Kammergericht (Pressemeldung): Zwangseinweisung eines 11jährigen Kindes zur Therapie seiner Geschlechtsorientierung? (Update 19.04.)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 24.03.2012

Schenkt man dem Bericht der taz von heute Glauben (leider gibt es bislang kaum weitere Berichte dazu, der strafblog schöpft aus derselben Quelle, siehe jetzt mein Update unten), dann hat das Kammergericht Berlin eine Entscheidung des Jugendamtes bestätigt, mit der ein 11jähriges Kind in die kinder- und jugendpsychiatrische Abteilung der Charite eingewiesen werden soll. Es liege weder eine Suizidgefahr  noch eine Fremdgefährung durch dieses Kind vor. Es werde aber vermutet, die Mutter habe dem Kind seine von der Norm abweichende Geschlechtsorientierung (das Kind ist als Junge zur Welt gekommen, fühlt sich aber als Mädchen) "induziert" (zum Hintergrund: früherer Bericht der taz).

Unabhängig davon, ob dieser Vorwurf gegen die Mutter stimmt oder überhaupt stimmen kann (die Experten streiten über die Frage, ob eine solche Induktion möglich ist), erscheint mir eine zwangsweise Unterbringung des Kindes zur Diagnose und evtl. Therapie seiner Geschlechtsorientierung (ob diese überhaupt als eine "Erkrankung" angesehen werden kann, ist höchst fraglich)  wie eine Meldung aus grauer Vorzeit. Der Psychiater soll sich laut taz so geäußert haben:

In der Charité geht es darum, Alex sein „biologisches“ Geschlecht nahe zu bringen und „geschlechtsatypisches Verhalten“ zu „unterbinden“, erklärt Chefarzt Klaus Beier die Therapie.

Aber unabhängig von der Frage, ob hier eine schon im Kindesalter manifest werdende Transsexualität vorliegt oder nicht: Eine Freiheitsentziehung ist ein derart gravierender Eingriff für ein Kind, dass er nur als ultima ratio vorgesehen werden kann. Laut dem Bericht fehlt bislang ein unabhängiges psychiatrisches Gutachten. Zu einer ambulanten Untersuchung seien Mutter und Kind bereit.

Mutter und Tochter baten darum, psychiatrisch begutachtet zu werden. Doch diese Begutachtung lehnte das Kammergericht nun ab. Ein Gutachten sei nicht erforderlich, zitiert der Anwalt der Familie aus dem Beschluss. Die Ausführungen der Pflegerin seien nachvollziehbar, die angestrebte stationäre Diagnostik liege in deren Ermessen.

Kann das wirklich wahr sein?

Ausschnitt aus den Gründen der Leitentscheidung des BVerfG (Beschluss vom 14. 6. 2007 - 1 BvR 338/07).

Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 [223]). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder trotz einer solchen Erkenntnis sich infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos, weil schon im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei weniger gewichtigen Fällen eine derart einschneidende Maßnahme unterbleiben muss (vgl. BVerfGE 58, 208 [224 ff.]).

Die deutlich als ultima ratio angeführten Legitimationen für eine zwangsweise Unterbringung liegen m.E. hier eindeutig nicht vor. Als milderes Mittel läge zumindest eine ambulante Diagnosestellung nahe.

Ich bin betont vorsichtig, da ich kaum glauben kann, dass diese Darstellung den Kern des Beschlusses vollständig wiedergibt (siehe jetzt unten mein update). Aber wenn aus dem Beschluss tatsächlich hervorgeht, dass das KG dem Jugendamt  in dieser Frage ein nicht überprüfbares Ermessen einräumt, dann käme dies einer folgenschweren  Rechtsverweigerung (Art. 104 Abs.2  GG: über die Zulässigkeit einer Freiheitsentziehung hat NUR der Richter zu entscheiden)  gleich: Jugendamt und  Gericht tun einem 11jährigen Kind Gewalt an, ohne die traumatischen und stigmatisierenden  Folgen zu berücksichtigen, die aus einer zwangsweisen Unterbringung resultieren können.

Update (27.03.): Die Darstellung der taz hat sich nicht bestätigt, was den rechtlichen Hintergrund der Entscheidung angeht. Es geht derzeit nicht um eine Zwangstherapie/Zwangseinweisung/Unterbringung: Der rechtliche Hintergrund des Beschlusses des KG ist eine Entscheidung über die Gesundheitsfürsorge, die dem Jugendamt übertragen war. Jugendamt und Mutter des Kindes streiten über das weitere Vorgehen. Das Jugendamt strebt eine stationäre Diagnosestellung an. Daraufhin hat die Mutter begehrt, die Gesundheitsfürsorge an sie zurück zu übertragen, was das AG ablehnte, wogegen sich die jetzt vom KG zurückgewiesene Beschwerde der Mutter richtete. Gegen den Willen der Mutter dürfte eine stationäre  Diagnose oder Therapie erst durchgeführt werden, wenn auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das Jugendamt übertragen ist - was das Jugendamt auch schon beantragt hat. Auch hierzu ist, falls das AG dem Jugendamt Recht gibt, noch eine KG-Entscheidung zu erwarten.

Der inhaltliche Hintergrund des Berichts trifft hingegen zu: Es geht um die Diagnose bzw. "Therapie" einer möglichen Transsexualität, was im Kindheits- und Jugendalter äußerst schwierige Fragestellungen aufwirft, wie eine solche Entwicklung sinnvoll begeleitet werden kann. Gegen den Willen des Kindes eine stationäre Diagnose/Therapie durchzuführen, erscheint mir höchst problematisch, ebenso aber andere irreversible Entscheidungen. Darüber streiten auch die medizinischen Experten.

Der Beschluss des KG, der Anlass der Pressemeldung der taz war, verhält sich nicht ausdrücklich zu der richtigen Vorgehensweise, sondern nur zur Frage, wem die Gesundheitsfürsorge zustehen soll. Allerdings lässt sich im Beschluss eine Bestätigung der Richtungswahl  des Jugendamts herauslesen. Eine Zwangstherapie (wie sie im taz-bericht anklingt)  wird aber vom KG nicht bestätigt oder genehmigt. Der Beschluss enthält keine Festlegung dahingehend, ob die Transsexualität induziert sei oder nicht, meint aber aus dem Verhalten der Mutter eine das Kindeswohl gefährdende Festlegung erkennen zu können, die die Belassung der Gesundheitsfürsorge beim Jugendamt rechtfertigt.

 

Update 29.03.:

Der Beschluss KG 19 UF 186/11 im Volltext.

Update 30.03.: Zur Frage des § 158 FamFG

Im Beschluss des KG wird die Bestellung eines Verfahrensbeistandsgem. § 158 FamFG für das betr. Kind abgelehnt. Ich halte diese verfahrensrechtliche Entscheidung für rechtlich problematisch.

Die Begründung des KG überzeugt nicht. Zunächst wird zur Begründung angeführt, die Interessen des Kindes in diesem Rechtsstreit würden hinreichend von den Eltern wahrgenommen werden. Diese Begründung widerspricht aber eklatant den weiteren Ausführungen im Beschluss: Denn wenn das KG meint, die Gesundheitsfürsorge nicht den Eltern bzw. der Mutter zurückübertragen zu können, da dann eine Kindeswohlgefährdung drohe, dann können in dem Rechtsstreit um eben diese Frage die Eltern/die Mutter eben nicht auch die Interessen des Kindes vertreten.

Ebenso verfehlt ist die Annahme des KG, die vom Jugendamt eingesetzte Ergänzungspflegerin mache einen Verfahrensbeistand für das Kind "erst recht" obsolet, da sie die Interessen des Kindes praktisch mitvertrete: Dieser Erst-Recht-Schluss ist ein klassischer Fehlschluss. Denn in dem Rechtsstreit geht es ja gerade darum, ob die (umstrittene) Einschätzung der Ergänzungspflegerin zur richtigen Ausübung der Gesundheitsfürsorge eine Rückgabe der Gesundheitsfürsorge veranlasst. Nun kann  in einem Rechtsstreit nicht eine neutrale/unabhängige  Interessenvertretung des betr. Kindes von einem  oder von beiden Kontrahenten um die Gesundheitsfürsorge mit übernommen werden. Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.

Im Ergebnis hat das Kind überhaupt keine unabhängige Interessenvertretung in dieser für sein Leben enorm wichtigen Frage. Der Senat hat hier  die Bedeutung des rechtlichen Gehörs des betr. Kindes (vgl. dazu BVerfG NJW 2003, 3544) offenkundig nicht ernst genommen und sich über die Interessen des Kindes, die ja die Legitimation des gerichtlichen Tätigwerdens darstellen, einfach hinweggesetzt.

Update 04.04. :

Die taz hat am 03.04. eine Berichtigung zum ursprünglichen Artikel veröffentlicht.

 

Update 19.04.:

Heute hat die taz eine weitere Berichtigung veröffentlicht, die die frühere Berichtigung (vom 04.04.) ergänzt. Ich zitiere sie im vollen Wortlaut:

   In der taz war am 6. 2. 2012 in einem Interview mit der Berliner Antidiskriminierungsbeauftragten Eren Ünsal unter der Überschrift "Kein Ergebnis vorgeben" sowie am 26. 3. 2012 unter der Überschrift "Gegen die Angst vor Abweichung" über den Fall eines transsexuellen Kindes zu lesen, ein Jugendamt wolle dieses "in der Charité mit umstrittenen Therapiemethoden quasi umerziehen lassen", dass hierbei "die Berliner Charité ein Therapieverfahren anwendet, das Fachleute als manipulative ,Umpolungstherapie' ablehnen", bzw. wird eine Aktivistin zum Behandlungsansatz der Charité mit den Worten zitiert: "Der Leiter der Sexualmedizin, Klaus Beier, ist ein orthodoxer Psychoanalytiker, der sich an Konversionstherapien orientiert, mit denen früher Homosexuelle ,geheilt' werden sollten."

In diesem Zusammenhang hieß es in der taz auch: "Nun ist das aber genau das Verfahren [Homosexuelle umzupolen; Anm. d. Red.], das Herr Beier vorschlägt." Die Berliner Charité und Klaus Beier als Leiter des dortigen Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin erklären hierzu übereinstimmend, dass sie keines dieser Verfahren bzw. keine dieser Therapien anwenden. In dem taz-Interview vom 6. 2. 2012 und in einem unter der Überschrift "Viele erleben die Pubertät als Qual" am 28. 1. 2012 veröffentlichten Interview mit der Sexualmedizinerin und Psychoanalytikerin Hertha Richter-Appelt sowie in einem Artikel der taz vom 24. 3. 2012 unter der Überschrift "Alex zieht vor Gericht" heißt es ferner, Beier schreibe in seinen Empfehlungen für eine Therapie bzw. in dem Buch "Sexualmedizin", geschlechtskonformes Verhalten würde gelobt, das "biologische" Geschlecht nahegebracht und nichtkonformes bzw. geschlechtsatypisches Verhalten nicht beachtet bzw. (beiläufig) unterbunden.

Sofern sich hierdurch der Eindruck ergibt, er habe sich zu dem konkreten Fall des transsexuellen Kindes und unmittelbar gegenüber der taz auf diese Weise geäußert, ist dieser Eindruck unzutreffend. Den von der taz beschriebenen Fall kenne er nicht, erklärt Beier.

Gleichwohl war er einer von drei Verfassern des Buchs "Sexualmedizin. Grundlagen und Praxis", das zuletzt im Jahre 2005 in 2. Auflage veröffentlicht wurde. In einem namentlich nicht gekennzeichneten Abschnitt zum therapeutischen Vorgehen bei Geschlechtsidentitätsstörung heißt es dort: "Folgende psychotherapeutische Settings haben sich als hilfreich erwiesen […]: […] geschlechtskonforme Verhaltensangebote […] und adäquate Verhaltensweisen belohnt […]. Geschlechtsatypische Verhaltensweisen werden nicht beachtet bzw. - beiläufig - unterbunden (nicht jedoch sanktioniert)." Chefarzt Klaus Beier lässt dazu mitteilen, dass er diese Passage nicht selbst verfasst habe, sondern hierdurch lediglich die Position einer kanadischen Arbeitsgruppe wiedergegeben werde.

Leitete er noch am 12. 1. 2012 per E-Mail "einige Originalarbeiten zum Thema" von anderen Verfassern an die Autorin der taz weiter, ohne mitzuteilen, dass diese Aufsätze anscheinend nicht ausnahmslos seine eigene wissenschaftliche Auffassung wiedergeben, bezieht er sich nunmehr ausdrücklich nur noch auf eine Publikation im Deutschen Ärzteblatt aus dem Jahre 2008, in der das Vorgehen der Charité adäquat beschrieben werde.

Dagegen heißt es in einem anderen dieser insgesamt drei übersandten Fachaufsätze zur Behandlung von "Geschlechtsidentitätsstörungen bei Jungen" in Übersetzung: "Die spezifischen Ziele, die wir für Jungen haben, sind die Entwicklung eines positiven Verhältnisses zum Vater (oder einer Vaterfigur), positiver Beziehungen zu anderen Jungen, geschlechtstypischer Fähigkeiten und Verhaltensweisen, um sich in die Gruppe Gleichaltriger oder zumindest einen Teil von ihnen einzufügen und sich als Junge wohlzufühlen. […] Die Behandlung ist abgeschlossen, wenn der Junge regelmäßig die Gegenwart gleichgeschlechtlicher Freunde sucht und sein geschlechtsübergreifendes Verhalten weitgehend normal erscheint."

In den Artikeln der taz vom 24. 3. 2012 und vom 26. 3. 2012 war außerdem zu lesen, das transsexuelle Kind dürfe nun nach einer Entscheidung des Kammergerichts in die Psychiatrie bzw. in die Berliner Charité (zwangs)eingewiesen werden. Zutreffend ist jedoch, dass das Kammergericht die Beschwerde der Kindesmutter gegen einen erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg, mit dem sie erfolglos die Rückübertragung der Gesundheitssorge für das Kind begehrte, zurückgewiesen hatte.

Abgesehen davon, dass es für eine solche Maßnahme an einer entsprechenden gerichtlichen Entscheidung fehlt, erklärt die Berliner Charité hierzu ergänzend, weder dürfe noch werde sie das Kind gegen dessen erklärten Willen oder gegen den erklärten Willen seiner Mutter aufnehmen. DIE REDAKTION

 

20.04. Die KOMMENTARFUNKTION ZU DIESEM BEITRAG IST AUSGESCHALTET

 

28.05.: Andrea Beyerlein in der Berliner Zeitung berichtet über den Fall - Link.

26.06.: In der Spiegel-Printausgabe von dieser Woche (Heft Nr.26/2012, S. 134-137) schreibt Kerstin Kullmann über den Fall.

Dezember 2012: aus "gewöhnlich gut unterichteten Kreisen" erfährt man, dass der Streit beigelegt sei und im Sinne der Mutter des Kindes entschieden worden sei.

 

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542 Kommentare

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BadHairDays schrieb:

Vielleicht ist ein Blick über den Tellerrand gar nicht so verkehrt? In vielen Ländern sind Hormone (GnrH vermutlich auch, aber die sind um einiges teurer) tatsächlich rezeptfrei zugänglich und werden vielfach im Kindes- und Jugendalter genommen - ohne extreme, negative Konsequenzen.

Ein interessanter Gedanke. Der alte Kant meinte einmal, wer ein Buch an die Stelle seiner Verstandes setzt, einen Arzt an die Stelle seiner Gesundheitsfürsorge und einen Seelsorger anstelle seines Gewissens, der ist unmündig.

Die ganze Thematik Transidentität hat sehr viel zu tun mit Mündigkeit, Unmündigkeit und vor allen mit Entmündigung.

Ich kann nur den Kopf schütteln über die 'Guter Doktor - schlechter Doktor' - Geschichten, die man immer wieder liest. Der gute Doktor, der mich entmündigen will, ist ein schlechter Doktor - was ist daran so schwer zu verstehen?

Der alte Kant meinte jedenfalls, Unmündigkeit hätte etwas mit Feigheit zu tun.

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Das Kind ist 12 und lebt in Deutschland, im Jetzt.
Es braucht eine Diagnostik um nicht der Mutter und dem sozialen Umfeld entrissen zu werden.
Es braucht eine Diagnostik zur Klärung der TS um ggf. pubertätsverzögernde Mittel zu bekommen.

