Wer einmal kifft, dem glaubt man nicht...

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 23.04.2012
Rechtsgebiete: OVG MünsterStrafrechtVerkehrsrecht5|3779 Aufrufe

...wenn er (unsubstantiiert) Erstkonsum  behauptet: 

Demgegenüber geht der Senat in Übereinstimmung mit weiteren Obergerichten, ... in ständiger Spruchpraxis davon aus, dass die Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss des Betäubungsmittels es grundsätzlich rechtfertigt, auf eine mehr als einmalige, gleichsam experimentelle Cannabisaufnahme zu schließen, wenn der auffällig gewordene Fahrerlaubnisinhaber einen solchen Vorgang zwar geltend macht, die Umstände des behaupteten Erstkonsums aber nicht konkret und glaubhaft darlegt. .... Die zuletzt genannte Rechtsprechung, die sich das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu eigen gemacht hat, beruht auf der Überlegung, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument zum einen bereits wenige Stunden nach dem Konsum wieder ein Kraftfahrzeug führt und er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät. Dies wiederum berechtigt zu der Erwartung, dass er sich ausdrücklich auf einen für ihn günstigen Erstkonsum beruft und zu den Einzelheiten der fraglichen Drogeneinnahme glaubhaft erklärt. Tut er es wider Erwarten nicht, erscheint es daher zulässig, hieraus für ihn nachteilige Schlüsse zu ziehen. .... An dieser Sichtweise ist auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens festzuhalten. Sie führt, anders als der Antragsteller meint, nicht zu einer Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zu seinen Ungunsten. Vielmehr handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Das Verwaltungsverfahren kennt ebenso wie der Verwaltungsprozess grundsätzlich keine Behauptungslast und Beweisführungspflicht (formelle oder subjektive Beweislast). Behörden und Verwaltungsgerichte ermitteln den entscheidungserheblichen Sachverhalt von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW bzw. § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO). Indes sollen die Beteiligten bei der Sachaufklärung gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwVfG NRW mitwirken bzw. sind hierzu nach § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO heranzuziehen. Da die in diesem Rahmen geregelte Mitwirkung an der Ermittlung des Sachverhalts nicht mit Zwang durchgesetzt werden kann, sondern bloß eine Obliegenheit der Beteiligten betrifft, sind sie im Ausgangspunkt zwar frei, selbst darüber zu entscheiden, ob sie ihre Mitwirkung verweigern wollen oder nicht. Unterlässt es ein Beteiligter aber ohne zureichenden Grund, seinen Teil zur Sachaufklärung beizutragen, obwohl ihm das ohne Weiteres möglich und zumutbar ist und er sich der Erheblichkeit der in Rede stehenden Umstände bewusst sein muss, kann dieses Verhalten je nach den Gegebenheiten des Falles bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden.... So verhält es sich regelmäßig, wenn sich ein nach Cannabisgenuss verkehrsauffällig gewordener Fahrerlaubnisinhaber zu der Frage der Konsumhäufigkeit nicht oder nur unzulänglich äußert. Aus den genannten Gründen ist es erheblichen tatsächlichen Zweifeln ausgesetzt, dass einer Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr unter dem fahrerlaubnisrechtlich relevanten Einfluss von Cannabis ein Erstkonsum zugrundeliegt. Die Unwahrscheinlichkeit einer derartigen Sachverhaltsgestaltung rechtfertigt es, dem Betroffenen eine gesteigerte Mitwirkungsverantwortung aufzuerlegen, zumal er selbst durch sein Verhalten Fahren unter Drogeneinwirkung den entscheidenden Anlass gegeben hat, seine Konsumgewohnheiten im Vorfeld der Fahrt zu hinterfragen. Zugleich wird ein Cannabiserstkonsument, sollte es sich tatsächlich um einen solchen handeln, in aller Regel unschwer in der Lage sein, substantiiert darzulegen, wie es zu dem maßgeblichen Konsum gekommen ist und warum er sich schon kurz nach dem Konsumende wieder an das Steuer eines Kraftfahrzeugs gesetzt hat.

 

OVG Münster: Beschluss vom 12.03.2012 - 16 B 1294/11

 

zur Drogenfahrt im Straf- und OWi-Recht: Fahrerlaubnis und Alkohol, 5. Auf. 2010, Rn.  130 ff. und Rn.  395 ff.

Aus der Ratgeberliteratur zur nach Cannabiskonsum drohender MPU: Lenhart/Ziegler

 

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5 Kommentare

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Nanu?

Die zuletzt genannte Rechtsprechung [...] beruht auf der Überlegung, dass es ausgesprochen unwahrscheinlich ist, dass [...] er zum anderen dann auch noch trotz der geringen Dichte der polizeilichen Verkehrsüberwachung in eine Verkehrskontrolle gerät

Cannabis-induziertes Kamikaze-Verhalten des Konsumenten ("auf Feindfahrt")? Oder wie ist das jetzt zu verstehen? Wenn man angehalten wird, dann wird das schon seinen Grund haben (egal welchen)? Naja. Markiert sind ja die vermutlich entscheidenderen Passagen.

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Hans-Werner:

Man erwischt so wenige, dass es noch unwahrscheinlicher ist, dass man da zufällig nen Ersttäter dabei hat.

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Ich finde das so... nun ja, mir fehlt ein treffendes Adjektiv. Jeder weiß, dass ein Kiffer, der das erste mal einen durchzieht sich wohl nicht als nächstes hinters Steuer setzen wird. Aber, Cannabis wird nun mal langsamer abgebaut als Alkohol. Und nur weil man im Körper noch gewisse Abbauprodukte nachweisen kann (darauf wird doch getestet, oder?), sagt das sehr wenig über die Fahrtauglichkeit aus. Wir sollten uns ein Beispiel an Holland nehmen. Wo es sowas wie eine 0,5 Promille-grenze für Cannabis gibt. Und der größte Schwachsinn ist dann wiederum, dass wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, und man erklären will, man ist ein verantwortungsvoller Kraftzeugführer, nun ja, man hat mal Cannabis konsomiert, aber... keine Chance. Bleiben wir bei dem Märchen vom Erstkonsum. Mit dieser Lüge scheinen alle Beteiligten besser leben zu können.

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Und das Schlimme ist, es funktioniert auch noch. Ein Bekannter von mir war drei mal bei der MPU deswegen. Zweimal hat er es mit Verständnis, gesundem Menschenverstand etc versucht. Sinnlos. Dann versuchte er es mit Erstkonsum.

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