Wie ein vermeintliches Potenzmittel zu Meinungsverschiedenheiten beim BGH führen kann

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 11.03.2012

Bei einem an der Chemie Interessierten wurden anlässlich einer Hausdurchsuchung 9 Tütchen mit insgesamt 915,8 Gramm Methamphetamin-Hydrochlorid-Gemisch mit einem Reinheitsgehalt von 99,5% aufgefunden. Die stereochemisch aus Methamphetaminracemat bestehende Substanz hatte der Angeklagte zuvor in einem von ihm zu Hause betriebenen Labor selbst hergestellt, um sie u.a. zur Erektionsförderung einzusetzen. Methamphetaminracemat ([RS]-Methamphetamin) besteht zu gleichen Teilen aus Methamphetamin ([2S]-Methamphetamin = rechtsdrehende Form) und Levmethamphetamin ([R]-Methamphetamin = linksdrehende Form). Alle drei „Sorten“ unterliegen dem BtMG.

Das Landgericht verurteilte ihn wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten. Der 3. Strafsenat des BGH hob die Entscheidung auf die Revision des Angeklagten auf, da das Landgericht fälschlicherweise davon ausgegangen sei, der Grenzwert für die nicht geringe Menge von Methamphetaminracemat liege bei 5 Gramm der wirkungsbestimmenden Base (Urteil vom 17.11.2011, 3 StR 315/10 = NJW 2012, 400). Nach Ansicht des 3. Strafsenats ist der Grenzwert der nicht geringen Menge i.S.d. § 29a Abs. 1 Nr. 2, § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG für Methamphetaminracemat nämlich bei 10 Gramm der wirkungsbestimmenden Base festzulegen.

Was das mit Meinungsverschiedenheiten beim BGH zu tun hat?

Das Landgericht ist dem 1. Strafsenat gefolgt, der den Grenzwert der nicht geringen Menge für Methamphetamin (also [2S]-Methamphetamin) erst am 3.12.2008 von 30 Gramm auf 5 Gramm Methamphetamin-Base herabgesetzt hatte, da er der Meinung war, Methamphetamin wirke doppelt so stark wie Amphetamin (Körner/Patzak/Volkmer, 7. Auflage, § 29a Rn. 83).  Zwar betrifft dies nur das Methamphetamin und nicht das Methamphetaminracemat. Der 3. Strafsenat hat die aktuelle Entscheidung aber zum Anlass genommen, seine Bedenken gegen die Entscheidung des 1. Strafsenats zu äußern. Er führt nämlich Folgendes aus: „Ob für Methamphetamin weiterhin der Auffassung gefolgt werden kann, es wirke bis zu zweimal stärker als Amphetamin, kann offenbleiben, denn der Senat hat nur über den Grenzwert bei (RS)-Methamphetamin zu entscheiden.

Das läuft wohl im nächsten geeigneten Fall auf eine Entscheidung des Großen Senats des BGH für Strafsachen heraus...

Zur Erläuterung des Begriffes „nicht geringe Menge“:

Bei Überschreiten der nicht geringen Menge bewegt sich der Täter nicht mehr nur im Vergehenstatbestand des § 29 Abs. 1 BtMG, der als mögliche Strafen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vorsieht. Es kommen vielmehr die §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30, 30a BtMG in Betracht, die je nach Begehungsweise Freiheitsstrafen nicht unter 1 bzw. 2 Jahren androhen. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge z.B. kann nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG mit Freiheitsstrafen von 1 Jahr bis 15 Jahren bestraft werden. Führt der Täter dabei sogar eine Schusswaffe mit sich, erhöht sich die Mindeststrafe gem. § 30a Abs. 2 BtMG auf 5 Jahre. Die Einfuhr von Betäubungsmitteln unterliegt § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 2 Jahren.

 

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2 Kommentare

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Im konkreten Fall ist doch die Frage, ob es im Ernst einen Unterschied macht, ob der Grenzwert um das 150fache oder nur um das 75fache überschritten ist.

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