Hatte der Tote zwei Kinder?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 24.04.2012
Rechtsgebiete: VaterschaftsfeststellungFamilienrecht8|5436 Aufrufe

Der Ehemann war im Jahr 2010 hochbetagt verstorben. Die 81-jährige Witwe und seine erwachsene Tochter ließen ihn Feuer bestatten.

 

12 Tage nach dem Tod erschien ein 1969 geborener Mann und behauptete, der Verstorbene sei sein nichtehelicher Vater.

 

Er leitete ein entsprechendes Vaterschaftsfeststellungsverfahren ein. Das Gericht ordnete die Einholung eines schriftlichen DNA-Gutachtens unter Einbeziehung des Antragstellers, dessen Mutter, der Witwe und der ehelichen Tochter an.

 

Hiergegen wehrte sich die Tochter. Sie sei nicht bereit, in einem Prozess gegen ihre Mutter als Beweismittel zu dienen. Als Tochter habe sie ein Zeugnisverweigerungsrecht. Deshalb müsse ihr auch das Recht zustehen, eine körperliche Untersuchung zu verweigern, die als Beweismittel in einem Verfahren gegen ihre Mutter verwendet werden solle. Im Übrigen habe die Art des Vorgehens des Antragstellers nach 23 Jahre langer Wartezeit bis kurz nach dem Tod des Putativvaters sehr wohl Einfluss auf die Prüfung der Zumutbarkeit.

Dem schloss sich das OLG München nicht an.

Nach § 178 I FamFG hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zu dulden, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, es sei denn, dass ihr die Untersuchung nicht zugemutet werden kann. Zur Duldung verpflichtet ist jede Person, die für den zu erbringenden Nachweis der Abstammung in Betracht kommt. Das können auch Angehörige wie die leiblichen Eltern eines verstorbenen Mannes sein, dessen Vaterschaft behauptet wird. Denn in den so genannten Defizienzfällen, in denen die Untersuchung eines der beiden Elternteile nicht möglich ist, kann es notwendig sein, Eltern, Geschwister oder andere Kinder des Elternteils in die Untersuchung einzubeziehen.

Wird in einem Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft nach einem verstorbenen Mann die erforderliche Erstellung eines Gutachtens unter Einbeziehung eines Abkömmlings des Verstorbenen angeordnet, kann dieser den Einwand der Unzumutbarkeit der Mitwirkung weder auf die wahrscheinlichen finanziellen Auswirkungen einer Vaterschaftsfeststellung (Pflichtteilsanspruch gegenüber seiner Mutter als Witwe) stützen noch darauf, dass der volljährige Antragsteller bereits zu Lebzeiten des Verstorbenen ausreichend Zeit gehabt hätte, das Feststellungsverfahren einzuleiten, dies aber aus familiären Rücksichten unterlassen habe.

OLG München v. 27.06.2011 - 33 UF 942/11

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

8 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Quote:
Nach § 178 I FamFG hat jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben zu dulden, soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist

 

...es sei denn, es ist der Vater bzw. ein Mann, der die Abstammung des Kindes feststellen möchte und die Mutter mit ihrem neuen Freund hat etwas dagegen. Durch alle Instanzen bis zum EGMR bestätigt: Az. 23338/09 vom 22.3.2012

 

"Da das Kind einen rechtlichen Vater habe, habe der Kläger kein Recht auf Feststellung seiner Vaterschaft durch einen Gentest"

 

Kommt eben immer darauf an, wer die Abstammung feststellen will. Sind es Männer/Väter, tun sich in der allgemeinen Regel oben plötzlich gewaltige Ausnahmelöcher auf.

Die Abstammung ist eine grundlegende Eigenschaft eines jeden Menschen, nennen sie es ein Axiom. Wer da verschiedene Szenarien daraus macht, in denen ihre Feststellung mal schrankenlos erlaubt ist und mal nicht, der produziert selber Äpfel und Birnen aus einem Menschen.

 

Der Satz, jede Untersuchung dazu müsse geduldet werden ist falsch. Juristen sind gewiss keine Naturwissenschaftler (eher das Gegenteil davon), aber soviel Exaktheit sollte man hinnehmen können.

Ist § 178 FamFG denn verfassungsgemäß?

Mir erscheint die derart weit gefasste Vorschrift verfassungswidrig oder zumindest verfassungsrechtlich zweifelhaft.

In der rigorosen weiten Fassung dürfte § 178 FamFG wohl mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht zu vereinbaren ein.

Und im Falle einer zwangsweisen (gewaltsamen) Blutprobenentnahme auch nicht mit dem Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit.

Der § scheint Ausfluss staatlicher Allmachtsphantien zu sein.

3

@ Tobias:

Das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung geht nach Auffassung der Rechtsprechung vor. Mit "staatlicne Allmachtsphantasien" hat das nichts zu tun.

Meines Erachtens ist dies auch sehr gut nachvollziehbar.

Das Wissen um die Herkunft ist ein derart identitätsstiftendes Element im Leben eines Menschen, dass demgegenüber eine Verletzung durch eine Blutentnahme zu ertragen sein sollte.

Auch bei dem neueren Beitrag von Herrn Burschel, wo eine Exhumierung angeordnet worden ist, wäre nicht nur in Anbetracht der Totenruhe, sondern auch aus dem Gebot des wirtschaftlichen Handelns des Staates eine zwangsweise durchgeführte Blutentnahme m.M. nicht unbillig gewesen.

Da war der Richter wohl schlicht betriebsblind, dass er diese Vorgehensweise nicht bedacht hat.

Was solls der Steuerzahler hat es ja...

 

0

Frage mich aber schon, ob sich bei einer zwangsweisen DNA-Probenentnahme nicht manchmal erniedrigende und dramatische Szenen abspielen, die an Geschehen wie im Film "Einer flog übers Kuckucksnest" erinnern.

Überwältigen Gerichtsvollzieher und Polizisdten die unwillige und von der Zwangsmaßnahme betroffene Person, und fesseln sie in eine Zwangsjacke, bis die DNA-Probe genommen worden ist?

Haftet irgenjemand für bei solch einer Demütigung und Überwaltigung bei einem sensiblen Betroffenen eventuell zurückbleibenden psychischen Traumata oder Schäden?

Für den von solch einer Zwangsmaßnahme Betroffenen dürfte sich soetwas wohl fast Ähnlich wie eine Vergewaltigung anfühlen.

  

0

Kommentar hinzufügen