Vorratsdatenspeicherung: Brüssels Uhr tickt

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 19.04.2012

Die Debatte, die wir hier im Blog ja schon mehrfach aufgegriffen haben, hat es jetzt bis in die Bild-Zeitung geschafft. Die EU-Kommission hat der Bundesregierung ein Ultimatum bis zum 26. April gesetzt, um die der Vorratsdatenspeicherung-RiLi umzusetzen. Was meinen Sie, wie geht das politische Tauziehen an drei Enden aus?   

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17 Kommentare

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Es wird wieder ein Gesetz geben, das mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist - es wird wieder eine Klage vor dem BVerfG geben, das Gesetz wird wieder ungültig, ..

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Schade, dass man von den Piraten so wenig zu diesem Thema hört, aber ist ja nicht deren Themengebiet. ;-)

 

Wie hoch ist eigentlich die Geldstrafe, wenn die Vernunft doch noch länger braucht, um in das BMI einzuziehen?

 

Ich persönlich warte ja auch auf die Umsetzung der EU-Richtlinie, die besagt, dass der Telefonanschlusswechsel innerhalb von 24 h vollzogen sein muss, und diese Richtline ist noch älter, als die zur Vorratsdatenspeicherung.

 

Wir sollten den zuständigen Politikern nach Ablauf der Frist das Gehalt kürzen und jeden Politiker, der gegen ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz stimmt vom Staatsdienst ausschließen.

Das Gesetz wäre morgen fertig.

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Fehler: "und jeden Politiker, der FÜR ein offensichtlich verfassungswidriges Gesetz stimmt vom Staatsdienst ausschließen." muss es natürlich heißen.

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Funktionier ja wunderbar.

Wieviele Terrorgesetze wurden in den letzten 10 Jahren für verfassungswidrig erklärt?

(Zoll­fahndungs­neuregelungs­gesetz 2004,  grosser Lauschangriff 2004, EuHbG 2005, LuftSiG (Abschuss) 2006, Rasterfahndung NRW 2006, Onlinedurchsuchung NRW 2008, Kennzeichenerfassung HE 2008, Vorratsdatenspeicherung 2008, Versammlungsrecht BAY 2009, nochmal Vorratsdatenspeicherung 2010 usw...)

Und welche Staatsbediensteten wurden von denen nicht wiedergewählt?

Abgesehen davon stehen ja nicht alle zur Wahl, bzw. kommen über Listen in das jeweilige Parlament.

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Mal eine verfahrensrechtliche Frage:

Wenn die Strafzahlung festgelegt wird, kann Deutschland dann dagegen klagen? Und wenn ja: Ist es möglich, in diesem Klageverfahren die Zulässigkeit der umzusetzenden Richtlinie prüfen zu lassen?

 

Wenn das der Fall ist, stellt sich zunächst die Frage, ob die EU überhaupt die Strafzahlung festsetzen wird, wenn dadurch auch die Richtlinie auf den Prüfstand kommt.

Und wenn es zu der Festsetzung der Strafzahlung kommt, wird die Haltung der Regierung spannend. Da die Bundesregierung die Vorratsdatenspeicherung mehrheitlich will, stehen sie vor dem Dilemma, dass sie entweder die Strafe zahlen oder gegen die Richtlinie vorgehen müssten.

 

 

Und noch etwas OT zur Erheiterung der Leser:

Herr Kreß schrieb:

Funktionier ja wunderbar.

Wieviele Terrorgesetze wurden in den letzten 10 Jahren für verfassungswidrig erklärt?

(Zoll­fahndungs­neuregelungs­gesetz 2004,  grosser Lauschangriff 2004, EuHbG 2005, LuftSiG (Abschuss) 2006, Rasterfahndung NRW 2006, Onlinedurchsuchung NRW 2008, Kennzeichenerfassung HE 2008, Vorratsdatenspeicherung 2008, Versammlungsrecht BAY 2009, nochmal Vorratsdatenspeicherung 2010 usw...)

 

"Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich Anfang der Woche nach Angaben eines Sprechers "sehr erstaunt und verwundert" über die Kritik der Opposition geäußert. Es sei eine "Selbstverständlichkeit", dass im Kabinett vorgelegte Gesetzentwürfe verfassungsfest seien, sagte der Sprecher des Familienministeriums, das federführend für den Gesetzentwurf zuständig ist."
Spiegel Online in einem Beitrag zum Betreuungsgeld

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Es wurde mit Terror begründet und kann nach der heutigen Entscheidung des EuGH auch bei Filesharing eingesetzt werden. Braucht man noch mehr an Argument?

 

Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD gibt es zu hauf - aber das hier ist das Einzige, um das von den Hardlinern (und auch der Presse) ein größeres Bohei gemacht wird. Die anderen laufen leider unter dem Radar.

 

Der Staat, die Lügen in der Gestzgebung und die der Parlamentarier und der damit verbundene Filz muss dringend aussortiert werden.

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Dass Leutheusser-Schnarrenberger dem Friedrich immer noch die Stirn bietet, ist ein Umstand, der zu wenig gewürdigt wird.

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Bis gestern die Stirn bot. Natürlich ist ein GesetzesENTWURF nur ein Entwurf, aber der, der am 18.4. bekannt geworden sieht ein ganz dickes Umfallen vor.

 

Schön, dass sie so lange durchgehalten hat, schade, dass sie diesbezüglich in ihrer Partei nur so wenige öffentliche Unterstützer hat.

Schade auch, dass wir einen Innenminister haben, der weder fähig ist das Grundgesetz zu lesen, noch einen fähigen Berater hat der ihm a) erklärt, was das BVerfG aufgeschrieben hat oder b) erklärt, was die Ermittlungsbehörden von der VDS erwarten.

