Zueignungsabsicht bei Handywegnahme: Wenn ich jetzt ins Mündliche müsste...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 30.03.2012
Rechtsgebiete: BGHZueignungsabsichtStrafrechtVerkehrsrecht4|7252 Aufrufe

...würde ich mich mal mit der Entscheidung hier auseinander setzen. Es geht um die Frage, wann eine Zueignungsabsicht gegeben ist:

 

Der Schuldspruch wegen Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB) hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nach den insoweit rechtfehlerfrei getroffenen Feststellungen entwand der Angeklagte dem Geschädigten gegen dessen Widerstand ein Mobiltelefon, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester des Mitangeklagten zu suchen. Ob der Geschädigte das Gerät zurückerlangen würde, war ihm dabei gleichgültig. Später übertrug er darin gespeicherte Bilddateien auf sein eigenes Handy, um sie an Dritte zu verschicken.

b) Danach hat sich der Angeklagte nicht eines Verbrechens des Raubes, sondern nur einer Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB) schuldig gemacht, denn er handelte nicht, wie § 249 Abs. 1 StGB voraussetzt, in der Absicht, das Mobiltelefon sich oder einem Dritten zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- oder Sachwert des Geräts aneignen noch hat er dessen Wert durch den vorübergehenden Gebrauch gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 25. Oktober 1968 - 4 StR 398/68, GA 1969, 306, 307 zur fehlenden Aneignungskomponente bei der Wegnahme zwecks Inhaftierung; S/S-Eser/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 242 Rn. 53, 55; NK-StGB-Kindhäuser, 3. Aufl., § 242 Rn. 82; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 150). Es fehlt an dem für eine Aneignung erforderlichen Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 249 Rn. 19a) oder wenn er die fremde Sa-che nur wegnimmt, um sie "zu zerstören", "zu vernichten", "preiszugeben", "wegzuwerfen", "beiseite zu schaffen", "zu beschädigen", sie als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung zu benutzen oder um den Eigentümer durch bloßen Sachentzug zu ärgern (vgl. BGH, Urteile vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10, NStZ 2011, 699, 701; vom 26. September 1984 - 3 StR 367/84, NJW 1985, 812, 813 jeweils mwN; OLG Köln, Beschluss vom 6. Mai 1997 - Ss 226/97 - 93, NJW 1997, 2611). Dass die vom Angeklagten beabsichtigte Durchsuchung des Speichers und das Kopieren der dabei aufgefundenen Bilddateien im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache lag, ändert hieran nichts, denn dies führte nicht zu deren Verbrauch (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Dezember 1991 - RReg 4 St 158/91, juris, zum Kopieren und Verwerten von auf Diskette gespeicherten Daten; Cramer, CR 1997, 693, 696; LK/Vogel, StGB, 12. Aufl., § 242 Rn. 154).
c) Auch eine - bei fehlender Zueignungsabsicht mögliche (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1960 - 5 StR 80/60, BGHSt 14, 386) - Strafbarkeit wegen räu-berischer Erpressung (§ 253 Abs. 1, § 255 StGB) kommt vorliegend nicht in Betracht, denn der Angeklagte handelte nicht in der Absicht, sich oder einen Dritten zu bereichern. Bloßer Besitz einer Sache bildet einen Vermögensvorteil nur dann, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter oder der Dritte für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als not-wendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt (vgl. nur BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 mwN, NStZ 2011, 699, 701; BGH, Beschluss vom 19. August 1987 - 2 StR 394/87, BGHR StGB § 253 Abs. 1 Bereicherungsabsicht 1 zu einem Fall der Wegnahme zwecks Beweisvereitelung).

 

BGH, Beschluss vom 14.2.2012 - 3 StR 392/11

 

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4 Kommentare

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Ich glaube, da liegt in der Praxis so einiges im Argen... Als Referendar habe ich mal eine Verhandlung vor dem Jugendgericht gesehen. Der 14jährige Intensivtäter hatte einem Mädchen mal eben ein Handy weggenommen, aber Anzeichen für eine Zueignungsabsicht gab es nicht. Er hatte es nicht dauerhaft behalten sondern nach der Benutzung wieder überlassen. Das Jugendgericht verurteilte wegen § 242 StGB.

 

Erzieherisch mag es "besser" gewesen sein, in der Urteilsbegründung mal klar Kante zu zeigen, zumal es sich um einen Fall handelte, in dem alle Beteiligten darafu warteten, dass der Täter endlich 14 Jahre alt wurde um mal eingreifen zu können. Juristisch war es vollkommen falsch und auch das ganze Verfahren war im Hinblick auf fair trial bedenklich.