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Liebe Rea,

dann möchte ich doch ein wenig länger darauf antworten. Die Frage die sich doch stellt ist: Ist ein transsexuelles Kind geschlechtlich das, von was es sagt, dass es dies ist, oder ist es das nicht und ob es Möglichkeiten gibt, das von aussen festzustellen. Da es aber die Möglichkeit jemandem in sein Hirn zu schauen nicht gibt und zugleich die Definition dessen, was als "biologisches Geschlecht" ansgesehen wird, immer einer gesellschaftlichen Definition unterliegt (und diese Definitionen haben sich immer wieder geändert und werden sich auch immer wieder ändern) gibt wohl tatsächlich nur am Ende die Möglichkeit einem Kind sein Wissen über sein Geschlecht als wahr abzunehmen.

Problematisch wird es dann, wenn eine Gesellschaft dies nicht will/nicht kann, da dogmatische Pseudo-Biologische Vorstellungen von "Adam und Eva", ohne geschlechtliche Variationen mitzuberücksichtigen vorherrschen und somit z.B. Verfahren zur juristischen Anerkennung eines Menschen in erster Linie dazu da sind, zu regulieren, was eigentlich gar nicht zu regulieren ist: Die Anerkennung, das geschlechtliche Besonderheiten existieren.

Die rechtliche Zuordnung eines Menschen ist also immer das, was eine Gesellschaft will und hinkt somit der eigentlichen Realität hinterher - besonders dann, wenn Gesellschaften diese Regeln brauchen um nicht zugeben zu müssen, dass die Natur vielfältiger ist, als gerne angenommen. Milton Diamond, der Transsexualität für eine besondere Form der Intersexualität halt, meinte hier einmal dazu, dass die Natur vielfalt liebe, Gesellschaften aber nicht.

Und genau mit diesem Problem haben wir es zu tun: Ab wann ist eine Gesellschaft - und damit in Folge auch ein Rechtssystem - bereit einen Menschen als das anzuerkennen, was der Mensch IST. Da Aussenstehende nicht wissen, ob ein transsexueller Mensch tatsächlich geschlechtlich das ist, von dem er weiss, das er es ist kann niemand die Regel aufstellen, dass er es könnte. Was bleibt ist, einen Menschen als das anzuerkennen, was er über sich selbst äussert.

Jedem Menschenrechtler wird klar sein, was das bedeuten muss. Bevor ÜBER einen Menschen entschieden, gewertet, geurteilt wird, hat dieser das Recht auf Menschenwürde. Diese wohnt ihm von Natur an inne. Das heisst: Wenn ein transsexuelles Mädchen, wie das Berliner Kind äussert, dass es ein Mädchen ist, dann IST es eines (wie gesagt, sind die Pseudo-Biologisten bislang jeden Beweis schuldig geblieben, dass es keines ist - auch der Hinweis auf Chromosomen oder Genitalien ist nicht geeignet dazu, eine hundertprozentige Aussage über ein "'biologsiches Geschlecht" zu treffen, da Abweichungen von gesellschaftlichen biologistischen Normvorstellungen ja längst bekannt sind).

Genau dieses Menschenrecht zu respektieren ist auch bei Kindern angebracht. Auch Kinder haben Menschenrechte - was auch durch Menschenrechtsabkommen bekräftigt wird, und was - wenn man das Wesen der Menschenrechte begriffen hat, die immer vom Individuum ausgehen - ja auch logisch ist. Menschenrechtlich gesehen hat - zur Einhaltung der Menschenrechtsabkommen hat sich auch Deutschland verpflichtet - das Kind, das hier alle "Alex" nennen, das Menschen-Recht zu sagen, wer es ist. Dieses Menschenrecht wird aber vom deutschen Recht (und in vielen anderen Ländern ist es ähnlich) nicht anerkannt und so wird ein transsexuelles Mädchen in einem juristischen Fall nun immer als "Junge " bezeichnet werden, und nicht als das Mädchen, das es ist.

Die Verweigerung der rechtlichen Anerkennung führt nun zwangsläufig zu einer Kette kafkaesker Auswirkungen, wie z.B. der Frage, ob das Mädchen, das als "Biologischer Junge" betitelt wird, nun erstmal als "Junge heranwachsen" soll, oder ob man ihm die Chance gibt eine "weibliche Identität" auszuleben. Besonders dann, wenn hier die Verantwortlichen - was in Deutschland erstmal die Eltern sind - sich hier uneins sind, wird diese Uneinigkeit zu einem Problem. Denn dann wird derjenige, der nun die Gesundheitsfürsorge inne hat, immer so entscheiden, dass er das deutsche Recht auf seiner Seite, und die offizielle gesellschaftlich legitimierte Sichtweise auf seiner Seite hat. Die gesellschaftliche Übereinkunft wird bislang von Menschen aus den Sexualwissenschaften vorgegeben, die da ihren Finger drauf haben und sagen: Das ist ein "Biologischer Junge" (auch wenn diese Behauptung nie bewiesen wurde).

Diese Definition, die dann Namen trägt wie "Gender Identity Disorder" oder "Gender Dysphorie" thront dann über allem -> und in Folge davon wird einem Kind durch die Hüter der geschlechtlich-gesellschaftlichen Ordnung, eben der Sexologie, dann verhindert, dass ein transsexuelles Kind zuallererst einmal das Recht erhält juristisch überhaupt erst einmal in seinem eigenen Geschlecht anerkannt zu sein.

Wenn aber schon die Basis der Diskussion nicht stimmt, nämlich der Behauptung, ein transsexuelles Mädchen, sei ein "Biologischer Junge" und dieses Mädchen dann sogar vor Gericht als "biologischer Junge" angesehen wird, da dieses Mädchen keine Papiere besitzt, die es als es selbst ausweist, dann fangen die Probleme - wie man in dem Fall in Berlin sieht - an.

Die rechtlichen Folgen, sind nämlich je nach dem, ob ich einem Menschen sein Recht auf sein eigenes Geschlecht gewähre, oder nicht, völlig verschieden. Es macht einen riesigen Unterschied aus, ob jemand "Alex" rechtlich als Jungen oder als Mädchen ansieht. Hätte Alex in Deutschland das Recht auf geschlechtliche Anerkennung (Was ja durch die Sexologie verhindert wird, indem die deutschen Sexualwissenschaften nach wie vor an stereotypen Begutachtungsverfahren festhalten), dann erst würde sich nämlich auch die juristische Frage stellen: Kann man ein Mädchen dazu zwingen eine männliche Pubertät zu durchlaufen und ist es ethisch vertretbar, diesem Mädchen zu sagen "Schau erstmal das Du als Junge lebst" oder nicht? Heute ist die Frage in Deutschland anders herum. Da lautet diese nämlich: Kann man einem juristischen Jungen mit "Geschlechtsidentitätsstörung" Hormonblocker verschreiben oder nicht?

Da die Sexologie hier die Definitionsmacht hat, und uns keine Sexualwissenschaftler bekannt sind, die transsexuelle Mädchen nicht als "biologische Jungs" sehen (auch in Hamburg und Frankfurt gelten diese so), ist fraglich, ob die Sexualwissenschaften diesen Schritt Richtung Menschenrechte für Menschen mit geschlechtlichen Normabweichungen gehen können... bislang sieht es eben nicht so aus. Erst Proteste von transsexuellen Menschen haben die Diskussion um Menschenrechte überhaupt erst möglich gemacht.

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Ach ja: und man komme mir nicht damit, dass bestimmte Fachwissenschaftler nicht kritisiert werden dürfen, weil dann Alex nicht geholfen werden kann.

Erstens ist das inhaltlich Unsinn. Die Fachwissenschaftler in Hamburg und Frankfurt zum Beispiel würden Alex nach ihren Maßgaben untersuchen und behandeln, ganz gleich ob sie kritisiert werden oder nicht. Ich kritisiere sie, aber ich würde ihnen niemals unterstellen, sie würden das, was sie mit Alex tun würden, davon abhängig machen, dass man sie nicht kritisiert.

Zweitens wäre das unverantwortlich. Nicht nur, weil man uns dann zurecht vorwerfen könnte, wir argumentieren nur zum Schein, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Es wäre unredlich.

Drittens ist es in anderen Aktionsfeldern völlig normal, dass man einerseits das gesamte Thema ins Auge fasst und zu Schlüssen kommt, die vielleicht radikal wirken - Beispiel Biodiversität. Andererseits kümmert man sich selbstverständlich darum, was hier und heute vor Ort machbar ist. Das ist kein Widerspruch.

Und viertens halte ich es für in der Sache falsch und unethisch, ein unethisches Regime nicht im Ganzen zu kritisieren, sondern nur einige seiner Vertreter.

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Liebe Heidrun,

aus zeitlichen Gründen kann ich leider nicht gleich auf Ihren ganzen Beitrag (# 158) eingehen, weshalb ich mich zunächst auf die zweite Hälfte beschränken möchte.

Ich stimme Ihnen absolut zu: Das Stanford-Prison-Experiment ist in der Tat eine perfekt passende Schablone für das hiesige TSG-Regime. Daß die deutschen Sexualwissenschaftler, die am TSG mitgewirkt haben, nun ausgerechnet ein Behandlungs-Regime implementiert haben, daß perfekt in diese Schablone passt, obwohl ihnen die Forschungen von Zimbardo und Milgram möglicherweise bekannt waren, ist andererseits aber wenig erstaunlich. Die Erklärung hierfür liegt in der Gesamtstruktur der Psycho-Wissenschaften selbst, denn "die Psychologen" als homogene Einheit gibt es in der Realität gar nicht.

In den Psycho-Wissenschaften tummeln sich ganz viele verschiedene Disziplinen und Schulrichtungen, die sich zum Teil so grundsätzlich widersprechen, daß man sich dort auch ganz gerne mal gegenseitig "die Köppe einschlägt", wenn man - was häufig vorkommt - keinen "Konsens" findet. Da gibt es Psychiater, Psychologen, Psychoanalytiker, Sozialpsychologen... Ärztliche Psychotherapeuten, psychologische Psychotherapeuten... Freudianer, Jungianer, Kleinianer, Behavioristen und was sonst nicht noch alles. Nicht mal die Ausbildungen sind generell vergleichbar. Am Ende hat man dann einen bunten Salat von "Schulmeinungen", deren Anhänger den Anhängern anderer "Schulmeinungen" kaum weiter trauen, als sie sie werfen können. Vor diesem Hintergrund passiert es dann gerne mal, daß wichtige Erkenntnisse, die die eine "Schule" herausgefunden hat, von der anderen "Schule" kaum ernst genommen oder gar als "Unsinn" abgelehnt werden - einfach, weil diese Erkenntnisse nicht in das eigene Schuldenken hinein passen. Dieser "Schulenstreit", vor dessen Hintergrund schon viele wirklich wichtige Erkenntnisse viel zu lange unter den Tisch fielen (siehe z.B. die Anerkennung der pathogenen Wirkung von sexuellem Missbrauch im Kindesalter), durchzieht die Geschichte der Psycho-Wissenschaften wie ein roter Faden und wird erst seit ganz kurzer Zeit vor dem Hintergrund "integrativer Ansätze" langsam abgebaut.

Insofern ist es für mich auch nicht wirklich verwunderlich, daß die TSG-"Architekten", die ja primär psychoanalytisch orientiert sind und damit individualpsychologische Ansätze verfolgen, den Erkenntnissen von zwei Psychologen, die noch dazu situative Ansätze verfolgt haben, in Bezug auf das TSG-"Design" wenig Bedeutung beigemessen haben. Das ist (leider!) der "ganz normale Wahnsinn" der extrem heterogenen (und widersprüchlichen) Psycho-Wissenschaften, der am Ende immer zu Lasten derer geht, die zu Patienten gemacht werden.

Mit besten Grüßen

Frau S.

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Frau S. schrieb:

Ich stimme Ihnen absolut zu: Das Stanford-Prison-Experiment ist in der Tat eine perfekt passende Schablone für das hiesige TSG-Regime. Daß die deutschen Sexualwissenschaftler, die am TSG mitgewirkt haben, nun ausgerechnet ein Behandlungs-Regime implementiert haben, daß perfekt in diese Schablone passt, obwohl ihnen die Forschungen von Zimbardo und Milgram möglicherweise bekannt waren, ist andererseits aber wenig erstaunlich. Die Erklärung hierfür liegt in der Gesamtstruktur der Psycho-Wissenschaften selbst ..

 

Liebe Frau S.,

zunächst vielen herzlichen Dank für die kurze Darstellung der Verhältnisse und Zustände in den Psycho-Wissenschaften - stellen Sie sich bitte vor, wie eine Comic-Gedankenblase mit einem Ausrufezeichen darin über meinem Kopf erschienen ist.

Wenn ich Sie recht verstehe, haben die deutschen Fachwissenschaftler (Berliner Schule hin oder her) ein Behandlungs-Regime implementiert und führen es beinahe unverändert bis heute fort, für das ihnen hinsichtlich der Auswirkungen auf alle Beteiligten (transidente Menschen, Gutachter, Zwangs.Therapeuten, Juristen, öffentliche Bedienstete...) die Kompetenz fehlt. Das heißt, man hat da Leute an die Steuerhebel gelassen - ja, hat sie die Steuerhebel entwerfen lassen! - die keine Ahnung haben, was sie da angerichtet haben und weiter anrichten. Die 'Gefangenenwärter' des TSG-Regimes (Gutachter, Therapeuten) sowie Funktionäre innerhalb anderer Institutionen und Strukturen (Gerichte, Behörden, Krankenkassen), die sich gleichwohl in die Schablone einfügen und kräftig die Funktion des Regimes aufrecht erhalten, nehmen ununterbrochen Rekurs auf Leute, die nicht einmal die Implikationen von Milgrams Versuchsergebnissen zur Kenntnis nehmen.

Holla die Waldfee...

Da greift anscheinend genau das, was Zimbardo in seinen Texten erläutert - nämlich dass man die transidenten Menschen durch die 'Cover Story' des Regimes stumm gemacht und zu Anormalen erklärt hat, und darum die anderen Handelnden sich so brutal, dehumanisierend und grausam-selbstgerecht aufführen - eben wie Zimbardos "Wärter" und Milgrams Stromstöße verteilende "Lehrer". Das hat auf die deutschen Fachwissenschaftler übergegriffen wie Zimbardos Experiment damals auf ihn, nur im Gegensatz zu ihm konnten oder wollten sie das nicht sehen. Und schon lange (was sie von Milgram in zehn Minuten hätten lernen können) sind die 'exit costs' zu hoch, um aufzuhören, weil sie viel zu viele Stromstöße verteilt haben (auch tödliche ...) und für sie alles vom Weitermachen abhängt.

Bisher hatte ich keine wirklich gute Erklärung dafür, warum sie unerbittlich und schonungslos immer und immer weitermachen. Jetzt wird es mir allmählich klar. Danke, liebe Frau S..

Was ich gern wüßte: warum spielen die anderen Psycho-Wissenschaftler bei alledem die Drei Heiligen Affen, seit dreißig Jahren?

Beste Grüße

Heidrun

 

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Heidrun schrieb:
Was ich gern wüßte: warum spielen die anderen Psycho-Wissenschaftler bei alledem die Drei Heiligen Affen, seit dreißig Jahren?

Weil die das Thema meiden, als sei es die Pest. Das trifft auch auf Allgmeinmediziner zu, sobald etwas das Thema Sexualhormone streift, was besonders irritierend ist, da diese sehr viel Bedeutung im Gesamtkontext der Gesundheit haben. Oder auf Journalisten, die, wenn sie das Thema überhaupt angehen, auf Boullevard-Magazin Niveau bleiben und dass es bereits Menschenrechtsabmahnungen an Deutschland gab, finden sie im gegenzug eigentlich gar nicht.

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@ badhairdays:

D' accord, die Menschenrechtsabmahnungen waren nicht einmal Pressemeldungen wert. Die Liste der Jünger im Tempel der Drei Heiligen Affen lässt sich erweitern:

Deutsche Genderforschung, deutsche Sozialforschung, deutsche Gesellschaftswissenschaften. Wie ja bereits erwähnt ist die Charité eine gemeinsame Einrichtung zweier Universitäten, der Freien Universität Berlin und der Humboldt-Universität zu Berlin. Da gibt es jede Menge Institute, in deren Arbeitsfelder das Thema eigentlich fällt. Das gilt selbstverständlich auch für die anderen deutschen Universitäten.

Schweigen.

