BAG: Anspruch aus betrieblicher Übung auf Vereinbarung eines Versorgungsrechts

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 17.05.2012

 

Bei Ansprüchen aus betrieblicher Übung denkt man zunächst und in erster Linie an jährliche Sonderzahlungen, wie etwa Weihnachtsgratifikationen. Dazu passt die Faustformel „drei mal gewährt – immer gewährt“. Vielfach wird übersehen, dass das Institut der betrieblichen Übung einen weiteren Anwendungsbereich hat und beispielsweise zu einem Anspruch auf verbilligtes Kantinenessen, zu einem Anspruch auf Freizeit an Brauchtums- oder Feiertagen oder vielleicht sogar zu einem Anspruch auf private E-Mail- und Internetnutzung führen kann. Außerhalb der klassischen Fälle der mindestens dreimalig gewährten Sonderzahlung stellt sich die Annahme einer durch betriebliche Übung begründeten Bindung jedoch schwieriger dar. Ein schön Anwendungsbeispiel der betrieblichen Übung liefert eine neue BAG-Entscheidung (Urteil vom 15. Mai 2012 - 3 AZR 128/11). Die beklagte Landesbank bot seit 1972 (nahezu) allen Arbeitnehmern, die eine Dienstzeit von 20 Jahren im Kreditgewerbe, davon mindestens 10 Jahre bei der Bayerischen Landesbank zurückgelegt, eine gute Beurteilung durch ihre Vorgesetzten erhalten hatten und in einer gesundheitlichen Verfassung waren, die eine vorzeitige Zurruhesetzung nicht erwarten ließ, Versorgungsrechte an. Anfang des Jahres 2009 beschloss die Beklagte, die Vereinbarung von Versorgungsrechten einzustellen. Dem Kläger, der die Voraussetzungen am 1. Januar 2010 erfüllte, wurde folgerichtig kein Versorgungsvertrag mehr angeboten. Die auf Abgabe eines Vertragsangebots durch die beklagte Bank gerichtete Klage hatte vor dem BAG Erfolg. Das BAG bejaht eine betriebliche Übung derzufolge die Beklagte unter bestimmten – hier erfüllten – Voraussetzungen verpflichtet ist, die Vereinbarung eines Versorgungsvertrags anzubieten. Die in der Pressemitteilung formulierte Quintessenz lautet: „Bietet der Arbeitgeber vorbehaltlos über Jahre hinweg seinen Arbeitnehmern bei Erfüllung bestimmter Voraussetzungen den Abschluss eines Versorgungsvertrages an, der ua. eine Versorgung nach beamtenähnlichen Grundsätzen vorsieht, so ist er aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet, allen anderen Arbeitnehmern, die die Voraussetzungen erfüllen, den Abschluss eines inhaltsgleichen Versorgungsvertrages anzubieten.“ 

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