Keine Kündigung einer lesbischen Kindergärtnerin durch die Kirche in der Elternzeit

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 19.06.2012

Das Verwaltungsgericht Augsburg hat der katholischen Kirche die Kündigung einer lesbischen Kindergärtnerin während der Elternzeit untersagt. Die Kirchenstiftung im Landkreis Neu-Ulm hatte als Trägerin des Kindergartens die nach § 18 BEEG erforderliche Zustimmung zur Kündigung beantragt, diese aber nicht erhalten. Die entsprechende Verpflichtungsklage gegen den Freistaat Bayern scheiterte jetzt vor dem Verwaltungsgericht. Das berichtet die Rheinische Post in ihrer Online-Ausgabe.

Eingehung einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft stellt keinen "besonderen Fall" dar, bei dem die behördliche Zustimmung zu einer Kündigung während der Elternzeit zu erteilen ist 

Die Arbeitnehmerin hatte zeitgleich mit ihrem Antrag auf Gewährung von Elternzeit der Kirchenstiftung ihre eingetragene Lebenspartnerschaft mit einer Frau mitgeteilt. Ihr sei bewusst, dass ihre Lebensweise in der katholischen Kirche nicht anerkannt sei, schrieb sie darin. Sie stehe jedoch weiterhin zu ihrem Glauben. Daraufhin entschloss sich der Kindergartenträger zur Kündigung und beantragte die dafür erforderliche Zustimmung. Die Diözese Augsburg, die die katholische Pfarrkirchenstiftung als Klägerin vertritt, war der Auffassung, in dem Fall müsse die Außenwirkung gesehen werden. Die Erzieherin habe dem Bistum mitgeteilt, dass sie sich vom Schwulen- und Lesbenverband habe beraten lassen. Dieser wolle daraus vielleicht einen Musterfall machen. Das Gericht wies diesen Einwand mit der Begründung zurück, die Arbeitnehmerin habe diese potenziellen weiteren Schritte lediglich der Kirche mitgeteilt, sie sei damit aber nicht in die Öffentlichkeit gegangen. Es liege kein "besonderer Fall" vor, der die Zustimmung zu einer Kündigung während der Elternzeit rechtfertige (VG Augsburg, Urt. vom 19.06.2012 - 3 K 12.266).

Keine Entscheidung über die arbeitsrechtliche Wirksamkeit einer potenziellen Kündigung

Ob die Eingehung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft arbeitsrechtlich eine Kündigung rechtfertigen kann, hatte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden. Sollte die Kirchenstiftung der Kindergärtnerin nach Beendigung der Elternzeit - dann ist keine behördliche Zustimmung mehr nötig - kündigen, hätten darüber die Gerichte für Arbeitssachen zu entscheiden.

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8 Kommentare

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Es ist sowieso allerhöchste Zeit, dass den "Tendenzbetrieben" endlich untersagt wird, die Grundrechte mit Füßen zu treten und "die Regelung innerer Angelegenheiten" (nur das ist verfassungsrechtlich garantiert, nicht die Einschränkung von Grundrechten, die unmittelbar bindendes Recht sind!) als Vorwand hernehmen, ein menschenverachtendes Weltbild durchzusetzen.

Ferner sollte den Gemeinden spätestens mit Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz untersagt werden, Tendenzbetrieben die Trägerschaft für solche gesetzlich garantierten Einrichtungen zu übertragen. Zumindest sollten sie verpflichtet sein, auch eine weltanschaulich neutrale Betreuung in ausreichendem Umfang anzubieten. Ein Kind hat ein Recht auf Nicht-Indoktrination.

Da die frühkindliche Erziehung aber aus "Geldmangel" (d.h. weil jeder Bürgermeister lieber sein persönliches Denkmal in Form einer Therme oder eines anderen Millionengrabes errichten will oder seine Spezln mit gutbezahlten Referentenposten belohnen muss) weiterhin Billiglohnsektor bleiben muss, werden diese menschenrechtswidrigen  Arbeitsverhältnisse wohl weiterbestehen und Deutschland wird in seiner weltweiten Wettbewerbsfähigkeit auf den Rang abrutschen, in dem es bei den Ausgaben für Bildung heute schon steht: Platz 28 (http://www.wiwo.de/politik/deutschland/bildungspolitik-deutschland-versa...)

Christian.Rolfs schrieb:

Ob die Eingehung der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft arbeitsrechtlich eine Kündigung rechtfertigen kann, hatte das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden.

 

Da dem so ist, kann sich der Beitrag des Users "Mein Name" m. E. nicht sinnvollerweise für oder gegen die hier von Herrn Prof. Dr. Rolfs vorgestellte Entscheidung des VG Augsburg richten.

 

Die letztlich arbeitsrechtlichen Argumente von "Mein Name" haben nämlich in dem Verwaltungs(gerichts)-Verfahren grundsätzlich nichts zu suchen. Die Frage nach dem Tendenzbetrieb usw. (man könnte auch noch an Diskriminierung wg. der sexuellen Orientierung der Lesbierin denken) könnten sich nämlich in der Verwaltungsgerichtsbarkeit - hier im Verfahren nach dem BEEG - nur insoweit auswirken, als es der katholischen Kirchenstiftung als Klägerin an dem sog. "Sachbescheidungsinteresse" fehlen würde.