Ich habe meine liebe Not, Leuten außerhalb Deutschlands die Situation von Transmädchen und Transfrauen hierzulande begreiflich zu machen. Das TSG-Regime, einschließlich der Drei Heiligen Affen. (Unseren Peter dagegen scheinen die Leute überall zu kennen.) Sie wollen es anfangs alle nicht glauben. Auf kurz oder lang nehmen sie es dann zur Kenntnis. Der Kommentar, der dann regelmäßig kommt, lautet:

'barbaric'.

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Sehr geehrte Kim Schicklang,

Sie schreiben:

Jedem Menschenrechtler wird klar sein, was das bedeuten muss. Bevor ÜBER einen Menschen entschieden, gewertet, geurteilt wird, hat dieser das Recht auf Menschenwürde. Diese wohnt ihm von Natur an inne.

Das ist vollkommen richtig. Und ich sympathisiere mit allen, die sich für Menschenrechte einsetzen. Und ebenso bin ich der Ansicht, dass Kinder gehört und ernstgenommen werden müssen. Aber ich halte Ihre weiteren Ausführungen für simplifizierend:

Das heisst: Wenn ein transsexuelles Mädchen, wie das Berliner Kind äussert, dass es ein Mädchen ist, dann IST es eines (wie gesagt, sind die Pseudo-Biologisten bislang jeden Beweis schuldig geblieben, dass es keines ist - auch der Hinweis auf Chromosomen oder Genitalien ist nicht geeignet dazu, eine hundertprozentige Aussage über ein "'biologsiches Geschlecht" zu treffen, da Abweichungen von gesellschaftlichen biologistischen Normvorstellungen ja längst bekannt sind).

Diese Schlussfolgerung (wenn ein transsexuelles Mädchen äußert, dass es ein Mädchen ist, dann IST es eines) ist eine petitio principii: Ob es sich um ein transsexuelles Mädchen handelt, ist ja gerade die zu beantwortende Frage. Und Ihr Beleg, man könne "keine hundertprozentige Aussage" über ein biologisches Geschlecht treffen, ist zwar richtig, aber aus logischen Gründen kein Argument für Ihre These. Denn auch wenn eine 100%ige Einteilung nicht möglich ist, ist das kein hinreichender Grund, eine biologische Grundlage für die Geschlechtseinteilung zu leugnen.

Nach konstruktivistischen Vorstellungen (und so klingen Ihre Ausführungen, korrigieren Sie mich, wenn es nicht so ist)  ist es allein die das Individuum umgebende Gesellschaft (mit ihren Eltern, Lehrern, Ärzten, Sexologen), die hier überhaupt ein "Problem" produziert: Denn ohne wertende Umgebung würde jedes Kind eben das Geschlecht sein, was es nunmal  "ist"  - ohne den Blick auf Genitalien und Biologie. Die Gesellschaft sollte also auf eine "biologistische" Geschlechtseinteilung (die ja sowieso nicht zu 100% stimmt) ganz verzichten, denn schon darin liege der Menschenrechtsverstoß begründet, der sich in der Pathologisierung von "Abweichungen" fortsetze. Aber gerät man dann nicht auch in einen Widerspruch? Würde man nicht behaupten, ein Kind, dass seinen Körper irgendwie "falsch" empfindet, fühle etwas Falsches: Wenn es nämlich gar kein biologisches Geschlecht gibt, "darf" es sich nicht falsch fühlen. Sprechen Sie damit nicht dem Kind das Recht ab, etwas als Problem zu empfinden? Das Recht um Hilfe zu bitten? Und könnte darin nicht auch ein Menschenrechtsverstoß liegen? Können Sie für Pubertätsblocker, Hormone und korrigierende Operationen plädieren, ohne in einen Widerspruch zu geraten?  Der Widerspruch liegt darin, ein biologisches Problem zu leugnen, aber biologische Lösungen zu fordern.

Wenn Sie dies aber nicht in der Konsequenz fordern, also irgendwie anerkennnen, dass es ein Problem (biologischer, sozialer oder wie auch immer verursachter Art) gibt, dann frage ich mich allerdings, wie Sie die Forderung, jedem Kind in seiner "Äußerung"  zu folgen, konsistent begründen wollen. Denn dann taucht doch die Frage auf, wie man einem Kind die Entscheidung über sein Leben erleichtert, ohne gerade damit Fehler zu begehen. Wie wollen Sie die Gefahr vermeiden, in einer (unreifen) Kindesäußerung eine (reife) Erwachsenenäußerung zu lesen und damit (noch schlimmer)  jedem Erwachsenen die Möglichkeit zu geben, das herauszuhören, was er (der Erwachsene) heraushören will?

Ich denke, die Bemühung, die "Wahrheiit" herauszufinden, ob eine Kindesäußerung so ernst zu nehmen ist, dass man (massiv) in sein Leben eingreift oder (ebenso massiv) dies unterlässt, darf nicht von vornherein als "böse" und menschenrechtswidrig bezeichnet werden. Und diese Bemühung setzt Begriffsbildungen voraus. Ich stimme Ihnen zu, dass die Pathologisierung von Phänomenen ein falscher Weg ist und in die Irre führen kann (Psychiatrisierung von allen, die  nicht "normal" sind und irgendwie "stören"). Aber auch die Leugnung einer Problematik ist nicht die Antwort.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Ob es sich um ein transsexuelles Mädchen handelt, ist ja gerade die zu beantwortende Frage.

Letztlich aber lässt sich die Frage von "Aussen" ja gerade nicht beantworten. Die Diagnosekriterien nach DSM (und ICD) sind ja gerade deswegen so stereotyp, da hier versucht wird, aus Rollenverhalten, der Wahl des Spielzeugs, Spielkameraden und ähnlich gesellschaftlich geprägten Geschlechtsmerkmalen so etwas abzuleiten wie eine Aussage darüber, ob ein Kind eine "homosexuelle Entwicklung"* oder eine "transsexuelle Entwicklung"* nehmen wird (die Sexologie geht hier, und da gibt es bis auf wenige Ausnahmen keine Abweichung in der Sichtweise, davon aus, dass ein Mensch nicht homosexuell oder transsexuell IST, sondern dies erst WIRD, und streitet bis heute geschlechtliche Variationen, sei es im Zusammenhang mit der Orientierung, oder dem geschlechtlichen Selbstwissen, als naturgegeben ab. Nur am Rande hat dies ja auch gesellschaftliche Gründe, war doch genau die Widernatürlichkeitsthese geschlechtlicher Besonderheiten schon immer der Hebel um diese nicht anerkennen zu müssen).

Geht man nun aber davon aus, dass geschlechtliche Abweichungen (von einer gesellschaftlichen Geschlechternorm) existieren, diese aber nicht diagnostiziert werden können, da die Diagnosen nur auf Stereotypen aufbauen können, bleibt am Ende tatsächlich nichts anderes zurück, als einem Menschen in seiner Selbstaussage zu glauben. Eben auch einem Kind.

Quote:
Denn auch wenn eine 100%ige Einteilung nicht möglich ist, ist das kein hinreichender Grund, eine biologische Grundlage für die Geschlechtseinteilung zu leugnen.

Ich gehe davon aus, dass es sicher so etwas wie eine Biologie gibt, in deren Transsexualität als natürliche Variation (und auch eben andere geschlechtliche Normabweichungen) vorkommt.
Quote:

Denn ohne wertende Umgebung würde jedes Kind eben das Geschlecht sein, was es nunmal  "ist"  - ohne den Blick auf Genitalien und Biologie. Die Gesellschaft sollte also auf eine "biologistische" Geschlechtseinteilung (die ja sowieso nicht zu 100% stimmt) ganz verzichten, denn schon darin liege der Menschenrechtsverstoß begründet, der sich in der Pathologisierung von "Abweichungen" fortsetze. Aber gerät man dann nicht auch in einen Widerspruch? Würde man nicht behaupten, ein Kind, dass seinen Körper irgendwie "falsch" empfindet, fühle etwas Falsches: Wenn es nämlich gar kein biologisches Geschlecht gibt, "darf" es sich nicht falsch fühlen. Sprechen Sie damit nicht dem Kind das Recht ab, etwas als Problem zu empfinden? Das Recht um Hilfe zu bitten?

Transsexualität (wie auch Geschlecht) zu begreifen stellt, so glaube ich fest, die Anforderung an denjenigen, der sich damit beschäftigt, den Spagat zwischen Zweigeschlechtlichkeit und gleichzeitiger Vielfalt zu schaffen. Ich teile nicht die Ansicht derer, die glauben es gebe kein biologisches Geschlecht und damit auch keine Zweigeschlechtlichkeit. Aber: Ich teile auch nicht die Ansicht derer, die glauben, dass Geschlecht an einem Faktor festzumachen ist, oder alle geschlechtlichen Faktoren immer "auf der gleichen Seite" sein müssen. Vielfmehr denke ich - und seltsamerweise bestätigen das ja alle medizinischen Untersuchungen zum Thema (die Abweichungen sind ja alle längst bewiesen) - dass ein Mensch viele Zweigeschlechtlichkeiten in sich trägt, die sich alle unterschiedlich entwickeln können. Jeder Mensch besitzt als Embryo alle zwischengeschlechtlichen Anlagen - alle diese können sich unterschiedlich entwickeln. Ob sich ein Penis oder eine Klitoris entwickelt, ob die Chromosomen hier den Genitalien gegenüberstehen werden, ob die Gebärfähigkeit trotzt xy-Chromosomen gegeben ist, usw. ist etwas, was von vielen Faktoren abhängig ist - am Ende aber wird, wenn ein Mensch geboren wird, bei dem hier die Entwicklung quasi "verdreht" abgelaufen ist, intuitiv wissen, dass hier eine solche Gegenübergeschlechtlichkeit existiert.

Magnus Hirschfeld hat in den 20er-Jahren aus diesem Grunde Entgegengeschlechtlichkeit "Transsexualität" genannt. In den 30er-Jahren hatte eine Gruppe von Politikern und die deutsche Gesellschaft wenig Interesse an diesen Forschungen und ein Teil der Propaganda in dieser Zeit war es, zu behaupten, dass geschlechtliche Abweichungen "widernatürlich" wären. So ging man in den 30er-Jahren davon aus, dass geschlechtliche Abweichungen heilbar wären (durch Drill und Erziehung).

Heute zeigt sich, dass es diese geschlechtlichen Normabweichungen gibt, da sich immer mehr Menschen, deren geschlechtliche Existenz immer noch geleugnet wird, dagegen zur Wehr setzen. Dass die Existenz von beispielsweise transsexuellen Menschen noch heute geleugnet wird, zeigt sich dann gerade in der Behauptung Transsexualität wäre keine per se vorhandene Gegengeschlechtlichkeit, sondern in der Falschübersetzung als "Geschlechtsumwandlung" und der These des geschlechtlichen Gewordenseins transsexueller Menschen (als, so wie die Psychoanalyse noch heute behauptet, Endstrecke einer gewissen psychischen Entwicklung, einer behaupteten und nie bewiesenen "Geschlechtsidentitätsstörung").

Um wieder etwas konkreter zu werden: Natürlich kann ein Mädchen, dass mit entgegengeschlechtlichen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden von seiner Besonderheit wissen. Diese Besonderheit rechtlich anzuerkennen (was heute in Deutschland ja noch nicht so ist, da ein transsexueller Mensch seine rechtliche Anerkennung ja nicht umgehend erhält, wenn er sie wünscht) würde erst einmal bedeuten, dass transsexuelle (entgegengeschlechtliche) Menschen damit als existent angesehen würden. Daraus ergäbe sich dann zwar nicht unbedingt eine Linderung des Leids das sich u.U. aus der Transsexualität ergibt, aber eine Linderung des Leids, das sich aus der Psychopathologisierung einer Medizin ergibt, die transsexuelle Menschen bis heute als nicht-existen erachtet.

Im Falle des Mädchens aus Berlin hiesse das, dass ihre Behandlung dann nicht "geschlechtlich überladen" wäre, sondern ihr Geschlecht anerkannt wäre. Die medizinsiche Behandlung wäre dann eine, die ohne geschlechtliche Fremdbestimmung auskommen würde. Dann würde es nämlich nur darum gehen, ab wann welche Hormone sinnvoll wären und man würde sich um Hormone unterhalten (und nicht über die geschlechtliche Verknüpfung, die heute noch üblich ist)... dann würde man sich bei jedem medizinischen Schritt nur über den medizinischen Schritt unterhalten. Und das wäre ein gewaltiger Fortschritt. Dieser wird leider von deutschen Sexologen bislang verhindert.

5

Henning Ernst Müller schrieb:

Der Widerspruch liegt darin, ein biologisches Problem zu leugnen, aber biologische Lösungen zu fordern.

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

betrachten Sie dies bitte als eine Art Vorab-Antwort, von einigen Aspekten, die hier von Bedeutung sind, verstehen andere hier mehr als ich.

Die Leugnung des biologischen Problems:

Hier geht es nicht um Konstruktivismus. Die (frühere) Frauen- und derzeitige Genderforschung, aber auch andere wissenschaftliche Disziplinen haben sich begreiflicherweise mit der Geschlechterordnung in der westlichen Kultur intensiv befasst.

Hier greifen zwei Probleme ineinander.

Das erste Problem ist die Einschreibung der Geschlechterordnung in die Natur ab dem 17. Jahrhundert, die durch den Fall des mittelalterlichen Ordo notwendig geworden war: es war nicht mehr möglich, hier auf den offenbarten Willen Gottes zu rekurrieren.  Sie werden feststellen, dass hinsichtlich der Geschlechterordnung die wissenschaftliche Wahrheit (die ja jetzt von der Natur spricht!) sowohl vor dem Entstehen der Biologie (19.Jh.) als auch danach von Brüchen und Paradigmenwechseln geprägt ist. Aber die jeweilge Wahrheit wird mit einer Vielzahl staatlicher Ordungsmaßnahmen durchgesetzt, die sich auf diese Wahrheit berufen. Medizin und Psychiatrie, später Psychologie und Sexologie, spielen hierbei entscheidende Rollen. Wenn zum Beispiel im Entwurf des DSM-5 'geschlechtsatypisches Spielen' ein Krankheitssymptom (!) ist, dann liegt in diesem Zusammenhang durchaus eine Berufung auf die Natur vor - die Natur, deren Exeget in diiesem Fall Kenneth J. Zucker ist. In dieser Zucker' schen Natur gibt es natürliches/gesundes und widernatürlich/pathologisches Spielen, das die natürlich-biologische (!) Geschlechterordnung wiederspiegelt.

Das zweite Problem ist das für die abendländische Kultur charakteristische Postulat 'der Frau' als Sonder-Wesen. Der vermutlich älteste Text dieser Kultur, Hesiods Theogonie, zeigt das in aller Deutlichkeit. Die Geschlechterordnung wurde durchgängig vom Mann als 'eigentlichem Menschen' aus gedacht, wahr-gesprochen und durch Dispositive durchgesetzt.

Zur Einführung:

Klinger, Cornelia: Beredtes Schweigen und verschwiegenes Sprechen: Genus im Diskurs der Philosophie. In: Bußmann, H., Hof., R. (Hrsg): Genus - zur Geschlechterdifferenz in den Kulturwissenschaften, Stuttgart 1995

Das Ganze ist ein bisschen komplexer als Biologie versus Konstruktivismus.

Beachten Sie bitte in diesem Zusammenhang die von mir zitierte Äußerung der deutschen Fachwissenschaftlerin Sophinette Becker hinsichtlich des von ihr klar ausgesprochenen Ziels der deutschen Behandlungsstandards, an denen sie wesentlich mitgewirkt hat.

Es geht keineswegs darum, zu behaupten, dass es 'in Wirklichkeit' kein Geschlecht und keine Frauen gibt. Es geht vielmehr darum, dass Biologie politisch ist, und zwar intrinsisch.

Die biologische Lösung:

Schon in der Antike war zweifelsfrei klar, dass der Arzt sich zwar der (wie damals definierten) Kräfte der Natur bedient, dass er aber etwas spezifisch Menschliches tut und ein Mensch sein muss. Platon und Aristoteles hätten Sie darauf hingewiesen, dass Tiere keine Ärzte haben oder sind. Medizin ist immer künstlich, wie das Rad, Kleidung und gekochte Mahlzeiten.

Nebenbei bemerkt mussten Ärte ihre freien Patienten von der vorgeschlagenen Diagnose und Therapie überzeugen, nur der Sklavenarzt konnte anordnen - ein Hinweis hinsichtlich des TSG-Regimes.