 

Ich fürchte, wenn Einzelrichter meinen, höhere Motive verfolgen zu müssen und kein StV anwesend ist, dann hapert es bei der korrekten Anwendung von StPO und StGB schon mal öfters...

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Sehr geehrter Herr Krumm,

ja für die mündliche Prüfung kann man das verwenden. Aber eigentlich verwundert doch, dass so eine Frage vom BGH behandelt werden muss. Beim Staatsanwalt, der Anklage erhoben hat, und beim  Richter, der im Urteil eine Zueignungsabsicht bejaht hat, sollte man einmal aufs Examenszeugnis schauen....

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

Es war ja sogar eine große Strafkammer gewesen - vielleicht hat das Gericht auch einfach die Urteilsgründe nicht genau genug abgesetzt. Tatsächlich wundert es bei den Feststellungen ja wirklich, warum es zur Bejahung der Zueignungsabsicht gekommen ist.

 

Eine Lösung von jemandem mit ganz hervorragenden Examensnoten udn einer bundesweiten Reputation:

Zitiert aus Jäger, Christian, Strafrechtsrepetitorium Besonderer Teil, 7. Auflage 2016, C.F. Müller, Rn. 239a:

"Fall 25: A entwendete B gegen dessen Widerstand ein Mobiltelefon, um anhand des
Speichers zu kontrollieren, ob B mit der Schwester eines der Mitangeklagten eine intime
Beziehung hatte. A war es dabei gleichgültig, ob B das Telefon danach zurückerlangen
würde. Während des dabei entstandenen „Gerangels“ kopierte A einige Bilddateien vom
Handy des B auf sein eigenes Handy, um sie an Dritte zu verschicken. Strafbarkeit des A?
Es ist auch die Frage mitzubehandeln, wie sich A strafbar gemacht hätte, wenn es ihm allein
auf die Vernichtung der Dateien angekommen wäre (Bilddateien-Fall verkürzt nach
BGH StV 2012, 465 m. Anm. Jäger, JA 2012, 709 sowie BGH HRRS 2015 Nr. 1012193).

Der BGH ist vorliegend davon ausgegangen, dass A nicht in der Absicht handelte, sich
oder einem Dritten das Mobiltelefon zuzueignen. Weder wollte er sich den Substanz- noch
den Sachwert des Gerätes aneignen. Es fehle an dem für eine Aneignung erforderlichen
Willen des Täters, den Bestand seines Vermögens oder den eines Dritten zu ändern, wenn
er das Nötigungsmittel nur zur Erzwingung einer Gebrauchsanmaßung einsetzt. Vorliegend
mangele es jedenfalls an einem Verbrauch der Sache, weshalb eine Zueignungsabsicht ausscheide.
b) An den Ausführungen des BGH wird deutlich, dass auch er im konkreten Fall nicht hinreichend
zwischen Sachwert- und Sachsubstanzzueignung unterscheidet. Nähert man sich
dem Problem dagegen in dieser differenzierten Weise, ergibt sich folgendes:

aa) Tatsächlich kann man eine Aneignungsabsicht unter Sachwertgesichtspunkten nicht
bejahen. Denn der Täter hat der konkreten Sache keinen Wert entzogen, indem er die Bilddateien
auswertete. Durch das Verschicken der Bilddateien kam der Sache als solcher kein
Wert abhanden, zumal die Bilder selbst sogar auf dem Handy verblieben.

bb) Entgegen der Auffassung des BGH ergibt sich jedoch eine Aneignungsabsicht im vorliegenden
Fall trotz des nur vorübergehenden, bestimmungsgemäßen Gebrauchs bereits
nach Sachsubstanzkriterien. Denn es ist anerkannt, dass schon die vorübergehende Benutzung
einer Sache genügen kann, um die Aneignungskomponente zu erfüllen. Dies hat
auch der BGH bereits in einem Fall entschieden, in dem ein Gefangener, der dem Vollzugsbeamten
die Gefängnisschlüssel weggenommen hatte, um sie zum Öffnen der Türen
zu benutzen und dann nach der Flucht wegzuwerfen. Vergleichbar würde niemand daran
zweifeln, dass auch das Kopieren eines Buches und das Verschicken der Kopien an Freunde
eine hinreichende Aneignungsabsicht begründen kann, selbst wenn das Buch dabei nicht
verbraucht wird.

3. Ergebnis: Entgegen der Auffassung des BGH ergibt sich daher hier bereits unter dem
Gesichtspunkt der Sachsubstanzzueignung die Bejahung eines Raubes nach § 249 StGB."

So abwegig scheint die Lösung auch unter Zugrundlegung von Kriterien der Rspr. wohl nicht zu sein.

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