senatstermin noch von sich gewiesene Chance wahrnehmen, unter professioneller Anleitung ihr Kommunikationsverhalten zu verbessern, da sie nur so das Wohl ihres Kindes am besten fördern.“

MfG

Besten Dank für die Veröffentlichung dieses Urteils, Hr. Burschel.

 

Galt das OLG-Ham doch bisher als eher "Mütterfreundlich"...

Vermutlich haben jedoch diverse Verfassungsbeschwerden einzelner, benachteiligter Väter

im vergangenen Jahr Wirkung gezeigt...

 

Bleibt zu hoffen, dass diese Sichtweise und Praxis auch in Köln und anderen OLG-Bezirken Anwendung findet. Als jüngstes Beispiel vom FG-Köln noch eine "Anekdote" aus einem vor drei Wochen stattgefundenemTermin:

Nicht-ehelicher Vater der ( nach erfolgreichem Umgangsverfahren) die gemeinsame Sorge begehrt.

Gleiche Richterin und Abteilung - Zitat der Richterin im Termin:

" Ich kann offengestanden nicht verstehen, dass sie, wo Sie doch das Umgangsrecht erfolgreich erhalten haben, jetzt auch noch die gemeinsame Sorge beanspruchen. Die Mutter musste schliesslich schon die "Kröte mit dem Umgang schlucken", da kann es ihr nicht auch noch zugemutet werden, die Sorge zu teilen." 

Ja, und das im Jahr 2012 - es klingt fast komisch, wenn es nicht so traurig wäre.

Lieber "Hard",

 

nein, darauf haben wir in diesem Fall verzichtet. Sie können aber versichert sein,

das diese Tatsache vor dem OLG Köln im Beschwerdeverfahren Erwähnung findet.

Gott sei Dank ist das OLG-Köln da weiter.....

 

 

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... hmm, weiß hier jemand wie lange ein ruhendes Sorgerechtsverfahren bestehen bleibt? Falls sich am AG Köln irgendwann mal etwas bessert würde ich noch einen Versuch wagen. Zur Zeit scheint mir das allerdings eher aussichtslos. Meine skandinavischen Freunde schütteln nur den Kopf über die hiesige Gesetzgebung.

viele Grüße

Eric69

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