Als es medizinisch möglich wurde, Menschen von Buckeln und Gesichtsentstellungen zu befreien, wurde das auch durchgeführt, anstatt 'natürliche' Bucklige und Entstellte zu postulieren und diese Menschen zu zwingen, mit ihren Entstellungen unter einem Sonder-Regime für Anormale zu leben. Der Grund bestand nicht nur in utilitaristischen Produktivitätskalkülen, um Arbeitsleistung zu optimieren. Er bestand - zum Glück für die Betroffenen - auch darin, dass die Vorstellung vom gesunden Menschen das Nichtvorhandensein von Buckel und Gesichtsentstellung einschloss.

Ebenso geht die deutsche Fachwissenschaft hinsichtlich Transidentität von einem spezifischen Postulat des gesunden Menschen aus. Es ist ausschließlich derjenige, der sich in die Geschlechterordnung fügt und sich mit seinem Hebammen-Geschlecht identifiziert. Hier wird das Medizinische politisch. Was ist die 'richtige' medizinische Intervention bei Transidentität, definiert als psychische Störung? Entmündigung, Stigmatisierung, Unterwerfung unter ein Regime, dassen Schablone das Stanford Prison Experiment ist. Und wie Kim Schicklang nicht müde wird darzulegen: eine Transfrau ist unter dem TSG ein geistesgestörter Mann.

Der medizinische Eingriff oder Nicht-Eingriff ist also nicht einfach eine biologische Lösung.

Nun kann man einwenden, dass zum Beispiel Pubertätsblocker auf den Körper einwirken. In diesem Zusammenhang vermisse ich dann den vehementen Aufschrei gegen Kinderarmut unter Hartz iV, der sich zweifelsfrei auf die Körper von Kindern auswirkt. Ich vermisse den Aufschrei gegen um sich greifende gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die sich auf Kinder von Menschen mit Migrationshintergrund traumatisierend auswirken kann. Es ist faszinierend zu beobachten, wovor Kinder in Deutschland 'geschützt' werden müssen und wovor nicht. Zum Beispiel vor Einflüssen, die 'geschlechtsatypisches Spielen' 'induzieren'.

Selbstverständlich - ungeachtet der Tatsache, dass das TSG-Regime auch Erwachsene entmündigt, muss  immer berücksichtigt werden, dass ein Kind ein Kind ist. Ich pflichte Ihnen bei, dem Kind muss jedes Empfinden zugestanden werden, und dieses Empfinden muss ernst genommen werden. Ich gehe noch weiter und sage, dass dem Kind ein Wissen über sich zugestanden werden muss. Vor dem Berliner Kammergericht ist Alex nicht einmal gehört worden. Das TSG-Regime ist in die Rechtsprechung eingedrungen, nicht nur in diesem Fall, sondern in jedem einzelnen Fall, in dem es um Transidentität geht. Die betreffenden Gesetze sind zusammen mit den Lehrmeinungen der deutschen Fachwissenschaft die Eckpfeiler des Regimes, die deutschen Fachwissenschaftler haben aktiv diese Gesetze mitgestaltet. Man kann doch nicht so tun, als ob das nicht so wäre.

Jede Entscheidung, die diiesem Kontext nicht Rechnung trägt, kann weder Alex noch irgend einem anderen transidenten Kind gerecht werden.

Selbstverständlich muss hier ein sorgfältiges Abwägen stattfinden, dem ich - glauben Sie mir bitte - bestimmt nicht vorgreifen möchte. Ich maße mir nicht an, zu wissen, was für Alex das Beste ist. Dennoch kann ich folgendes sagen: unkritischer Rekurs auf deutsche Fachwissenschaftler ist es ganz gewiss nicht.

 

4

Hallo,

ich glaube noch keine_r hat folgenden Artikel verlinkt; am Donnerstag gab es ein Interview zu Alex mit "Marion Böker" ... "Sie ist Beraterin für Menschenrechte und Genderfragen und unterstützt Alex und ihre Mutter im Sorgerechtsstreit mit der Berliner Justiz."

 

http://jungle-world.com/artikel/2012/14/45205.html

 

u.a. wir darin gesagt:

"Vorerst wird ihr Anwalt mit einer Anhörungsrüge verlangen, dass Mutter und Tochter selbst in dem Fall noch einmal anzuhören sind. Sollte dies keine Wendung bringen, geht der nächste Schritt zum Bundesverfassungsgericht."

 

Nochmals an Herrn Müller zu Verständnis:

Wie läuft so eine Anhörungsrüge ab? Schreibt der Anwalt an einen Vorgesetzten des Richters des KG oder an irgendeine Instanz und sagt: Das Kind wurde nicht angehört. ?

 

 

Grüße

Arno

5

Liebe_r Aktive_r,

Hammarbarg rekurriert z.B. auf folgende Studie:

http://www.glen.ie/attachments/432630f4-fb63-469f-b614-f6f60df44995.PDF

Maycock, Bryan, Carr, Kitching: Supporting LGTB lives. A study of the mental health and well-being of lesbian, gay, bisexual and transgernder people, 2009

Relevant: S. 95 ff.

"Over a quarter of those who identified as transgender indicated that they had attempted suicide at least once, most of whom [...] had tried to take their lives on more than one occasion.'

"Statistically significant associations were found between lifetime suicidal ideation (having ever seriously thought of ending one's life) and having been verbally insulted [...], physically threatened [...] or sexually assaulted [...] such that the more frequently  one had experienced these forms of victimisation, the more likely they were to have ever thought about ending their own life."

"Higher levels of self-esteem [...] were associtated with fewer thoughts about ending one's life [...]."

"Existing research suggests that negative constructions of LGTB lives impact on people's ability to form a positive self identity [...]."

" A majority who tried to take their own life on more than one occasion (69%) perceived their latest suicide attempt as related to the challenges asociated to their LGTB identification [...]."

"Narratives of self-harm, depression and suicidality were often tinged with feelings of disconnectedness from family and peers, social isolation, loneliness or aloneness, compounded by feelings of lack of self-worth and self-loathing. These emotions were often linked to the internalisation of discrimination, victimisation and/or heteronormative expectations about what constitutes a 'normal life' in society at large. "

https://wcd.coe.int/ViewDoc.jsp?id=1476365

Human rights and gener identity. Issue paper by Thomes Hammarberg, Council of Europe Commissioner for Human rights, 2009

"In addition, access to gender reassignment surgery is further
complicated  or  conditioned  by  so-called  ‘‘protocols’’  and
conditions   regarding   childhood,   sexual   orientation,   or
clothing  tastes,  which  are  highly  questionable.  There  are
accounts  of  transgender  people  having  to  undergo  genital
examinations  by  psychiatrists,  having  to  tell  a  set  story  of
their childhood which is the only acceptable one; sometimes
their claims are only considered genuine if they have at least
one  proven  suicide  attempt.  Other  transgender  persons  are
being forced to stereotype themselves to the extreme in their
preferred gender to fit eligibility criteria, leading to ridicule in
daily life. The examples are too numerous to list, but it is safe
to state that the majority of tests and processes conducted in
most countries will usually include aspects that can at best be
called incomprehensible."

"Forty-one  percent  of  female-to-male  and  16%  of  male-
to-female  teenagers  experienced  serious  insults  by  their
family, to the point that 20% of female-to-male people were
disinherited  and  cut  off  from  their  family  entirely.  When
people notice at an early age that they identify more closely
with the opposite gender and express the wish to become a
girl  or  boy,  there  is  very  little  proper  counselling  and  few
support networks available for these transgender youth and
their parents. Transgender children and youth, therefore, face
problems in seeking information, support or treatment. It is
in the best interest of the child to receive such information
and support, since silence and ignoring their problems only
leads to exclusion, self-hatred, bullying, failure in school and
exceptionally  high  suicide  rates  among  transgender  youth.
In  France,  research  shows  that  34%  of  transgender  youth
attempted  suicide  before  having  access  to  information  and
treatment. Under international human rights law transgender
children  have  the  right  to  access  appropriate  information,
support and necessary protection. This was confirmed by the
Committee  on  the  rights  of  the  Child  which  recommended
states  provide  ‘‘adequate  information  and  support  to 
(…)
transsexual young people (...)”"

4

http://www.lsc-sf.org/wp-content/uploads/bestpracticeslgbtyouth.pdf

Best Practice Guide der Child Welfare League of America

"Agency policies should prohibit the caregivers or providers from
forcing youth to undergo reparative therapy in an attempt to cure
them of their same-sex attraction or gender nonconformity. [...] Permitting or condoning any of these practices sends a message to
LGBT youth that they are deviant, immoral, or mentally ill.
These practices
also violate the legal obligation of child welfare and juvenile justice
agencies to ensure the safety of LGBT youth in their care and to treat them
fairly and equally."

"LGBT youth commonly experience chronic stress related to harassment, the
need for vigilance to protect against discrimination and abuse, coming out to
family and friends, and having one’s sexual orientation discovered (Ryan &
Futterman, 1997). Chronic stress can lead to increased levels of depression and
anxiety. Several studies, including population-based studies, indicate a higher
risk of suicide ideation and attempts among lesbian, gay, and bisexual youth,
compared with their heterosexual peers (see, for example, Garofalo, Wolf,
Kessel, Palfrey, & DuRant, 1998). LGBT youth are also at risk for inappropriate
mental health treatment
, including misdiagnosis of gender identity disorder,
involuntary institutionalization, and reparative therapy or other interventions
designed to change their sexual orientation or gender identity. During the past
several years, reparative therapy has been increasingly promoted by conservative
groups, although the major professional associations caution against its
use
to try to change an individual’s sexual orientation (see American Academy
of Pediatrics, 1993; American Psychiatric Association, 1998). In 1993, the American Academy of Pediatrics (1993) issued a Policy Statement on Homosexuality and Adolescence stating that “therapy directed specifically at changing sexual orientation is contraindicated, since it can provoke guilt and anxiety while having little or no potential for achieving changes in orientation” (p. 633). In 1998, the American
Psychiatric Association released a policy statement asserting that it “opposes any psychiatric treatment, such as ‘reparative’ or ‘conversion’ therapy which is based upon the assumption that homosexuality per se is a mental disorder or based upon a prior assumption that the patient should change his/her homosexual orientation” (p. 1), and in 2000, the association determined that “‘reparative’ therapists have not produced any rigorous scientific research to substantiate their claims of cure” (p. 1). Also in 1997, the American Psychological Association (APA) issued the Resolution on
Appropriate Therapeutic Responses to Sexual Orientation, stating, “The APA opposes portrayals of lesbian, gay, bisexual youth and adults as mentally ill due to their sexual orientation and supports the dissemination of accurate information about
sexual orientation, and mental health, and appropriate interventions in order to counter bias that is based in ignorance or unfounded beliefs about sexual orientation.”
and juvenile justice agencies should not employ or contract with mental
health providers who engage in reparative therapy or other interventions
designed to change a young person’s sexual orientation or gender identity."

4

http://familyproject.sfsu.edu/files/FAP_Family%20Acceptance_JCAPN.pdf

Family Acceptance in Adolescence and the Health of LGTB Young Adults

Journal of Child and Adolescent Psychiatric Nursing, Volume 23,
Number 4, pp. 205–213, 2010

oder: Alex' Mutter tut das Richtige

 

"Second, we find that family acceptance in adolescence is
associated with young adult positive health outcomes (selfesteem,
social support, and general health) and is protective
for negative health outcomes (depression, substance abuse,
and suicidal ideation and attempts)
. [...].The lasting influence of accepting family comments, attitudes,behaviors, and interactions related to the adolescent’s
LGBT identity clearly applies to personal emotional and
physical states.
[...]
Third, our results show that the influence of family acceptance
persists, even after control for background characteristics.
Further, we find associations between background
characteristics and young adult mental health and physical
health that warrant further investigation. Independent
of levels of family acceptance, transgender young adults
reported lower social support and general health. While
these specific findings have not been previously reported to
our knowledge, they are consistent with the limited existing
research that identifies transgender adolescents as a group at
high risk for compromised health
(Garofalo, Deleon, Osmer,
Doll, & Harper, 2006)."

4

Ein "nein" bedeutet zumindest die gleiche Verantwortung wie ein "ja"

 

Sehr geehrte Herr Prof. Müller und alle andere,

 

vielen Dank Ihnen (oder Euch) allen, für das Engagement. Vielen Dank auch an Heidrun für sehr wichtige Zitate welche die Lage der transidenten Teenager auch klar stellen.

 

Den grundsätzlichen Trugschluss, welchen ich bei vielen erkenne, erkläre ich folgendermaßen:

Die medizinischen Maßnahmen welche Transidentität im Teenagealter verlangt, können schon sogar als "massiver Eingriff" verstanden werden. Das kann man verstehen.

Es ist aber schon ein wörtlich gewaltiger Schritt der Fachmenschen und allen anderen Vollmächtigen, aus eigener Überzeugung und gesetzlicher Bevollmächtigung die Verantwortung an sich übernehmen, über die Gesundheit und Leben der transidenten Kinder und Jugendlichen selber zu entscheiden, auch entgegen den Willen des betreffenden Kindes oder sogar Jugendlichen. Bei einer dermaßen gewaltigen Vorgehensweise müssen diese Menschen einfach diese eigenwillig übernommene Verantwortung voll akzeptieren und dürfen nicht wie bislang von ihr bei gravierenden Fehlgriffen wegrennen.

 

Deswegen muss man als Experte, welcher Entscheidungen von einem Kind übernehmen will, und ihm sogar, wie manche es tun, verbietet über sich selbst zu entscheiden, überlegen, was "verantwortbar" ist, wie wörtlich manche sagen. Wenn die Ärzte sich selber diese Bevollmächtigung zusprechen, da sie sich als Experten für Transidentität begreifen, und die Kindes und sogar die Meinung einer/s Jugendlichen für minderwertig halten, um über Entwicklungen in seinem Leben entscheiden zu können, dann müsste allen klar sein, dass diese übernommene, sogar entzogene Vollmacht über gravierende Fragen, gleichzeitig und untrennbar eine zu große Verantwortung bedeutet.

Eine Verantwortung liegt darin, die Kindes Psyche und Persönlichkeit gründlich kennen zu lernen, und eine allumfassende Anamnese und Heteroanamnese zu nehmen. Eine Verantwortung liegt darin, das Kind eine Weile zu begleiten, und bei Bedarf in einem Alter ab 12. Geburtstag, Hromontherapie beginnen zu können, nur wenn das Kind selbst auch diese Maßnahmen für absolut notwendig hällt und verzweifelt danach verlangt. Die Verantwortung für diese Begleitung und Behandlung ist groß, aber dennoch kleiner als die den Kindes Bedürfnissen und sogar den Jugendlichen Bedürfnissen entgegengesetzte Entscheidung, welche dementsprechend noch größere Verantwortung mit sich bringt.

Eine Verantwortung, welcher anscheinend ganz viele Menschen nicht bewusst sind, liegt darin, die Verantwortung für die Konsequenzen, wenn man "ja" sagt zu tragen, aber zumindest genauso, sogar noch mehr, zu der Verantwortung stehen zu müssen, wenn man als bevollmächtigter Experte "nein" sagt!

Den Experten stehen diese Verantwortungen zu, sowohl wenn sie "ja", als auch wenn sie "nein!" sagen, für alle, daraus folgende Konsequenzen.

Es kann beobachtet werden, wie in der ganzen Geschichte der Behandlung der Transidentität, niemals die Verantwortung für das "nein" getragen wurde seitens medizinischen Behandlern, welche sich gleichermaßen Vollmacht über Betroffenen zusprechen und deswegen ihnen diese Verantwortung absolut berechtigt zu lasten oder gunsten gelegt wird. Ferner wird ausschließlich argumentiert mit Spekulationen, welche schädliche Folgen ein "ja" beim Jugendlichen haben könnte, ob es möglich wäre, dass später eventuell einmal eine Unzufriedenheit mit dem "neuen" genitalen Geschlecht aufkommt, und das wird als schlimmste Konsequenz verkannt, während sich die transidenten Kinder und Jugendlichen auf der ganzen Welt, wegen einem zu oft auferlegten "nein" zu ihren Bedürfnissen, in der Stille der fehlenden Interessen und Überlegungen der Öffentlichkeit, umbringen. Ferner habe ich in meinen vorigen Beiträgen einige der Dauerfolgen eines erzwungenen Durchtreibens durch biologische Pubertät für die betroffenen Frauen genannt. Für diese und andere Konsequenzen sind die anhand ihrer Bevollmächtigung Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen worden. Zunächst wurde und wird über Kinder und Jugendlichen auch gegen ihren Willen entschieden, dann werden sie gelassen, mit allen Lebensqualität zerstörenden Folgen dieser Entscheidungen selber zu leben, und das wenn sie sich schon früher nicht getötet haben wel sie diese Gewalt nicht ertragen konnten.

