Dezernatswechsel des Richters in Zivilsachen: Manchmal droht neue Zeugenvernehmung!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 15.04.2012
Rechtsgebiete: OLG FrankfurtDezernatswechselVerkehrsrecht1|30633 Aufrufe

Dezernatswechsel in Zivilsachen sind eigentlich unproblematisch. Die neue Richterin/der neue Richter knüpft da an, wo die/der alte aufgehört hat. Insbesondere freut er sich, wenn bereits Beweis erhoben wurde und er das nicht mehr selbst erledigen muss. Anders sieht das aber dann aus, wenn es um die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Zeugen geht. Hier droht dann Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung: 

 

Ob die Aussagen der Zeugen dennoch glaubhaft - d. h. vollständig und widerspruchsfrei sind - und die Zeugen auch in persönlicher Hinsicht glaubwürdig sind, kann daher nicht allein aufgrund der Vernehmungsprotokolle beurteilt werden, vielmehr bedarf es eines persönlichen Eindrucks von den Zeugen. Die erkennende Richterin hat jedoch keinen der Zeugen vernommen. Ihr lag auch keine den Parteien zugängliche, aktenkundige Stellungnahme der die Vernehmung durchführenden Richterin zum persönlichen Eindruck von den Zeugen vor (vgl. hierzu BGH MDR 1995, 305). Soweit sie die Zeugen dennoch als glaubwürdig erachtet hat, fehlt dieser Beurteilung jegliche Grundlage. Die Entscheidung beruht insoweit auf einem Verfahrensfehler (vgl. hierzu OLGR Koblenz 2002, 354; KG ZfS 2011, 88). Eine diesbezügliche Rüge ist seitens der Beklagten auch mit Schriftsatz vom 1.10.1999 erfolgt.

Das Landgericht wird daher die Zeugen zum äußeren Bild erneut zu hören haben. Eine erneute Vernehmung der Zeugen D und E dürfte demgegenüber nicht erforderlich sein, da ihre Angaben - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - letztlich unergiebig waren. Dass der Zeuge 1A die im Rahmen der Reparatur eingebauten Teile selbst angeliefert hat, vermochten sie nicht zu bestätigen....

Danach war das landgerichtliche Urteil einschließlich des zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und der Rechtsstreit an das Landgericht zur erneuten Entscheidung gemäß § 538 II Nr. 1 ZPO zurückzuverweisen. Angesichts dessen, dass noch eine äußerst aufwendige und umfangreiche Beweisaufnahme durchzuführen ist, hat der Senat von einer eigenen Sachentscheidung abgesehen. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass eine Zurückverweisung der Sache in aller Regel zu einer Verteuerung und Verzögerung des Rechtsstreits führt. Einen entsprechenden Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung hat die Beklagte auch gestellt.

 

OLG Frankfurt a. M.: Urteil vom 14.09.2011 - 7 U 24/10    BeckRS 2012, 01669

 

 

 

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1 Kommentar

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Tja, das Ganze beruht  auf der im Zivilrecht  nach wie vor etwas verzopften Beweiswürdigungspraxis , die immer noch auf die ach so wichtige Bedeutung der persönlichen Glaubwürdigkeit und des persönlichen Eindrucks vom Zeugen abstellt (obwohl die Aussagekraft physiologischer Reaktionen oder der Körpersprache sehr zweifelhaft ist), statt sich an den auch nicht mehr ganz so neuen Erkenntnissen der Aussageanalyse zu orientieren und primär eine an der Aussage selbst orientierte Glaubhaftigkeitsprüfung vorzunehmen.

Eine Aufhebung und Zurückverweisung lässt sich nur dann vermeiden, wenn der Nachfolger Äußerungen zum persönlichen Eindruck und zur Glaubwürdigkeit im Urteil unterlässt (was ja auch richtig ist, da er diesen Eindruck nicht haben konnte) und sich strikt auf die Glaubhaftigkeit stützt, oder aber der Vorgänger etwaige möglicherweise relevante Punkte und seine Wahrnehmungen dazu so protokolliert, dass sie der Nachfolger in eine Beweiswürdigung einfließen lassen kann (z.B. "Der Zeuge läuft auf die Frage, ob er vor dem Termin noch mit dem Beklagten über die Inhalte der Aussage gesprochen hat, rot an, beginnt zu schwitzen und zu stottern und erklärt: Nein, nein, das schwöre ich beim Grab meiner Mutter...")

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