Zwei in einer Nacht - verdrängt

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 04.04.2012

 

Er (Jahrgang 1942, Dipl.-Ing.) und sie (Jahrgang 1944, Friseurin, während der Ehe nicht berufstätig) schlossen 1967 die Ehe. 1967 kam ein Mädchen, 1984 ein (behinderter) Sohn zur Welt.

Scheidung 1997. In einer notariellen Scheidungsvereinbarung verpflichtete er sich zur Zahlung von Unterhaltin Höhe von 3/7 seines Arbeitseinkommens und 1/2 seiner Betriebsrente, höchstens aber monatlich 5.000 DM. Zuletzt wurde der Unterhalt im Jahr 2005 einvernehmlich auf monatlich 1.500 € herabgesetzt.

Er begehrt Wegfall des Unterhalts ab November 2006 mit der Begründung, er sei nicht der Vater des 1984 geborenen Sohnes. Seine Frau habe dies gewusst und ihm das Kind untergeschoben.

Eine Anfechtung der Vaterschaft hat er allerdings nicht betrieben.

Das FamG hat Beweis erhoben über die Vaterschaft, Ergebnis: Der Ehemann ist nicht der Vater.

Das Berufungsgericht ist von einem bedingten Vorsatz der beklagten Frau ausgegangen. Dass sie zwar auf einer von beiden Parteien besuchten Feier stattgefundene sexuelle Kontakte eingeräumt habe, nicht aber einen Geschlechtsverkehr, sei nicht schlüssig, weil feststehe, dass der Kläger nicht der leibliche Vater ihres Sohnes sei. Dass es zu einem Geschlechtsverkehr mit dem sie bedrängenden Mann nicht gekommen sei, sei ihr "nicht abzunehmen". Dass sie es nicht ausgeschlossen habe, geschwängert worden zu sein, ergebe sich zudem aus der glaubhaften Behauptung des Klägers, dass die Beklagte nach Abbruch sexueller Kontakte im Jahr 1983 überraschend im März 1984 nach der Feier den Geschlechtsverkehr mit ihm noch einmalig zugelassen habe. Sie habe daher befürchtet, von einem anderen Mann schwanger zu sein und habe es deshalb für möglich gehalten, dass der Kläger nicht der Vater sei, möge sie diesen Umstand auch verdrängt haben.

Diese Beweiswürdigung hielt bei dem BGH stand.

Rechtlich sieht der BGH das „Unterschieden des Kindes“ als schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne des § 1579 Nr.7 BGB.

Eine Anfechtung der Vaterschaft ist indessen nicht Voraussetzung für die Erhebung des Einwands nach § 1579 Nr. 7 BGB, weil dessen Voraussetzungen nicht an die rechtliche Abstammung des Kindes, sondern an die Verfehlung des Unterhaltsberechtigten gegenüber dem Unterhaltspflichtigen anknüpfen.

Die fortbestehende Vaterschaft ist im Zusammenhang mit dem Ehegattenunterhalt nur dort zwingend zu berücksichtigen, wo der Unterhalt des - geschiedenen - Ehegatten an die gemeinsame Elternschaft anknüpft oder diese ansonsten für die Bemessung des Unterhalts bedeutsam ist. Demnach kann der Ehemann sich auf seine fehlende biologische Vaterschaft nicht berufen, wenn der Unterhaltsberechtigte das Kind betreut, weil es sich um ein gemeinschaftliches Kind im Sinne von § 1570 Abs. 1 BGB handelt. Ebenso können Belange des Kindes einer Versagung oder Herabsetzung des Unterhalts nach § 1579 BGB entgegenstehen. In diesen Fällen hängt der Unterhalt oder seine Bemessung mit dem bestehenden Eltern-Kind-Verhältnis und somit auch der fortbestehenden Verantwortung des Ehemannes als - rechtlicher - Vater des Kindes zusammen.

Soweit die Täuschung über die (mögliche) anderweitige Abstammung hingegen von der Vaterschaft und der gemeinsamen Elternschaft unabhängige Gesichtspunkte betrifft, die eine aktuelle oder frühere Betreuung des gemeinschaftlichen Kindes durch die Unterhaltsberechtigte nicht in Frage stellen, ist der Unterhaltspflichtige nicht gehindert, diese als Härtegrund nach § 1579 Nr. 7 BGB anzuführen, weil insoweit allein der Umfang der fortwirkenden nachehelichen Solidarität in Frage steht.

dd) Weil die Beklagte den Kläger nicht über die mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes zu dem Sohn H. aufklärte und den Kläger mehr als 20 Jahre in dem Glauben ließ, dass allein er der Vater des Sohnes sein könne, ist das Oberlandesgericht nach den vorgenannten Grundsätzen zu Recht zu einer Herabsetzung des Unterhalts wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens im Sinne von § 1579 Nr. 7 BGB gelangt.

Durch die Geltendmachung des Härtegrundes setzt der Kläger sich zu der fortbestehenden Vaterschaft zu dem Sohn H. nicht in Widerspruch. Denn zum einen stehen die rechtlichen Wirkungen der Vaterschaft für den Ehegattenunterhalt im oben angesprochenen Sinne hier nicht in Rede. Weder handelt es sich um Betreuungsunterhalt, noch stehen die Belange des Sohnes aktuell der Beschränkung des Unterhalts nach § 1579 BGB entgegen. Zum anderen wäre es bei der gegebenen Sachlage im Gegenteil sogar widersprüchlich, wenn man von dem Kläger verlangen würde, die Vaterschaft zu dem Sohn anzufechten, um einen Härtegrund geltend machen zu können. Dann müsste der Kläger seine über Jahrzehnte gefestigte Elternschaft und rechtliche Verantwortung für den Sohn ohne Notwendigkeit beenden. Das wird im vorliegenden Fall besonders deutlich. Der Kläger gab nicht nur seine gut bezahlte Berufstätigkeit vorzeitig auf, um sich der Betreuung des geistig behinderten Sohnes widmen zu können. Ihm wurde nach der Scheidung auch die elterliche Sorge über den Sohn übertragen.

 

BGH v. 15.02.2012 XII ZR 137/09

 

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Unabhängig von der rechtlichen Würdigung: eine menschliche Tragödie. Eine Offenlegung und Entschuldigung von Seiten der Frau wäre mehr als angebracht.

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