 

Die Tragödien der zu Selbstmord gezwungenen Kinder und Jugendlichen definieren, in wie fern die Sorge und medizinische Behandlung transidenter Kinder und Jugendlichen extrem schief und tragisch unverhältnismäßig begriffen und vorgenommen wird.

 

Und nochmals, wir bestehen auf Klarheit über Zwangseinweisungen wegen Transidentität, und über sogar eventuelle tödliche Folgen!

 

 

5

Maja schrieb:

Und nochmals, wir bestehen auf Klarheit über Zwangseinweisungen wegen Transidentität, und über sogar eventuelle tödliche Folgen!

 

Hallo Maja,

hallo Andere,

 

meines Wissens nach ist eine Zwangseinweisung "nur" wegen Transidentität nicht möglich. Denn es besteht aufgrund TI keine akute Gefahr für Leib und Leben. Nur in Verbindung mit z. B. Suizidgefährdung, Psychosen, schwere depressive Erkrankung u. ä., die möglicherweise durch eben die Transidentität ausgelöst wurden bzw. mit ihr in Verbindung stehen, kann es zu einer gerichtlich verfügten Einweisung in eine geschlossene Psychiatrie kommen. Ansonsten reicht generell, sofern eine Behandlung überhaupt notwendig ist, eine ambulante medizinisch-psychologische Betreuung.

 

Das Kammergericht Berlin (also genau dasselbe Gericht wie jetzt 2012!) hat im Jahr 2008 auch entschieden, dass für Alex eine ambulante Betreuung völlig ausreichend und angemessen ist. Genau aus diesem Grund heraus wird meiner Meinung nach von der Ergänzungspflegerin jetzt die Suizidgefahr Alexandras unterstellt. Denn anderweitig, dass wird die Pflegerin wissen, bekommt sie das Kind zwangsweise niemals in eine geschlossene Psychiatrie.

 

Gruß

Kira-Bianca

 

P.S. Zahlen über mögliche Todesfälle durch anschließenden Suizid bei stationärer "Behandlung" transidenter Menschen werden wohl kaum zu ermitteln sein. Denn die Todesfälle werden alle in die große Kiste "Selbsttötung aufgrund schwer depressiver Erkrankung oder ähnliches" gekommen sein, weil ein Nachweis nicht zu erbringen ist, dass sie eventuell aufgrund einer während der Behandlung erfolgten "Gehirnwäsche" nach Vorbild der Jugendwerkhöfe (Margot Honeckers Kinderheime) der damaligen DDR erfolgten. Und viele Suizide transidenter Menschen sind ja leider auch mit sinnvoller Therapie nicht zu verhindern.

Kira-Bianca Hinz schrieb:

 

Zahlen über mögliche Todesfälle durch anschließenden Suizid bei stationärer "Behandlung" transidenter Menschen werden wohl kaum zu ermitteln sein.

Dafür gibt es noch einen weiteren Grund. Kliniken, Therapeuten und Gutachter können mit Klage und kostenpflichtiger Abmahnung drohen, wenn transidente Menschen oder deren Angehörige Anstalten machen, sich über sie zu beschweren und dies ggf. öffentlich zu machen. Da trasidente Menschen in Deutschland durch das TSG-Regime ins soziale Abseits getrieben werden, können sie allein durch Androhung der kostenpflichtigen Abmahnung stumm gemacht werden. Das ist durchaus Bestandteil des Regimes.

Unsichtbarkeit ist ein Faktor, der in den Studien eine Rolle spielt, die ich oben kurz zitiert habe. Den Autor_innen ist das durchaus klar, es ist ein Problem für sie, da ihre Arbeitsweise verlässliche Zahlen voraussetzt, und sie prechen dieses Problem auch an.

Die Unsichtbarkeit in Deutschland ist mit Sicherheit wesentlich ausgeprägter. Der Stand der öffentlichen Diskussion in Deutschland im Gegensatz zu den englischsprachigen Ländern ist beinahe überdeutlich. Das zeigen allein diese wenigen Studien, die natürlich Literaturlisten haben und andere wissenschaftliche Arbeiten einbeziehen. Solche Arbeiten gibt es in Deutschland meines Wissens überhaupt nicht -  das Schweigen der anderen Wissenschaftler. Es ist außerdem interessant, wie sowohl die Best Practice Guidelines als auch die Studie zu den positiven Effekten familiärer Unterstützung für transidente Kinder - ganz selbstverständlich - davon ausgehen, dass es sie gibt und dass es sich nicht um 'Gestörte' handelt, die man kurieren muss. Wer wußte denn in Deutschland vor dem Fall Alex überhaupt davon?

Anderswo mögen es Vertreter von Psycho-Wissenschaften gar nicht, wenn bestimmte 'Fachwissenschaftler' für Transidentität (auf  die deutsche Fachwissenschaftler als seriöse Quellen rekurrieren !) ihren Berufsstand in Verruf bringen:

http://ai.eecs.umich.edu/people/conway/TS/Reviews/Psychology%20Perverted...

bezugnehmend auf das hier:

http://ai.eecs.umich.edu/people/conway/TS/Reviews/Psychology%20Perverted...

Sogar auf deutsch, aber bezeichnenderweise ein US-amerikanischer Artikel einer Professorin, die eine Transfrau ist - Stand 2004 in den USA.

So etwa gibt es hier nicht. Dank dem TSG-Regime.

Fände sich jemand aus den Psycho-Berufen, die/der die Thesen zum Suizid transidenter Jugendlicher aus diesen wenigen Studien mit den deutschen Behandlungsstandards in Korrelation bringt, wäre das Ergebnis verheerend. Einweisung und reparative Therapie können wissenschaftlich ebenso in diesem Zusammenhang besprochen werden. Das wäre ein anderer Weg - der vielleicht auch die überlebenden Betroffenen aus ihren Verstecken locken könnte, wenn ihnen seitens der Wissenschaftler, die die Untersuchung durchführen, Diskretion zugesichert wird.

Dann hätte man mittelfristig auch Zahlen.

Für Alex tickt die Uhr. Ihr wäre schon mit einer Vorab-Veröffentlichung von Arbeitsthesen einer solchen Untersuchung geholfen.

Aber wird jemand das oder etwas Vergleichbares tun?

 

5

Ein paar kurze Antworten vor meinem Osterurlaub:

 

Sehr geehrte Kim Schicklang,

ich habe nach Ihrer Antwort besser verstanden, worum es Ihnen geht. Aber ich habe dennoch eine Nachfrage: Wenn es nämlich biologisch nicht zwei Geschlechter (und einige Ausnahmen), sondern quasi ein Kontinuum von Zwischen-Geschlechtern gibt, dann erscheint  mir die Verlässlichkeit einer kindlichen Äußerung noch weniger gewährleistet: Wie soll das Kind wissen, auf welchem Ort dieses Kontinuums es sich befindet? Und leider haben Sie meinen  Eindruck, es solle ein bestimmtes Kind nach einer Ferndiagnose gegen das "TSG-Regime" in Stellung gebracht werden, nicht so ganz entkräftet.

 

Sehr geehrter Heidrun,

mit Ihrer Antwort gehe ich weitgehend konform. 

 

Sehr geehrter Arno,

Sie fragen:

Wie läuft so eine Anhörungsrüge ab? Schreibt der Anwalt an einen Vorgesetzten des Richters des KG oder an irgendeine Instanz und sagt: Das Kind wurde nicht angehört. ?

Die Anhörungsrüge (manche nennen sie auch "Gehörsrüge") ist vor einigen Jahren durch Initiative des BVerfG eingeführt worden. Praktisch werden dadurch die relativ häufigen Beschwerden, jemand sei nicht oder nicht richtig angehört worden, auf die vorherige Instanz vorverlegt. Diese Instanz soll - bevor das Verfassungsgericht den Fall bekommt - selbst nochmal prüfen, ob sie das rechtl. Gehör verletzt hat und dies dann evtl. nachholen. Im Falle des Familienrechts siehe § 44 FamFG. Wird die Rüge (hier vom KG selbst) als begründet angesehen, wird das Verfahren wieder in den Stand zurückversetzt, die Anhörung nachgeholt und dann neu entschieden. Die Effektivität und damit der Sinn der Gehörsrüge ist umstritten. Jedenfalls kann man nicht Verfassungsbeschwerde einlegen, bevor nicht die Gehörsrüge eingelegt und die Entscheidung dazu abgewartet wird. Übrigens könnte alternativ zur Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe auch die Verfassungsbeschwerde zum Berliner Verfassungsgerichtshof eingelegt werden. Man müsste als Anwalt zuvor einschätzen, bei welchem Gericht höhere Erfolgsaussichten bestehen, denn die Verf-beschwerden nacheinander einzulegen ist nicht zulässig.

 

Sehr geehrte Maja,

Sie schreiben:

Eine Verantwortung, welcher anscheinend ganz viele Menschen nicht bewusst sind, liegt darin, die Verantwortung für die Konsequenzen, wenn man "ja" sagt zu tragen, aber zumindest genauso, sogar noch mehr, zu der Verantwortung stehen zu müssen, wenn man als bevollmächtigter Experte "nein" sagt!

Ganz genau das meinte ich, wenn ich anfangs von einem "Dilemma" schrieb und genau dasselbe auch, als ich gestern schrieb, es ginge darum, zu entscheiden, in welcher Weise massiv eingegriffen oder massiv nicht eingegriffen wird,  und als ich vor einer simplifizierenden Sichtweise (die das Ergebnis vorwegnimmt) beider Seiten gewarnt habe.

Von (gerichtlichen) Zwangseinweisungen wegen Trans... habe  ich noch nichts gehört. Wenn Sie solche Fälle identifizieren können, würde ich gern davon erfahren.

Beste Ostergrüße allen

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Wenn es nämlich biologisch nicht zwei Geschlechter (und einige Ausnahmen), sondern quasi ein Kontinuum von Zwischen-Geschlechtern gibt, dann erscheint  mir die Verlässlichkeit einer kindlichen Äußerung noch weniger gewährleistet: Wie soll das Kind wissen, auf welchem Ort des Kontinuums es sich befindet?

Andersherum gefragt: Welcher Aussenstehende soll dies wissen? Erfahrungen auf dem Gebiet geschlechtlicher Normabweichungen beweisen ziemlich gut, dass das ein transsexueller Mensch selbst am Besten weiss. Das Problem ist: Solange Leute den Glauben verbreiten Geschlecht wäre änderbar, solange wird man sich über ein WERDEN unterhalten, anstatt über ein SEIN. Wenn man nicht akzeptiert, dass es transsexuelle Menschen per se gibt, und dies ersteinmal nichts mit Identität, Rollen, oder dergleichen zu tun hat, dann erst stellt sich überhaupt die Frage, ob es hier - eben auch bei der Behandlung eines transsexuellen Kindes - darum geht, etwas (geschlechtlich) zu ermöglichen oder zu verhindern.

Diese Frage stellt sich aber nicht, wenn man bereit ist geschlechtliche Normabweichungen als existent zu begreifen. Ein transsexuelles Mädchen ist ein Mädchen. Es wird auch nicht durch eine testosteron-Pubertät zu einem Jungen werden. Was aus ihm aber mit ziemlicher Sicherheit wird, wenn man ihm nicht hilft, ist ein unglückliches Mädchen.

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Kim Schicklang schrieb:

Das Problem ist: Solange Leute den Glauben verbreiten Geschlecht wäre änderbar, solange wird man sich über ein WERDEN unterhalten, anstatt über ein SEIN.

D' accord.

Im Fall Alex haben wir zwei Komponenten:

- Die Tatsache, dass Alex ein Kind ist, über das in der hiesigen Rechtsordung entschieden werden muss, weil es noch nicht über sich entscheiden darf. Wie in jedem anderen Sorgerechtsstreit müssen jetzt Gerichte anstelle der Eltern entscheiden. Sowohl Herr Burschel (Richter am Amtsgericht) als auch Herr Professor Müller haben zwei wesentliche Punkte immer wieder herausgestellt. Erstens: auch wenn das Kind nicht entscheiden darf, muss es gehört werden. (das ist vor dem Kammergericht nicht geschehen.) Zweitens: Richter, in der Sache Laien, holen Stellungnahmen von Fachleuten ein, und zwar so, dass Gefälligkeitsgutachten etc. ausgeschlossen sein sollen.

- Der Kontext: die alleinige Deutungshoheit einer kleinen Gruppe von psychoanalytisch ausgerichteten deutschen Fachwissenschaftlern, deren gemeinsame These vom pathologischen (!) WERDEN (hier unterscheidet sich die Berliner Schule im Prinzip nicht von den anderen) anstatt von gesunden SEIN, das z.B. Professor Rauchfleisch in der Schweiz postuliert. Das gesamte unterwerfende und normalisierende Regime, dessen inneres Funktionieren, dessen stigmatisierende und verfälschende Auswirkungen, die sich wie das Regime selbst über die ganze Gesellschaft erstrecken. Sie sind ein Teil des Regimes. Es ist ein Dispositiv, das aus wissenschaftlichen Aussagen, Institutionen, Handbüchern, Behandlungsrichtlinien, Kliniken und Praxen etc , also einen komplexen Gebilde besteht, das eine strategische Vorrichtung zur Aufrechterhaltung der Geschlechternorm (Becker) und der Heteronormativität (Pfäfflin) ist. Es wurde nicht organisiert (das wäre eine Verschwörungstheorie), sondern ist gewachsen, und man kann zeigen, wie das geschehen ist.  Das Dispositiv wiederholt im Chor und unablässig die Aussage vom pathologischen (!) WERDEN, weil das seine Grundlage ist.

Ganz wesentlich ist hier, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung in Deutschland in Sachen Transidentität ein Teil des Dispositivs sind. Die deutschen Fachwissenschaftler haben aktiv an der Gesetzgebung mitgewirkt und wirken unablässig, direkt und indirekt, auf die Rechtsprechung ein.

Dadurch erklingt auch dort unaufhörlich der Chorgesang vom pathologischen (!) Werden. Und zwar ausschließlich.

Der Fall Alex vor dem Kammergericht zeigt das ganz deutlich und eindeutig.

Aber jetzt geschieht vielleicht etwas. Bisher konnten die deutschen Juristen nämlich nicht sehen, dass ihr ehrenwertes Bemühen, wissenschaftliche Expertise heranzuziehen, nur den Chorgesang in den Gerichtssaal holt. Anstatt also wirklich unabhängige kompetente Stellungnahmen zu erhalten, erhielten sie bisher nur diesen und wurden so in das Regime eingespannt.

Jetzt können es einige sehen.

Das kann zur Folge haben, dass das SEIN jetzt zumindest in Erwägung gezogen wird.

Professor Müller sagt, dass er sich nicht sicher ist, ob Alex wirklich über sich bescheid weiß. Das heißt auf keinen Fall, dass er dem pathologischen (!) WERDEN zustimmt - es heißt einfach, was es heißt. Es lässt sich aber zweierlei daraus ableiten. Erstens, Alex muss gehört werden. Zweitens, es müssen Aussagen zugelassen werden, die es ermöglichen, sich darüber klar zu werden, ob und inwieweit Alex über sich bescheid weiß. Da können Aussagen über Alex' Leben als Mädchen sein, das können Aussagen sein, die nichtpathologisierende Ansätze einbeziehen.

(Ohje, jetzt habe ich mich in die Sphäre der Rechtsprechung verirrt, von der ich nichts verstehe ...)

Genau das wollen wir doch.

Wenn ich eine Selbstaussage in Zweifel ziehe, muss ich sie doch ausführlich hören und prüfen, anstatt sie einfach abzutun. Wenn ich über Behandlungsort und -methode zu entscheiden habe, muss ich doch zuerst eine Grundlage haben, auf der ich das entscheiden kann - und zwar eine Grundlage, die wirklich verschiedene Ansätze einbezieht, anstatt nur eine einzige. Dazu muss ich micht doch mit der Fundiertheit dieser Ansätze auseinandersetzen.

Genau das wollen wir doch.

Ich glaube, es wird jetzt möglich.

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Danke, Maja!

Macht Sinn, sich bewusst zu machen, was es eigentlich heisst, zu sagen: Ich traue es dir nicht zu, eine eigenverantwortliche Entscheidung für dein Leben zu treffen, deshalb entscheide ich in einer so gravierenden Frage für dich.

