Sozialversicherungsschutz bei längerfristiger Freistellung

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 10.04.2012

Schon seit einigen Jahren herrscht eine gewisse Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Sozialversicherungsschutzes von Arbeitnehmern, die über einen längeren Zeitraum von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt sind. Während die gesetzliche Regelung in § 7 Abs. 1a SGB IV relativ eindeutig denjenigen Fall regelt, dass die Vergütung aus zuvor angesparten Wertguthaben erfolgt (z.B. bei der Altersteilzeit), bleibt das Gesetz für andere Fallgestaltungen unklar. Das betrifft insbesondere die Freistellung nach Kündigung oder Aufhebungsvertrag bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder Blockteilzeitmodelle (z.B. in witterungsabhängigen Branchen), in denen Arbeitnehmer in den Sommermonaten vollzeit und im Winter gar nicht beschäftigt werden, aber ganzjährig das halbe Arbeitsentgelt erhalten.

Noch 2008 hatte das BSG in derartigen Fällen den fortbestehenden Sozialversicherungsschutz der Beschäftigten klar bejaht und war damit der gegenteiligen Auffassung der Sozialversicherungsträger entgegen getreten (BSG, Urt. vom 24.09.2008 - B 12 KR 27/07 R, NJW 2009, 1772; Urt. vom 24.09.2008 - B 12 KR 22/07 R, NJW 2009, 1775).

Das hindert die Sozialversicherungsträger nicht daran, eine Gesetzesänderung, die zum 01.01.2009 in Kraft getreten ist, zum Anlass zu nehmen, den Streit erneut zu entfachen. Sie sind der Auffassung, dass das Beschäftigungsverhältnis und damit der Sozialversicherungsschutz (namentlich in der Kranken- und Pflegeversicherung) ende, wenn die Dauer der Freistellung einen Monat überschreite (vgl. NZA 2010, 1056 und NZA 2011, 336). Mit einer weiteren Novelle zum 01.01.2012 (§ 7 Abs. 1a Satz 2 SGB IV: "Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist") hat der Gesetzgeber die Rechtslage weiter verunklart. Der neue Satz 2 des § 7 Abs. 1a SGB IV wurde anscheinend unter Zugrundelegung der fehlerhaften Prämisse verabschiedet, die Rechtsauffassung der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur Bedeutung des Satzes 1 der Vorschrift sei richtig. Dies war und ist nach wie vor nicht der Fall. Dass ein Arbeitnehmer länger als einen Monat ohne Inanspruchnahme von Wertguthaben nach § 7b SGB IV freigestellt wird, bedeutet nicht das Ende der sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigung.

Einzelheiten sind einem Aufsatz in NZS 2012, 241 ff. zu entnehmen.

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