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Die Piraten werden ganz dick abräumen bei der nächsten BT-Wahl und das ist angesichts der Miseren im Lande und wachsenden Inkompetenz der sich das Rederecht im gegenseitigen Einvernehmen inzwischen sogar selbst verbietenden Politiker auch sehr wünschswert.

 

Auch in Frankreich werden die Nichtwähler vermutlich diesmal das grösste Lager stellen, da sind doch angesichts der gleichen politischen Inkompetenzvielfalt hingegen starke und engagierte Piraten in Deutschland geradezu ein Segen.

 

Die gegenwärtige Politik macht Satiriker arbeitslos, denn es reicht bereits hin, täglich Nachrichten zu rezipieren.

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Ich kann mir nicht vorstellen, das Frau Leutheusser-Schnarrenberger ein Gesetz auf den Weg bringt, welches dem entspricht, welches sie selber per BVerfG zu Fall gebracht hat. Dass sie diesbezüglich Prinzipien hat, hat sie bereits schon einmal bewiesen.

Deswegen gehe ich davon aus, dass sie entweder von Merkel entlassen wird oder selbst den Hut nimmt, wenn Friedrichs Vorschlag vom Kabinett akzeptiert wird. Ob Rösler dann die Koalition platzen lässt steht auf einem anderen Blatt.

 

Beschämend ist es allerdings, wie auch weite Teile des als seriös eingestufen Nicht-Springer-Journalismus mit dem Thema umgeht, wenn man sich Tagesschau/-themen und Spiegel-Online der letzten Tage anschaut. Dann muss man sich auch nicht wundern, wenn die von den Vorrednern genannte Entfernung von Politikern aus dem Staatsdienst mittels Wahl nicht passiert.

Die Mehrheit der Menschen versteht offensichtlich nicht, was da passieren soll und hört nur EU-Strafverfahren (-> als mehr Staats-Schulden, also Inflation, also bald mein Geld nichts mehr wert) und Verbrechensbekämpfung (find ich gut, wenn die gefasst werden, ansonsten betrifft es mich nicht). Und treibende Kräfte unserer Regierung verstehen es sehr gut, die Bevölkerung hier dumm zu halten.

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Beschämend trifft es nicht im entferntesten. Es ist zutiefst bestürzend und beängstigend, dass der informierte Journalist seine Meinung zurückhält und sich der Oportunität hingibt.

Zugegeben, es wird ihm auch nicht gerade einfach gemacht: Zu jeder passenden und unpassenden Gelegenheit wird von allen Dummköpfen dieser Welt wiederholt, dass wir die VDS brauen, ganz egal ob es auf die Straftat, über die berichtet wurde zutrifft oder nicht.

 

Die einzige kritische Instanz, die mir spontan einfällt ist der DLF, der aber allzu oft auch nur halbwahr gehaltene Pressemitteilungen wiederholt, ohne z.B. mal darauf hinzuweisen, dass es nach Aufhebung der VDS keinen Rückgang der Aufklärungsquote gegeben hat.

 

Schade, dass es keine politische Partei gibt, die diesbezüglich meine Interessen vertritt. :-(

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Danke für die lebhafte Diskussion, aber können uns bitte auf die juristischen Aspekte konzentrieren, wie das EU-Vertragsverletzungsverfahren und BVerfG (hierzu gab es ja schon einige gute Anmerkungen)? Thanks a bunch.

Noch etwas Neues dazu: Der EuGH hat gestern in einem Urteil festgelegt, dass Vorratsdaten auch gegen Filesharing genutzt werden dürfen. Hintergrund war ein Streit zwischen dem Verlag Bonnier Audio, der über das Herausgaberecht von  27 Hörbüchern verfügt, und dem Internet Service Provider ePhone. Bonnier Audio machte geltend, ein Dritter habe dadurch in das Ausschließlichkeitsrecht eingegriffen, dass diese 27 Werke ohne Zustimmung über einen FTP(„File transfer protocol“)-Server der Allgemeinheit zugänglich gemacht worden sei.

 

Zitat: „Die Richtlinie 2006/24/EG […] über die Vorratsspeicherung von Daten […] und die Änderung der Richtlinie 2002/58/EG ist dahin auszulegen, dass sie der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften nicht entgegensteht, die auf der Grundlage von Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG […]  vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erlassen wurden und nach denen einem Internetdienstleister zu dem Zweck, einen Internetteilnehmer oder nutzer identifizieren zu können, aufgegeben werden kann, einem Urheberrechtsinhaber oder dessen Vertreter Auskunft über den Teilnehmer zu geben, dem der Internetdienstleister eine bestimmte IP (Internetprotokoll)-Adresse zugeteilt hat, von der aus dieses Recht verletzt worden sein soll, da derartige Rechtsvorschriften nicht in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2006/24 fallen.“

 

Gibt es Kommentare dazu?

 

Nähere Einzelheiten:

 http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=121743&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=1185823

Schnarre sollte es auf ein Vertragsverletzungsverfahren ankommen lassen, im Zuge dessen der EuGH sich auch mit der materiellen Rechtmäßigkeit der Richtlinie auseinandersetzen müsste. Nach derzeitiger Datenlage (MPI-IntStrafrecht, 2010: "Schutzlücken durch Wegfall der Vorratsdatenspeicherung?") ist ja möglicherweise schon die Erforderlichkeit der Richtlinie zweifelhaft, jedenfalls aber die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird den GH in starke argumentative Bedrängnis bringen, so er denn eine Vereinbarkeit mit Primärrecht bejaht.

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