Es wäre irgendwie ziemlich unlogisch und unfair, jemandem, der absolut gewillt ist, die Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, diese zu versagen, ihm aber im aber im Falle z.B. eines Suizids die volle Verantwortung zuzuschieben oder psychische Probleme ausschliesslich als Komobiditäten der Transsexualität zu sehen, anstatt sich zu fragen, was man möglicherweise selbst dazu beigetragen hat.

 

Ich frage mich gerade, wie ich es in der partnerschaftlichen Welt, in der ich gerne leben möchte, ausdrücken würde, wenn ich mir aus gegebenem Anlass Sorgen um jemanden mache und glaube, dass ich Informationen habe, von denen ich gerne möchte, dass er sich damit auseinandersetzt. Ich glaube, ich würde erst einmal damit anfangen, mir seine Sicht anzuhören, ihm zu zeigen dass ich ihn wirklich ernst nehme. Ich würde seinen Willen respektieren und ihn bitten, sich meine Informationen anzuhören, ggf. sehr eindringlich, aber dennoch so, dass er weiss, dass er dazu nein sagen kann.

Ich kenne Psychotherapeuten, denen Partnerschaftlichkeit das oberste Gebot ist. Die, wenn die Kasse eben nur mit ICD Diagnose zahlt, mit dem Patienten gemeinsam eine passende Diagnose auswählen. Und sich ansonsten auf den Menschen jenseits seiner Diagnose konzentrieren. Danke, dass es euch gibt!

 

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Die Kausalität zwischen Deprivation wegen untersagener somatischer Angleichung bei Transidentität und dem Suizid

 

Hallo Kira-Bianca, Niels, Heidrun und andere,

vielen Dank Euch allen für die weiteren Beträge!

 

Danke dass Ihr mich zu einem weiteren, sehr wichtigen Erkenntnis motiviert haben, welches sich auf medizinische Behandlung aller transidenten Menschen bezieht, aber auch im Alex Fall von extrem großer Bedeutung ist:

 

Wichtig ist klarzustellen und zu betonen, dass eine Selbstmordgefährdung bei untersagter somatischer Angleichung bei Transidentität, sehr oft, sogar meistens nicht einfach als Komorbidität, sondern als eine dadurch ausgelöste Komplikation zu verstehen ist, sogar schon sehr lange auch so verstanden ist. Darüber hinaus gibt es Selbstmordgefährdungen, welche durch andere Ursachen ausgelöst wurden, auch bei transidenten Menschen. Was aber einen Menschen zu einer Selbstmordgefährdung bringt, ist nicht zu schwer zu ermitteln, wenn man mit dem Menschen über seine größten subjektiv empfundenen Probleme spricht, und bei Alex dürfte das mit allergrößten Wahrscheinlichkeit die Gefahr von einer kommenden Pubertät sein. Aber darüber kann nur Alexs Aussagen für Klarheit sorgen, wenn da überhaupt eine solche Selbstmordgefährdung besteht, aber wie gesagt, selbst dann wäre sie für mich sehr gut verständlich.

 

Viele Psychiater haben, in diesem Sinne der Kausalität der Selbstmordgefährdung durch unerträgliches Leiden wegen untersagter somatischer Angleichung, schon seit Jahren oder Jahrzehnten eine Einleitung der hormonellen Therapie durch bereits vollzogenen Selbstmordversuche bedingt. Diese Praxis wurde sogar mancherorts natürlich, scharf kritisiert.

 

Aber genau diese, sehr verbreitete Praxis beweist, dass die psychiatrischen Experten eine kausale Selbstmordgefährdung durch untersagte rechtzeitige hormonelle Therapie, weit erkannt und anerkannt haben, und das sogar als ein Kriterium für Diagnosesicherstellung schon lange quasi routinemäßig benutzt haben.

 

Im Fall von Alex wird aber diese auf der Hand liegende, und schon längst bewiesene und logistisch sehr nachvollziehbare Kausalität, völlig mißachtet, und wird sogar gegen sie gehandelt: eine angebliche Suizidalität wird in Alex Fall plötzlich, wider sämmtlichen Angaben über Alex Situation, als grundlos oder eine Erscheinung unbekannter Gründe juristisch betrachtet, wider sämmtlichen Erkenntnissen und vorhergehender düsterer Praxis. Aber hier wollte man es anscheinend noch düsterer machen als mit allen, welchen man für eine Indikation für hormonelle Behandlung, Selbstmordversuche als Beweis für das unerträgliche Leiden haben wollte. Hier wollte man eine vermeintliche Selbstmordgefährdung plötzlich, wider der Tatsache, dass das als eine direkte Folge der unerträglichen Deprivation eigener Bedürfnisse, eigene Identität leben und realisieren zu dürfen, als Grund für wohl " von Transidentität unabhängige stationäre Behandlung" annehmen.

 

Was den Ärztepfusch angeht, da gibt es eigentlich einen Konsens, dass man dagegen vorgehen soll, und spezielle medizinischen Gebiete dürfen da keine Ausnahme sein. Der Ärztepfusch kann in der Chirurgie, und anderen Fachgebieten passieren, genauso auch in Psychiatrie und Sexologie, und wenn manche PatientInnen das mit eigenem Leben bezahlt haben, dann darf es dafür eigentlich keine Rechtfertigung und Entschuldigung geben.

 

Eine eventuelle Drohung der Kliniken mit finanziellen und anderen Folgen ist den grundsätzlichen Interessen der PatientInnen absolut entgegengesetz, und ist sogar auf Basis der kriminellen Energie entstanden nicht sich für das allerbeste für die Patienten einzusetzen als ob die Kliniken nicht dafür da wären, somit ist sie eindeutig nicht zu tolerieren.

 

 

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Maja schrieb:

Hier wollte man eine vermeintliche Selbstmordgefährdung plötzlich, wider der Tatsache, dass das als eine direkte Folge der unerträglichen Deprivation eigener Bedürfnisse, eigene Identität leben und realisieren zu dürfen, als Grund für wohl " von Transidentität unabhängige stationäre Behandlung" annehmen.

Das.

Hier hilft ein Blick auf die Studie, auf die Hammarberg sich bezogen hat.

Man treibt einen Menschen in die Suizidgefahr - dort steht geschrieben, welche Faktoren das bei transidenten Menschen bewirken. Es sind genau die Faktoren, denen Alex seitens des Vorgehens der Charité bisher ausgesetzt war. Dazu gehören die Aktivitäten der Ergänzungspflegerin. Dazu gehört anscheinend auch das lange Gespräch, das Beier mit Alex' Vater geführt hat. Aber Verzeihung - Professor Beier kennt den Fall nicht.

Und dann nimmt man das als Grundlage eines Drängens auf stationäre Diagnose. Und mögliche spätere Zwangseinweisung.

Aber jetzt ist das zu sehen.

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Interessant in diesem Zusammenhang:

http://www.feministischer-juristinnentag.de/resolutionen.html

Resolution des feministischen Juristiinentages 2011

"Aus Anlass der anstehenden Reform des Transsexuellengesetzes kritisiert der 35. Feministische Juristinnentag die Pathologisierung von Lebensweisen und Geschlechtsidentitäten, die von herrschenden Geschlechtsnormen abweichen.

Krank sind nicht die Personen, die nach ihren eigenen Entwürfen leben wollen, sondern Verhältnisse, die nicht über zwei Grundmodelle hinausdenken können.

Wir weisen solche binären Logiken zurück und kritisieren die massiven Einschnitte in Körper, Persönlichkeitsrechte und die sexuelle Selbstbestimmung, um eine solche Geschlechterordnung aufrecht zu erhalten.

Es reicht keinesfalls aus, „Betroffenengruppen“ in die bestehende Geschlechterordnung „toleranzpluralistisch“ zu integrieren und beim Erstreiten eines weniger martialischen Transsexuellengesetzes stehen zu bleiben. Emanzipatorische Ansätze verfolgen das Ziel, Normierungslogiken und mit solchen Differenzziehungen verbundene Ein/Ausgrenzungsstrukturen zu überwinden. Denn die Art und Weise, wie ich mich entscheide, mein Leben zu gestalten, findet in machtvollen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen statt. Diese einfach auszublenden und eine individuell verantwortete Selbstbestimmung auszurufen, greift zu kurz.

Ziel ist es, rechtliche und gesellschaftliche Verhältnisse zu schaffen, in denen Menschen real und nicht nur auf dem Papier und im Rahmen von zwei starren Modellen ihre Lebensweise selbst bestimmen können – das ist unter einem gehaltvollen Persönlichkeitsrecht zu verstehen."

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Also, Heidrun, was soll denn nun dieser Link hier? An dieser Stelle geht es ganz speziell nur um den Fall Alexandra, wobei auch da die Diskussion schon einen sehr weiten Bereich angenommen und mit dem rein Rechtlichen nicht mehr viel zu tun hat. Aber Links zu oder Nennnung von irgendwelchen Veranstaltungen mit transidentischem Hintergrund haben hier meiner Ansicht nach nichts zu suchen.

Kira-Bianca Hinz schrieb:

Also, Heidrun, was soll denn nun dieser Link hier?

Dieser Link, bzw. die Sammlung der Resolutionen des Feministischen Juristinnentags (der keine Veranstaltung mit transidentischen Hintergund ist) soll etwas zeigen. Nämlich dass es bereits Juristinnen gibt, die kritisch und inhaktlich scharf und fundiert Stellung zum TSG-Regime beziehen (siehe Text der Resolution des 35. Juristinnentages). Der Fall Alex wird vor Gerichten entschieden, und ich finde es sehr relevant, ob und inwieweit Jurist_innen ein waches Bewusstsein haben bezüglich der Zusammenhänge, in denen sie als Jurist_innen agieren, wenn es um Transidentität geht.

Diese Juristinnen haben ein solches waches Bewusstsein dafür.

Was wäre geschehen, wenn eine solche Juristin den Vorsitz der Verhandlung vor dem Kammergericht innegehabt hätte? Was würde geschehen, wenn mehr Jurist_innen sich - und zwar im Zusammenhang mit dem Fall Alex - angewöhnen, scharf und kritisch hinzusehen, was die deutschen Fachwissenschaftler, ihre aktive Einwirkung auf die Gesetzgebung und ihre fortwährendes Einwirken auf die Rechtsprechung angeht?

Das soll dieser Link hier.

Der nächste entscheidende Schritt im Fall Alex ist eine Gerichtsverhandlung, oder irre ich mich?

 

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@ Iloellie: Danke für den Link. Zusammen mit den hier schon geposteten Quellen und Hintergundinformationen zu Konversions- bzw. reparativen Therapien sorgt er dafür. dass sich Mitlesende inzwischen leicht selbst kundig machen können.

Es wird auch schwieriger, zu behaupten, man hätte nichts gewusst.

Nebenbemerkung: ob unser Peter wohl inzwischen verstanden hat, wie das Bewertungssystem auf diesem blog funktiioniert? Man könnte es meinen.

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Aber gerne doch.

 

So sieht man das Thema in Grossbritanien:

http://www.zeit.de/gesellschaft/2012-04/london-kampagne-stopp?utm_source...

 

Wobei es schon vor ein paar Monaten eine Werbekampagne für Konversionstherapie gab, die vom britischen Verbraucherschutz gestoppt wurde.

Ich will damit nicht vom Thema Transsexualität ablenken, sondern verdeutlichen, dass der Standpunkt der Wissenschaft eindeutig ist. Es gibt keine Kontroverse. Konversionstherape verhält sich analog zu Klimawandel und Kreationismus. Finanzstarke religiöse Eiferer versuchen mittels Pseudowissenschaft Politik zu machen und ihr extremistisches Glaubensbekenntnis in Gesetzen zu verankern. Dadurch entsteht für Trans- und Homosexuelle Menschen eine ganz direkte und konkrete Bedrohung, wie man aktuell auch in Ungarn sehen kann, wo eine rechtsextreme Partei mit einem Gesetzesentwurf scheiterte, der öffentliches Händchenhalten mit bis zu 8 Jahren Gefängnis ahnden sollte. In Berlin hat man den diesjährigen CSD mit der gleichen Begründung auf einen Bruchteil der ursprünglichen Strecke gekürzt, mit der er in Budapest verboten wurde. Verkehrsbehinderung. Und das auch nur, weil sich ein Verbot nicht durchsetzen liess.

Die Einschläge kommen immer näher.

 

Es geht in der Diskussion, anders als Herr Müller das zu empfinden scheint, eben nicht um die Verschwörung einiger Aktivisten, die Alex aus Eigeninteresse als Märtyrerin missbrauchen wollen, sondern um die Abwehr einer ganz realen und konkreten Bedrohung der Freiheit von LBGTI*-Menschen auch in der BRD. Heterosexuelle weisse Männer können diese Themen mit vermeintlichem Abstand diskutieren, ein Privileg, dass LBGTI*-Menschen nicht gewährt wird. Auch nicht in der BRD, angesichts von Opus-Dei Mitgliedern, die Landesverfassungsgerichten vorsitzen, und im Bundestag als "Experten" gegen das Antidiskriminierungsgesetz auftreten und Spielraum fordern, um auf zukünftige soziale und kulturelle Veränderungen in der Gesellschaft reagieren zu können. Was im Zusammenhang mit sexueller Identität eine unverholene Drohung der Wiedereinführung des 175ers ist.

 

Ich warne seit Jahren vor dem wachsenden Einfluss religiöser, fundamentalistischer Gruppierungen in der BRD, und dennoch war ich überascht, dass in Bezug auf Trans*menschen dieser soweit fortgeschritten ist, wie sich am hier diskutierten Fall zeigt. Deshalb möchte ich mich ausdrücklich bei den Diskutanten für die vielen wichtigen Informationen bedanken, auch wenn es mir eigentlich peinlich sein müsste, wo dieses Thema alles andere als Neuland für mich ist.

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Sehr geehrte/r loellie,

Sie schreiben:

Es geht in der Diskussion, anders als Herr Müller das zu empfinden scheint, eben nicht um die Verschwörung einiger Aktivisten, die Alex aus Eigeninteresse als Märtyrerin missbrauchen wollen, sondern um die Abwehr einer ganz realen und konkreten Bedrohung der Freiheit von LBGTI*-Menschen auch in der BRD.

Was Thema der Diskussion ist, bleibt der Diskussion selbst überlassen. Ich empfinde das keineswegs so wie Sie sagen. Ausgangspunkt der Diskussion war ein konkreter Beschluss des Kammergerichts zur Gesundheitsfürsorge über ein Kind. Inzwischen geht es auch um Einschätzungen zur (Rechts-)politik und Sexualmedizin. Das ist auch völlig in Ordnung und mit den meisten hier geäußerten Ansichten gehe ich konform. Natürlich kann auch auf die Befürchtung hingewiesen werden, dass fundamentalistische Strömungen sich wieder breit machen könnten (wobei ein opus dei Mitglied noch keinen Winter macht). Ob die Debatte über den csd in Berlin tatsächlich hier eingeordnet werden kann, weiß ich nicht. Nach der Darstellung auf queer.de scheint von einem "Verbot" der Veranstaltung doch wohl nicht die Rede gewesen zu sein in einer Stadt mit einem schwulen Bürgermeister.

Ich habe aber ernsthafte Bedenken dagegen, ein Kind zur Widerstandsikone zu missbrauchen, und habe auch auf diese Gefahr hingewiesen (zumal ich denke, dass gerade dies dem betr. Kind nichts nützen wird). Um Ihre Formulierung zu gebrauchen: "Kinderlose können das mit vermeintlichem Abstand diskutieren, ein Privileg, dass Eltern nicht gewährt ist".

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:

Ich habe aber ernsthafte Bedenken dagegen, ein Kind zur Widerstandsikone zu missbrauchen

Widerstand ist hier ein interessanter Begriff, aber sei es drum. Jedes Kind, das wegen verdachts auf Geschlechtsidendtitätsstörung in Kindes- und Jugendalter stationär an der Charité behandelt wird, ist der Versuch eine "Widerstandsikone" gegen "Transsexualität" in Form einer erfolgreichen reparativen Therapie herzustellen.

Der Kampf für Alex' Rechte ist der Kampf für alle Kinder, die dieser Gefahr ausgesetzt sind und für alle Eltern, die in einem vergleichbaren Zusammenhang für ihre Kinder eintreten.

