OLG regt an, dass die StA einen Verwerfungsantrag stellt: Keine Befangenheit!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 27.02.2012

Die Revisionsverwerfung durch Beschluss (i.d.R. durch Formularbeschlüsse) ist gängige Praxis. Erforderlich ist nach § 349 Abs. 2 StPO ein Verwerfungsantrag der GStA. Das OLG Düsseldorf hatte einen solchen Antrag noch nicht in der Akte, hielt die Revision aber für offensichtlich unbegründet. Die Anregung der Berichterstatterin (nach Beratung des Senats) an die GStA, einen Verwerfungsantrag zu stellen nahm der Verteidiger zum Anlass, einen Befangenheitsantrag zu stellen. Erfolglos.

 

Das Ablehnungsgesuch ist unbegründet. Ein zur Rechtfertigung des Misstrauens gegen die Unparteilichkeit der Richter geeigneter Grund im Sinne des § 24 Abs. 2 StPO liegt nicht vor. Der Angeklagte hat bei verständiger Würdigung des Sachverhalts keinen Grund zu der Annahme, die abgelehnten Richter hätten ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen, die ihre Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 24 Rn. 8 m.w.N.).

In Rechtsprechung und Schrifttum ist anerkannt, dass das Revisionsgericht nicht gehindert ist, unter Hinweis auf das vorläufige Beratungsergebnis bei der Staatsanwaltschaft eine Änderung des im Rahmen des § 349 StPO bereits gestellten Antrags anzuregen und – wie vorliegend – auf einen Verwerfungsantrag nach dessen Abs. 2 hinzuwirken (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 349 Rn. 12; KK-Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 349 Rn. 17; LR-Siolek, StPO, 26. Aufl., § 349 Rn. 43; BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 2 BvR 1656/06; KG StV 2001, 153). Die eigene, unabhängige und selbständige Prüfung durch die Staatsanwaltschaft – wesentliche Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschlussverwerfung nach § 349 Abs. 2 StPO – wird durch ein solches Vorgehen nicht in Frage gestellt. Von den mit dem Revisionsrecht vertrauten und erfahrenen Sachbearbeitern der Generalstaatsanwaltschaft ist nämlich auch bei erneuter Vorlage der Akten auf Veranlassung des Senats die Bildung einer von gerichtlichen Anregungen autonomen Rechtsauffassung zu erwarten. Dass vorliegend die für den geänderten Antrag gegebene Kurzbegründung der Generalstaatsanwaltschaft bei der Verteidigung möglicherweise einen anderen Eindruck hat entstehen lassen, ändert für die im Rahmen der Befangenheitsfrage maßgebliche ex-ante-Sicht des Senats nichts.

Bei richtigem Verständnis der Zusammenhänge bestehen damit keine Anhaltspunkte für eine gezielte Umgehung des in § 349 Abs. 2 StPO geregelten Verfahrens, die alleine Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit des Senats hätte geben können. Genau darin unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation von derjenigen, die dem in diesem Rahmen häufig zitierten Beschluss des BVerfG vom 27. März 2000 (2 BvR 434/00 – NStZ 2000, 382) zu Grunde lag. Dort hatte die Staatsanwaltschaft die Akten nämlich zunächst ohne jeden Antrag an das Revisionsgericht weitergeleitet und den Verwerfungsantrag erst anschließend auf "Bestellung" durch den Senat gestellt, was dem BVerfG einen Ablehnungsantrag wegen des erkennbaren Willens zur gezielten Umgehung des in § 349 Abs. 2 StPO vorgesehenen Verfahrens als "nahe liegend" erscheinen ließ. Hier hingegen hat das Revisionsgericht ein Rechtsgespräch mit dem Zweck einer eigenständigen Prüfung durch die Staatsanwaltschaft initiiert (vgl. entsprechend auch BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 2 BvR 1656/06).

Fehl geht schließlich auch der Vorwurf des Verteidigers, der Senat offenbare seine Voreingenommenheit dadurch, den "konstruktiven Dialog" und "offenen Diskurs" über die in Rede stehenden Rechtsfragen zu verhindern. Bei genauem Hinsehen erweist sich vielmehr das Gegenteil als zutreffend: Anders als in der mündlichen Verhandlung, in der eine gerichtliche Pflicht zum Führen eines Rechtsgesprächs sowie zur Auseinandersetzung mit den dargelegten Rechtsauffassungen nicht besteht, hat der Senat der Verteidigung hier Einblick in seine (vorläufige) rechtliche Bewertung gewährt und diese so in die Lage versetzt, mit viel größerer Reaktionszeit sowie in schriftlicher Form gegenteilige Auffassungen eindringlich zu Geltung zu bringen – und zwar spätestens im Rahmen des § 349 Abs. 3 S. 2 StPO. Das Vorgehen des Revisionsgerichts stellt sich damit eher als Ausprägung eines fair geführten Verfahrens dar, als unter dem Gesichtspunkt des § 24 StPO Grund zu Sorge zu geben.

 

 

OLG Düsseldorf, Beschluss v. 28.12.2011 - III-2 RVs 113/11

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3 Kommentare

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Aaah... da ist es wieder: "das richtige Verständnis der Zusammenhänge", das sich natürlich aus Richtersicht beurteilt und aus der Perspektive eines "objektiven und besonnenen Dritten" (= Richter), der Einblick in den Kopf eines Richters hat.

 

Kann man sich eigentlich ein Weniger an Unparteilichkeit vorstellen, als einen Richter, der einer Partei - hier der Staatsanwaltschaft - empfiehlt, welche Anträge Sie stellen soll, um dem Rechtsbehelf der Gegenseite auf kürzestem Weg scheitern zu lassen? In jedem anderen Rechtsgebiet (außer vielleicht in der Verwaltungsgerichtsbarkeit) undenkbar. Es mag vielleicht sachgerecht gewesen sein, da die Revision offenbar ohnehin keine Aussicht auf Erfolg hatte. Der Eindruck von Unparteilichkeit ist aber erfolgreich vermieden worden. Und das scheint mir doch der schlimmste Eindruck zu sein, den ein Bürger von einem Richter gewinnen kann.

 

Der Strafrichter, der die gleiche Distanz zu Staatsanwaltschaft und Verteidigung/Angeklagten einhält, scheint leider eine Seltenheit. Ohnehin vom ohnehin häufig abzusehenden Ausgang eines Strafverfahren sollte der Strafrichter dem Angeklagten nie das Gefühl geben, er ziehe gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft an einem Strang. Leider ist das eine Nebenfolge des Inquisitionsprinzips.

 

 

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Wenn den Strafverteidigern das Inquisitionsprinzip (Amtsermittlungsgrundsatz) nicht passt, können sie sich ja auf politischer Ebene für den Beibringungsgrundsatz stark machen.

 

Würde letzterer auch im Strafrecht eingeführt, wäre allerdings die "Erfolgsquote" der Angeklagten noch geringer als jetzt.

 

Im Übrigen müssten dann konsequenterweise Handlungen des Verteidigers auch dem Angeklagten zugerechnet werden.

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@Großinquisitor

 

Wohl kaum. Gälte der Beibringungsgrundsatz, wäre die Staatsanwaltschaft vollumfänglich darlegungs- und beweispflichtig und das Gericht könnte sich nicht an die Stelle der Anklagebehörde setzen, wo deren Engagement für eine Überführung des Angeklagten nicht ausreicht.

 

Das Inqusitionsprinzip ist die Krücke für die Staatsanwaltschaft, weil der Gesetzgeber ihr nicht zutraut, Angeklagte ohne gerichtliche Unterstützung zu überführen.

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