Nachtrag zu Moderne (?) Energie-Fusionskontrolle Teil 3: Enovos/ESW

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 17.04.2012

Ich hatte bereits am 22.03.2012 über die Pressemitteilung des Bundeskartellamts vom Vortage zur Freigabe im Fusionskontrollverfahren Enovos/ESW berichtet. Die Pressemitteilung des Bundeskartellamts war recht ausführlich und von sehr großem Interesse für die Branche.

Nachzutragen ist, dass am 16.04.2012 die Freigabeentscheidung vom 20.03.2012 im Volltext auf der Internetseite des Bundeskartellamts veröffentlicht wurde.

Die wichtigsten Punkte seien kurz hervorgehoben:

  1. Das Bundeskartellamt bleibt bei seiner mehrstufigen Abgrenzung der Gasmärkte mit einzelnen Lieferstufen zwischen den überregionalen Ferngasgesellschaften am "oberen Ende" und den RLM-Kunden (Gasgroßkunden) und SLP-Kunden (Gaskleinkunden) am "unteren Ende" der Lieferkette.
  2. Das Bundeskartellamt bleibt bei seiner bisherigen ständigen Praxis der engen netzbezogenen räumlichen Marktabgrenzung:
    • Das Bundeskartellamt betrachtet in der Entscheidung die rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen der letzten Jahre auf den Gasmärkten und die genauen Verhältnisse auf den konkret betroffenen Märkten.
    • Es zuckt aber vor der letzten Konsequenz eines Übergangs zur ausschließlich bundesweiten Marktabgrenzung zurück und hält fest:"Die Beschlussabteilung sieht sich jedoch nach wie vor zu einer zurückhaltenden Prognose veranlasst und hält eine endgültige Festlegung der zukünftigen Marktabgrenzung noch für verfrüht, da noch immer Wettbewerbsschranken in Form einer hohen Loyalität der regionalen und lokalen Weiterverteiler gegenüber dem traditionellen Vorlieferanten bestehen." (Rn. 43).
    • Im Ergebnis betrachtet das Bundeskartellamt beide Marktabgrenzungen, eine netzbezogene wie eine bundesweite, und geht so vor, wie wir es von der Europäischen Kommission gewohnt sind. Es lässt die Frage im Ergebnis dahinstehen.
    • Wie schon in der Entscheidung Gasprom/VNG (wir berichteten) stellt das Bundeskartellamt ausführliche Überlegungen zu einer bundesweiten Marktabgrenzung des Marktes für die Belieferung von Stadtwerken und regionalen Weiterverteilern durch regionale Ferngasgesellschaften an.
  3. Während das Bundeskartellamt bei der Marktabgrenzung eine konservative Marktabgrenzung einnimmt, vertritt es in der Frage der Prognose hinsichtlich des Entstehens oder Verstärkens einer marktbeherrschenden Stellung eine progressive Auffassung. Der Wettbewerb wird's richten. Das ist erfreulich.
  4. Auch die Märkte für die Belieferung von RLM- und SLP-Kunden werden weiterhin netzbezogen abgegrenzt. Die Argumentation des Bundeskartellamts enthält einige interessante Aspekte.
  5. Letztlich kommt das Bundeskartellamt aber auch für die Endkundenmärkten zu einer positiven Prognose. Trotz hoher Marktanteile von 90 bis 100 % kommt es nicht zu einer Verstärkung von marktbeherrschenden Stellungen. Maßgeblicher Gesichtspunkt hierfür ist, dass der Wegfall potentiellen Wettbewerbs durch Enovos nicht problematisch, weil nicht maßgeblich ist. Entscheidend sei der Wettbewerbsdruck durch bundesweit tätige Anbieter, der durch das Zusammenschlussvorhaben richtigerweise nicht berührt wird.
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