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BadHairDays schrieb:
Jedes Kind, das wegen verdachts auf Geschlechtsidendtitätsstörung in Kindes- und Jugendalter stationär an der Charité behandelt wird, ist der Versuch eine "Widerstandsikone" gegen "Transsexualität" in Form einer erfolgreichen reparativen Therapie herzustellen.

Aber genau das prangern wir doch an und nennen es als Grund, warum die Berliner Charuté absolut ungeeignet ist, transidentische Kinder aufzunehmen. Da können wir doch nicht genau das Gleiche machen, nur eben aus gegensätzlicher Richtung.

 

Ich teile die Meinung von Herrn Prof. Dr. Müller, ein Kind zur Widerstandsikone zu machen ist falsch. Doch in diesem Fall ist das Kind (Alex) meiner Meinung nach keine Ikone, sondern wir kommen leider nicht darum herum, sie in diesem (ganz speziellen und nur diesem) Fall einzubeziehen, damit wir für sie das Recht, ihr Recht, erkämpfen können. Aus dem Grund fand ich die letzte Kundgebung vor dem Jugendamt auch nicht so toll. Denn da wurde Alex eingespannt für Dinge, die überwiegend ganz allgemein den LGBT-Bereich betrafen. Ich hoffe, das wird bei der nächsten Kundgebung am kommenden Mittwoch vor dem Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf besser. Denn ich habe kein Interesse daran, wieder von Hamburg nach Berlin zu fahren, um mir erneut fast nur allgemeine Statments zum Bereich LGBT anzuhören.

Na, Herr Müller, die Abgeordneten der Regierungskoalition sind der einen Schwalbe aber einstimmig in den Süden gefolgt. Ich bin jetzt entschieden zu faul um den Wortlaut des Vortrags ihres Kollegen aus Sachsen heraus zu suchen, kann mir aber nur schwer vorstellen, dass sich ihnen bei der Lektüre nicht der Magen umdrehen würde. Ich sehe hier tatsächlich einen Gewissenskonflikt, wenn ein Verfassungsrichter Mitglied bei Opus Dei ist, aber das würde jetzt sicher Off-Topic gehen.

 

Und was den CSD betrifft, eine Veranstaltung, an der ich seit dem Eklat anno 1995 kein gutes Haar mehr lasse, ist es aus der Perspektive der Veranstalter und Besucher doch völlig egal, ob das Kind Verbot oder Verweigerung der Genehmigung zur Gewähleistung der Verkehrssicherheit heisst, so dieser nicht stattgefunden hätte. Den nun erzielten "Kompromiss", hätte ich ums Haar für einen Aprilscherz gehalten, auch wenn mich persönlich das alljährliche Schaulaufen der Prunkwagen von CDU und IKEA nicht sonderlich interessiert. Stonewall was nämlich a Riot ;-) und davon ist dort seit Jahrzehnten nichts mehr zu spüren.

Ich jedenfalls weiss nicht wirklich, wie man diese Themen vernünftig trennen sollte, denn in einer Gesellschaft, in der immer offener und lauter gegen zB den CSD opponiert wird, steigt doch auch die Wahrscheinlichkeit für Fälle wie den von Alex?

 

Warum sie den mutmasslichen Missbrauch noch immer auf Seiten der TS/TG-Community sehen und nicht bei den international geächteten Konversionstherapeuten, erschliesst sich mir nicht. Ohne den konkreten Anlass, hätte diese in weiten Teilen doch sehr informative Diskussion schliesslich nicht stattgefunden. Und wenn Aktivisten und Verbände dadurch die Möglichkeit haben, auf Misstände aufmerksam zu machen, ist das doch zu begrüssen, oder nicht?

Dass ein deutsches Gericht um einiger LGBT-Plattitüden auf einer Kundgebung willen gegen das Kindeswohl entscheidet, kann ich mir kaum vorstellen. Oder liege ich da falsch?

Und das ein Rosa Mob die Carite brandschatzt, werden wir zu unseren Lebzeiten eher nicht erleben dürfen.

 

Sie dürfen, btw, gerne "lieber" schreiben, ich bin ein Mann, der zwar keine Kinder hat, aber seit der Zeit, bevor es in den Kindergarten ging, an bis heute nicht überwundener präpubertärer Homosexualitätsstörung leidet. Das ihrerseits unterstellte Privileg der Kinderlosigkeit greift allerdings beim besten willen nicht, denn ich bin alt genug, um knapp der Altersgruppe anzugehören, die bei Bedarf mittels Lobotomie, Elektroschocks, chemischer und chirurgischer Kastration und anderer Nettigkeiten therapiert wurde.

Ich bitte von daher um Verständnis, wenn mir die Renaissance dieser Umtriebe grösstmögliches Unbehagen bereitet.

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loellie schrieb:
Ich jedenfalls weiss nicht wirklich, wie man diese Themen vernünftig trennen sollte, denn in einer Gesellschaft, in der immer offener und lauter gegen zB den CSD opponiert wird, steigt doch auch die Wahrscheinlichkeit für Fälle wie den von Alex?
Was hat der CSD mit Alex zu tun???? Der CSD ist eine lebenslustige Parade von Queer jeglicher Gruppierung, vom Ursprung her und auch heute noch mit einem Großteil der Besucher aus dem Bereich LESBEN UND SCHWULE. ALEXANDRA IST (mit ziemlicher Sicherheit) TRANSIDENTISCH, WAS MIT DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG SO WENIG ZU TUN HAT,  WIE ICH DER MEINUNG BIN, DASS ALLGEMEINES LGBT-GEPLAPPER HIER ZUM THEMA GEHÖRT!

 

Anm.: Weder der obige Fettdruck, noch die vielfache Großschreibung waren ein Versehen von mir, sondern beabsichtigt.

Kira-Bianca Hinz schrieb:

Was hat der CSD mit Alex zu tun???? Der CSD ist eine lebenslustige Parade von Queer jeglicher Gruppierung, vom Ursprung her und auch heute noch mit einem Großteil der Besucher aus dem Bereich LESBEN UND SCHWULE. ALEXANDRA IST (mit ziemlicher Sicherheit) TRANSIDENTISCH, WAS MIT DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG SO WENIG ZU TUN HAT,  WIE ICH DER MEINUNG BIN, DASS ALLGEMEINES LGBT-GEPLAPPER HIER ZUM THEMA GEHÖRT!

Anm.: Weder der obige Fettdruck, noch die vielfache Großschreibung waren ein Versehen von mir, sondern beabsichtigt.

Manche Brüllen, weil sie denken, dann vielleicht Recht zu bekommen, das ist eine angeborene Verhaltensweise, die schon Kleinkinder mit mehr oder weniger Erfolg versuchen anzuwenden. Aber ich glaube, hier sollten nur Erwachsene diskutieren ... Soviel dazu.

Ich glaube, wir vergessen oftmals, dass auf beiden Seiten einer Diskussion Menschen miteinander kommunizieren. Menschen haben eigene Erfahrungen und Vorstellungen, geprägt durch ihr Umfeld und nicht zuletzt durch ihre Herkunftsfamilie. Diese Prägungen sind stärker, als man im allgemeinen denken mag. Hinzu kommt, dass jeder Mensch einen eigenen Charakter besitzt. Treffen unterschiedliche Ansichten aufeinander, dann bleibt es nicht aus, dass es sehr schnell persönlich wird und um sachlich diskutieren zu können, ist es erforderlich, dies zu verinnerlichen. Es ist in jedem Fall kontraprodukiv, dem Gegenüber Böswilligkeit oder Dummheit vorzuwerfen, das gilt für beide Seiten. Ich bin davon überzeugt, dass auch die hier geschmähten Personen glauben, das Richtige für Alex tun zu wollen. Wenn dieser Glaube sich dann noch mit eigenen Interessen deckt, dann wird das "Hartlinertum" irgendwie verständlich.
Um aber jemanden von der eigenen Meinung zu überzeugen, bedarf es einer sachlichen Diskussion die sich an Fakten orientiert und jeder Versuch, den anderen mit "Gewalt" (dazu gehören meiner Meinung auch allgemeine Demonstration, welche die Gegenseite in die Enge treiben sollen) von den eigenen Ansichten überzeugen zu wollen, dürfte vermutlich auf der Gegenseite die Reaktion "Jetzt erst recht", auslösen.

Sorry für Off Topic, aber ich musste das mal loswerden.

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Kira-Bianca Hinz schrieb:

Der CSD ist eine lebenslustige Parade von Queer jeglicher Gruppierung, vom Ursprung her und auch heute noch mit einem Großteil der Besucher aus dem Bereich LESBEN UND SCHWULE. ALEXANDRA IST (mit ziemlicher Sicherheit) TRANSIDENTISCH, WAS MIT DER SEXUELLEN ORIENTIERUNG SO WENIG ZU TUN HAT,  WIE ICH DER MEINUNG BIN, DASS ALLGEMEINES LGBT-GEPLAPPER HIER ZUM THEMA GEHÖRT!

Liebe Kira-Bianca,

bitte vergessen Sie nicht, daß die sexualmedizinischen Fachwissenschaftler, auf deren Veröffentlichungen die fixe Idee der Möglichkeit reparativer Therapien bei Kindern basiert, behaupten, daß sowohl Trans- als auch Homosexualität das Resultat der selben "Geschlechtsidentitätsstörung im Kindes- und Jugendalter" sind. Zwischen Trans- und Homosexualität wird von jenen Fachwissenschaftlern bei Kindern auch gar nicht unterschieden. In der von mir weiter oben verlinkten Veröffentlichung von George Rekers sind auch ausdrücklich beide "Störungen" als zu verhindernde Entwicklungen genannt. Insofern sind homosexuelle Menschen von der Thematik "reparative Therapie im Kindesalter" genau so betroffen wie transsexuelle Menschen.

Mit besten Grüßen

Frau S.

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@ Kira-Bianca Hinz:

Durch Brüllen ist noch nie etwas wahrer geworden. Der Fall hat einen Kontext. Einige hier bemühen sich, ihn aufzuarbeiten. Herrn Professor Müller habe ich so verstanden, dass einen Großteil dessen, was dabei herauskommt, für valide hält. Ich persönlich lasse mir nicht diktieren, was relevant und valide ist und was nicht - das zu ermitteln ist unter anderem Zweck einer sachlichen Diskussion.

Dies hier

badhairdays schrieb:

Jedes Kind, das wegen verdachts auf Geschlechtsidendtitätsstörung in Kindes- und Jugendalter stationär an der Charité behandelt wird, ist der Versuch eine "Widerstandsikone" gegen "Transsexualität" in Form einer erfolgreichen reparativen Therapie herzustellen.

Der Kampf für Alex' Rechte ist der Kampf für alle Kinder, die dieser Gefahr ausgesetzt sind und für alle Eltern, die in einem vergleichbaren Zusammenhang für ihre Kinder eintreten.

unterschreibe ich im Wortlaut.

Es kann schon sein, dass Herrn Professor Müllers Vorwurf einige Leute und deren Aktivitäten zutreffend beschreibt. Kim Schicklang hat, wenn auch in einem anderen Zusammenhang, ganz zurecht darauf hingewiesen, dass wir es hier nicht mit einem B-Western mit weißen und schwarzen Hüten zu tun haben. Aber ebenso, wie es unangebracht wäre, jedem heterosexuellen Cis-Mann mit deutschem Pass zu unterstellen, er sei ein Peter, der sich verstellt, ist es unangebracht, das gleiche mit der 'anderen Seite' zu tun. Freilich, die Seiten sind ungleich. So sind zum Beispiel auf der einen Seite Menschen einem Regime unterworfen, dessen Schablone das Stanford Prison Experiment ist, während die auf der anderen über die Zukunft dieses Regimes entscheiden. Da haben einige - begreiflicherweise - panische Angst, während andere in Ruhe abwägen können, welcher gesellschaftlichen Entwicklung sie eher zuneigen. Aber das ist der 'Exzellenzwettbewerb', den aktive_r angesprochen hat. Es kann schon sein, dass es brutal und grausam ist, wenn von so oder so Betroffenen, auf deren Selbstwert und Gefühle unablässig und systematisch eingeschlagen wird, die kühl-distanzierte Rede zu verlangen. Es kann schon sein, dass es ungerecht ist, wenn Ressoucen, Zugang zu Bildung und Machtverhältnisse äußerst ungleich sind, von allen Teilnehmern das gleiche Leistungsvermögen verlangt wird. Aber das sind die Spielregeln.

So faire Spielregeln wie hier habe ich in einer deutschen Diskussion zu diesem Thema noch nie erlebt. Dafür noch einmal herzlichen Dank. Herr Professor Müller.

Na schön - ich werde im Anschluss mal versuchen, kurz und skizzenhaft die religiöse Komponente hinsichtlich des Falls Alex aufzudröseln - d.h. inwieweit sie überhaupt eine Rolle spielen kann. Es wäre schön, wenn wir das ohne Geplärr diskutieren könnten.

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Meiner Ansicht nach kann der Fall Alex und sein Kontext (TSG-Dispositiv) diskutiert werden, ohne die religiöse Komponente einzubeziehen. Wir haben ja bisher ein gut mit Dokumenten belegtes Szenario erarbeitet, das eigentlich keine wesentlichen Erklärungsfragen mehr aufwirft.

Gewinnen kann man möglicherweise zwei Elemente, nämlich erstens eine Verdeutlichung, warum wir es hier mit einem Dispositiv zu tun haben, und zweitens eine einzige Spur, die möglicherweise valide, aber wahrscheinlich nicht wichtig ist.

Zum Hintergrund: wir haben hier bereits einen exemplarischen Beleg dafür, dass in Deutschland versucht wird, Nicolosis Theorien und Therapien als seriöse Wissenschaft darzustellen. Da schwappt also etwas aus den USA herüber - womit noch nicht gesagt ist, wo und inwieweit es greift.

In den USA können Organisationen wie NARTH sehr leicht an die religiöse Rechte ankoppeln, weil die US-Verfassung (first amendment) das erleichtert. Dadurch entsteht eine Gemengelage zwischen fanatisch-rechtsgerichteter Religiosität und 'Wissenschaft', die dort Unterstützung findet, wenn sie im Bereich der seriösen Wissenschaft diskreditiert ist. Seit den 80er Jahren, als Ronald Reagan der religiösen Rechten eine Brücke auf die politische Bühne gebaut hatte, spielt diese dort eine wichtige Rolle. Dort gibt es auch starke Gegenkräfte. Zu einen zeigen die Best Practice Guidelines exemplarisch, dass sich andere gesellschaftliche Gruppierungen durchaus der Gefahren bewusst sind und das auch öffentlich äußern - im Gegensatz zu Deutschland. Zum anderen macht in den USA das Akronym 'LGTB' tatsächlich Sinn, weil dort männliche weiße Homosexuelle mit beispielsweise transidenten Menschen gegenüber einer allgemeinen Bedrohung am selben Strang ziehen. In Deutschland ist 'LGTB' meiner Ansicht nach eine unreflektierte Übertragung einer Idee, die in den USA politische Wirklichkeit ist, auf deutsche Verhältnisse, wo es eine solche politische Wirklichkeit nicht gibt. In Deutschland sind weiße männliche Homosexuelle mit deutschem Pass seit dem Fall des § 175 keiner nennenswerten Bedrohung mehr ausgesetzt und scheren sich mehrheitlich nicht um das TSG-Regime. Die betriebene Ausgrenzung transidenter Menschen aus der Hirschfeld-Stiftung und die öffentliche Äußerung des TAZ-Redakteurs Feddersen im Fall Alex zeigen dies ebenso wie die - in meinen Augen konsequente - Ablehnung des ihr zugedachten Preises durch Judith Butler auf dem Berliner CSD.

Insofern gebe ich Kira-Bianca Hinz übrigens recht: der Fall Alex ist keine LGTB-Angelegenheit. Es gibt nämlich gar kein deutsches 'LGTB'.

In Sachen religiöse Komponente ist die Situation in Deutschland von der in den USA grundverschieden. In Deutschland sorgt der Fortbestand des Reichskonkordats für eine weltweit einzigartige privilegierte Stellung der Amtskirchen. Diese können aufgrund ihrer Verflechtung mit staatlichen Institutionen und Gremien weitestgehend im Hintergrund agieren. Die deutschen Evangelikalen, deren Positionen denen ihrer US-Pendants sehr ähnlich sind, sehen sich den Sektenbeauftragten der Amtskirchen als gatekeepers gegenüber. Diesen ist es weitgehend überlassen, welche evangelikalen Strömungen und Positionen gesellschaftlich relevant werden können oder nicht. Die katholische Kirche bedarf keines evangelikalen Einflusses, um in Sachen Homosexualität oder Transidentität zu sehr entschiedenen Positionen zu kommen, sie vertritt sie ohnehin. Aufgrund ihrer dezentralen Struktur kann die Situation evangelisch-amtskirchlicher Verbände unterschiedlich sein, sie ist auf jeden Fall wegen vorhandener Kontakte und Verflechtungen mit evangelikalen Gruppierungen diffuser und schwerer zu ermitteln.

Anzeichen für Einwirkung religiöser Kräfte auf die deutschen Fachwissenschaftler, Berliner Schule oder nicht, sind meines Erachtens nicht zu erkennen. Deren Positionen und Agieren sind ohne sie vollkommen erklärbar. Sie brauchen auch, anders als zum Beispiel Nicolosi, nicht die Rückendeckung der religiösen Rechten, denn sie haben die Rückendeckung der gesamten deutschen Gesellschaft.

Hinsichlich des TSG-Regimes als Dispositiv sieht die Angelegenheit allerdings anders aus. Deren Kernelement ist die wissenschaftliche Pathologisierung transidenter Menschen, wodurch diese zu Anormalen und Anderen gemacht werden. Aber dieses Kernelement, das eine Vielzahl gesellschaftlicher Prozesse stützt, wird seinerseits von diesen gestützt. Darum wirkt sich - jede - Darstellung transidenter Menschen als Anormale und Andere verstärkend auf das die ganze Gesellschaft überziehende Regime aus. Es ist in diesem Zusammenhang völlig bedeutungslos, ob Vorstellungen von 'Krankheit' und 'Sünde' getrennt voneinander bleiben oder sich auf verschiedenen Ebenen bis zur Ununterscheidbarkeit vermischen. Für Dispositive ist es nun einmal charakteristisch, dass sie sich auf heterogene und heteromorphe Diskurse stützen und deren Machtwirkungen vervielfältigen, während sie gleichzeitig das Wahr-Sprechen (Veridiktion) dieser verschiedenen Diskurse anheizen - die Machtwirkungen sind der Treibstoff der Diskurse.

Es gibt, wie gesagt, im Fall Alex eine einzige vielleicht valide Spur zur religiösen Komponente, über deren Wichtigkeit man aber streiten kann.

Im Rahmen meiner eigenen Recherchen bekam ich wiederholt die Aussage zu hören, dass an dieser Institution

http://eh-berlin.de/startseite.html

Evangelikale zu Sozialarbeiterinnen etc. ausgebildet werden, von denen einige später in Berlin beruflich tätig werden. Es ist mir nicht möglich, zu ermitteln, ob die im Fall Alex so wichtige Ergänzungspflegerin oder andere im zuständigen Jugendamt Tätigen diesen Hintergrund aufweisen, und die Tage des investigativen Journalismus in Deutschland scheinen ja leider der Geschichte anzugehören. In jedem Fall sind die Aktivitäten der Ergänzungspflegerin und die Rolle der Charité hierbei ja auch ohne diese Komponente vollkommen erklärbar. Allerdings ist die Vorstellung unerfreulich, dass Evangelikale in Berlim mit amtlicher Gewalt ausgestattet auf die recht vielfältige Bevölkerung der Stadt losgelassen werden.

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@Heidrun

 

"Es gibt, wie gesagt, im Fall Alex eine einzige vielleicht valide Spur zur religiösen Komponente, über deren Wichtigkeit man aber streiten kann.

Im Rahmen meiner eigenen Recherchen bekam ich wiederholt die Aussage zu hören, dass an dieser Institution"

 

durch meine Recherche bin ich hier gelandet:

 

http://www.via-mundi.net/77.0.html

 

http://www.e-r-langlotz.de/systemische_familientherapie/newsletter_familientherapie.php?id=662

 

Man sollte sich auch einmal hier umschauen:

http://www.katholischeaerztearbeit.de/web/home

 

http://www.bkae.org/

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Dea schrieb:

...

http://www.e-r-langlotz.de/systemische_familientherapie/newsletter_familientherapie.php?id=662

...

Das, was auf dieser Seite propagiert wird, kann man nur als hochgradig gefährlichen Psycho-Pfusch der allerschlimmsten Sorte bezeichnen. Familienaufstellung nach Hellinger und Schamanismus unter dem Deckmantel eines Dr. med... Unglaublich, an was für Scharlatanerie Patienten in diesem Land geraten können.

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@ Dea:

Das ist zweifellos interessant und gehört auch in die Diskussion des Kontextes. Zum Beispiel so etwas:

http://www.bkae.org/index.php?id=78

[qoute]

Missionsauftrag

"Darf ein Arzt Apostolat in seiner Praxis betreiben?",

fragte eine Arztkollegin auf einer Ärzteversammlung in Aulendorf/Württ.

Papst Benedikt XVI fordert deutlich ein missionarisches Element durch katholische Christen. 2007 sagte er in Lourdes ganz klar: "Berufung heißt Mission."

Wer spürt nicht den Anspruch eines sterbenden Patienten, dass Ärzte auch eine priesterliche Funktion übernehmen?

Für uns ist die Aufgabe eines jeden Christen und damit auch jeden katholischen Arztes,

  • Menschen zu Gott und zu Jesus Christus zu führen (also auch Arztkollegen/-kolleginnen, Patienten/Patientinnen und Angehörige);

  • das Evangelium zu verkünden;

  • unseren Nächsten im Blickfeld zu haben.

Jeder katholische Arzt und jede Ärztin möge seinen/ ihren Beitrag leisten für das eigene geistliche Wachstum und das der Mitmenschen, die eigene Heilung und die Heilung Anderer.

[/quote]

Mit dem Kind zum Arzt zu gehen wirkt da doch ein bisschen risikobehaftet ...

Aber, wie gesagt, ich sehe keine direkte Verbindung konkret zum Fall Alex - außer vielleicht die, die ich genannt habe.

Vielen Dank für die links, es wird die Mitlesenden sicher interessieren.

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Also das hier ist faszinierend:

http://www.bkae.org/?id=1005

Quote:

Sehr geehrter Besucher, lieber Arztkollege oder Psychotherapeut,

 

die katholische Ärztevereinigung BKÄ hat im Juni 2011 einen eigenen "Arbeitskreis Homosexualität" ins Leben gerufen, um das brisante Thema Homosexualität aus ärztlich-christlicher Sicht zu bearbeiten.
Es geht primär um Aufzeigen von Hilfs- und Therapiemöglichkeiten für diejenigen, die danach suchen.
Darüberhinaus wird wissenschaftlich gearbeitet (Benennung von Ursachen, Gefahren im Verhalten, ärztliche und spirituelle Hilfsmöglichkeiten, ...).
Keine Diskriminierung von Menschen, kein Verschweigen von Fakten, keine Tabus.

Die katholische Ärztevereinigung BKÄ behandelt das  Thema Homosexualität aus ihrem vereinsinternen und ärztlichen Selbstverständnis heraus.
Als christlich-katholische Ärztevereinigung steht sie hinter Papst und Kirche und ist aufgerufen, sich damit auch und besonders dem leidenden, mit sich unzufriedenen Homosexuellenzu  kümmern.

Wegen gegensätzlicher Meinungen in der Ärzteschaft, häufiger Anfragen von homosexuellen Menschen und vor allem wegen der derzeitigen Diskussion in der Öffentlichkeit soll das interessante, für die meisten Ärzte und Bürger eben unbequeme und unverständliche Thema Homosexualität ("Tabu-Thema") in einem eigenen, vereinsinternen Arbeitskreis behandelt werden.

Freundliche Einladung für alle christlichen Ärzte und Therapeuten / Geistliche, sich in unseren Arbeitskreis und die katholische Ärztearbeit miteinzubringen.

Insbesondere sollen Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten der Homosexualität erforscht und dargestellt werden.

Auch sollen die Ärztevereinigung selber und die einzelnen Fachkollegen vor Angriffen geschützt werden.

'Ohne Worte', wie man in Berlin sagt.

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Der Erzbischof von Köln, Kardial Meisner, über das 'Naturrecht':

http://www.kath.net/detail.php?id=32220

Quote:

Die Kirche schöpft ihre ethischen Normen sowohl aus der Offenbarung, das heißt aus der Bibel, als auch aus der deutenden und wertenden Beobachtung der Welt – dem „Naturrecht“. Sie stellt fest, dass es eine gegenseitige Hinordnung und Ergänzung der Geschlechter gibt, die nicht nur in leiblicher, sondern auch in seelischer Hinsicht besteht. Diese findet ihr letztes und höchstes Ziel im Weiterschenken des Lebens. Folgerichtig lautet auch die Argumentation des Katechismus gegen homosexuelle Praktiken: „Sie verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens bleibt beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit“ (n. 2357). Diese gegenseitige Hinordnung von Mann und Frau ist uns unabhängig vom jeweils subjektiven Gefühl objektiv vorgegeben.

Die Offenbarung, also die biblischen Texte, bestätigen diese naturrechtliche Überzeugung. Die Schöpfungsberichte betonen, dass Mann und Frau füreinander geschaffen sind: „Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie. Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch“ (Genesis 1,27-28). „Darum verlässt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau und sie werden ein Fleisch“ (Genesis 2,24). Jesus greift diese Sicht ausdrücklich auf und bestätigt sie (Markusevangelium 10,6-9). Die Aussagen der Bibel zur Homosexualität, z.B. in Genesis 19, 1–29; Römerbrief 1,24–27; 1. Korintherbrief 6,10 oder im 1. Timotheusbrief 1,10, können daher auch nicht als zeitbedingt und damit einfach überholt angesehen werden. Im Ergebnis zeigt sich, dass weder nach der naturrechtlichen Überzeugung noch gemäß den biblischen Aussagen eine praktizierte Homosexualität von der Kirche gutgeheißen werden kann.

 

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Die KAeV wollte ich gerade ergänzen, und dem CVJM sitzt mittlerweile Deutschlands populärster Schwulenheiler vor. Die DIJG hatten wir oben schon.

Dann ging unlängst der Fall des 12jährigen Max durch die Presse, der von einer evangelikalen Pflegefamilie in ein evangelikales Projekt ging um mittlerweile in einer Art christlich geführtem Hochsicherheitsgefängnis für Jugendliche sitzt. Ich wusste überhaupt nicht, dass es solche Einrichtungen überhaupt gibt. Gibt es aber etliche.

Die Katholiken brauchen die Evangelikalen wirklich nicht und die Evangelikalen selbst operieren unter dem Deckmantel einzelner Ev. Landeskirchen, was absolut korrekt ist, und weshalb diese, ich nenne es ganz offen Unterwanderung, im Gegensatz zu den USA verdeckt erfolgen kann. Aber nur weil man es nicht sieht, können wir doch nicht so tun, als gäbe es dieses Problem nicht.

 

zB: http://www.neukirchener.de/Ueber_uns/

 

Das ist doch nur die Spitze des Eisbergs.

 

@Heidrun:

 

Feddersen? Ernst Röhm war auch schwul, und jetzt?

Bringt es die Diskussion wirklich weiter, wenn wir unsere Zeit damit verplempern die Transphobie in Teilen der bürgerlich-reaktionären Schwulenbewegung, die selbst oft genug Homophob ist, gegen den bisweilen militanten Schwulenhass in Teilen der Transbewegung aufzurechnen?

Das sich die hier diskutierten "Wissenschaftler" und religiösen Gruppen nicht für ihre Definition von LGBT interessieren, können sie schlecht mir zum Vorwurf machen. Genausowenig wie die Existenz, bzw die Form der Hirschfeld-Stiftung, deren Zweck skandalöserweise ganz offensichtlich darin besteht, abgehalfterten Parlamentariern der Regirungskoalition den Ruhestand zu sichern.

Den Vorwurf, dass die Schwulenbewegung von einer wirtschaftlich und politisch einflussreichen Minderheit gekapert wurde erhebe ich selbst bei jeder möglichen Gelegenheit, und das ich selbst Bildungslücken beim Thema Trans* aufweise ist mir bewusst, nur, sollte eine Diskussion wie diese hier nicht auch von mir und anderen dazu genutzt werden können, diese zu schliessen?

Weil ich CSD gesagt habe? Und das im konkreten Zusammenhang mit den von der Politik erhofften "künftigen sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Veränderungen" auf die nach einer Ausweitung des Diskriminierungsschutz nicht mehr adäquat reagiert werden kann?

 

(Nicht nur) dem hier:

 

"So faire Spielregeln wie hier habe ich in einer deutschen Diskussion zu diesem Thema noch nie erlebt. Dafür noch einmal herzlichen Dank. Herr Professor Müller."

schliesse ich mich zustimmend an.

 

PS: Die Mühelosigkeit, mit der sie selbst so schnell Beispiele für meine These ergoogeln konnten ist doch erscheckend. Oder finden sie nicht?

Und: Vielleicht habe ich auch nur nicht deutlich genug klar gemacht, dass nicht ich derjenige bin, der sich weigert zwischen Homo und Trans* zu differenzieren, sondern, wie Frau S. schon schrub, die "Therapeuten" diese Differenzierung verweigern. Und mit einiger Sicherheit auch Pädophilie in den gleichen Sack stecken.

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loellie schrieb:

"So faire Spielregeln wie hier habe ich in einer deutschen Diskussion zu diesem Thema noch nie erlebt. Dafür noch einmal herzlichen Dank. Herr Professor Müller."

schliesse ich mich zustimmend an.

 

Ich möchte mich diesem Dank ausdrücklich auch anschließen!! Auch wenn ich aufgrund meiner naturwissenschaftlichen Ausbildung wenig beitragen kann, lese & lerne ich viel und bin sehr froh über die Offenheit die hier herrscht!!!

Weiter habe ich die, wenn auch vage, Hoffnung, dass sich die Abschottung Deutschlands gegenüber Nachrichten zu dem Thema aus dem Ausland ändert. Den Einfluß der Kirchen, insbesondere evangelikaler Sekten, und auch den Einfluß der deutschen Vergangenheit auf unser heutiges Weltbild /Menschenbild sollte allerdings niemand unterschätzen. Viele 'Wissenschaftler' sind nach den dunklen Tagen im letzten Jahrhundert in den Ämtern geblieben. Viele haben auch danach nichts sehen wollen, haben stattdessen die Ideologie weiter verbreitet und längst willige Nachfolger gefunden. In mancher Hinsicht, vielleicht stärker als anderswo, haben heute noch Transidente und Intersexuelle darunter zu leiden.

In Frankreich z.B. sind Staat und Kirche getrennt. Bei uns nicht wirklich, was z.B. oft dazu führt, dass Regelungen oder Gesetze hier indirekt den Segen der Kirche brauchen...

(Anmerkung: Die 'katholische' Psychiatrie in Bamberg kenne ich aus eigener Erfahrung: Man zeigte damals keinerlei Verständnis für meine Transidentität. Zum Glück fand ich anderswo Hilfe...)

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@Ioellie:

Ich will keinesfalls trans-solidarische Homosexuelle beleidigen oder leugnen, dass es sie gibt.

Ich glaube, wir sehen beide, wie sich die Gesamtsituation darstellt. Und das sieht nun mal für 'T' sehr, sehr bitter aus.

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Hallo Heidrun,

 

warum differenzierst Du in Deinen Ausführungen oben zwischen L und G in LGTB? Es ist zwar immer so eine Sache mit Abkürzungen, da sie sehr schnell zu Missverständissen und unterschiedlichen Deutungen führen können. Aber LGBT (auch mit anderer Reihenfolge der Buchstaben) ist doch eine allgemein in unseren Kreisen völlig eindeutige Abkürzung und steht für Lesbian, Gay, Bisexual und Transgender; zu Deutsch Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*. Lesben und Schwule sind doch in einer absolut gleichen Situation. Somit würde ich sie bei einer Herauslösung auch gemeinsam behandeln. Und T(ransgender) als einen nur von G(ay) kolonisierten Teil zu sehen, passt auch irgendwie nicht. Denn Trans* ist geschlechtsneutral, weil ziemlich ausgewogen bei beiden Geschlechtern vorkommend, während Gay einwandfrei nur männlich ist. Transidentische Männer (anat. Frauen) würden es sicherlich begrüßen, wenn sie in einem Atemzug mit Gays genannt werden - aber in den meisten Fällen wohl nur, sofern sie denn auch schwul sind. ;)

 

Ich habe den Eindruck, für Dich steht LGBT für etwas anderes?

 

Gruß

Kira-Bianca

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