 

Dieses Instrument wurde ursprünglich im Baurecht entwickelt. Lesenswert ist hierzu beispielsweise das in die amtliche Sammlung gelangte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.03.1976 (Az.: IV C 7/74), in: BVerwGE 50, 282 = NJW 1976, 1987. Hiernach darf die Behörde einem Bauherrn die Baugenehmigung versagen, wenn sie zwar nach öffentlichem Recht theoretisch erteilt werden könnte, jedoch wegen entgegenstehender privater Rechte Dritter feststeht, dass das beantragte Bauvorhaben selbst bei Erhalt der Genehmigung niemals durchgeführt werden könnte. Das BerwG hat in der besagten Entscheidung auch ausgeführt, dass das Fehlen des "Sachbescheidungsinteresse" keinen drittschützenden Charakter hat. Der Nachbar des Bauherrn kann sich also nicht vor den Verwaltungsgerichten darauf berufen, dass er aus zivilrechtlichen Gründen berechtigte Einwendungen gegen das Vorhaben hätte.

 

Diese Grundsätze hat unser Verwaltungsgerichtshof hier in Mannheim in seinem Urteil vom 03.04.2002 (Az.: 7 S 1651/01, in: NZA-RR 2002, 417) mir Recht auch auf arbeitsrechtliche Sachverhalte angewandt. Es thematisierte in einem Verfahren nach dem SGB IX (Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen) die Frage, ob die Verwaltungsbehörde ausnahmsweise eine arbeitsrechtliche Prüfung vornehmen darf, ...

 

"[...] wenn die vom Arbeitgeber beabsichtigte Kündigung offensichtlich aussichtslos (unwirksam) sein wird. Für eine solche Behördenentscheidung würde dem Arbeitgeber das [...] Bescheidungsinteresse fehlen. Denn er würde lediglich in den Besitz einer Zustimmung gebracht, mit der er arbeitsrechtlich nichts anfangen könnte."

 

Ein solcher Fall liegt in der vier vorgestellten Sache aus Augsburg nicht vor. Denn von der Art und Weise, wie die Katholische Kirche und ihre Untergliederungen als Tendenzbetriebe mit gleichgeschlechtlichen Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmern umgehehen, mag sich so mancher aus rechtspolitischer, menschlicher oder sogar christlicher Sicht mit großer Selbstsicherheit oder -gewissheit ganz eindeutig distanzieren können. Dennoch lässt sich nicht behaupten, dass die damit verbundenen, im Arbeitsverhältnis wurzelnden möglichen Rechts- und auch Grundrechtsverstöße so offenkundig zu Tage liegen, dass sie im Verwaltungsprozess im Sinne fehlenden Sachbescheidungsinteresses durchschlagen müssten. Das VG Augsburg hat sich daher m. E. mit Recht nicht auf dieses Glatteis begeben und deshalb die Sache rein nach öffentlichem Recht entschieden.

Martin Bender schrieb:

... kann sich der Beitrag des Users "Mein Name" m. E. nicht sinnvollerweise für oder gegen die hier von Herrn Prof. Dr. Rolfs vorgestellte Entscheidung des VG Augsburg richten.

Er war auch nicht in dem Sinne gemeint, sondern eine Reaktion auf das Kündigungsbegehren des Arbeitgebers.

@ Prof. Rolfs: und dort steht lediglich "Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes."

Ein Sonderrecht in dem Sinne, dass sich Arbeitnehmer eines Tendenzbetriebes neben der üblichen arbeitsrechtlichen Treuepflichten anders verhalten müssten als bei weltanschaulich neutralen Arbeitgebern, lässt sich daraus jedenfalls nicht herleiten.

Im Gegenteil: dort steht vielmehr die Verpflichtung, dass sich die Kirchen an die für alle geltenden Gesetze halten müssen, sei es zu Tarifverhandlungen, Streikrecht oder Kündigung.

Wer daraus die Ermächtigung begründen will, die Grundrechte (die ja nicht ohne Grund an erster Stelle im GG stehen) der Arbeitnehmer stärker einschränken zu dürfen als weltanschaulich neutrale Arbeitgeber ohne Sicherheitsaufgaben, der hat wohl große Schwierigkeiten mit dem Lesen und Verstehen von einfachsten Texten.

@ #1:

Grundrechte gelten unmittelbar nur im Verhältnis Staat-Bürger (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG). Im Verhältnis Arbeitgeber-Arbeitnehmer haben sie lediglich mittelbar, nämlich im Rahmen der Generalklauseln des Privatrechts, Bedeutung.

Nicht nur Arbeitnehmer haben verfassungsrechtlich verbürgte Rechte, sondern auch Arbeitgeber. Das gilt auch und insbesondere für die Kirche, siehe Art. 140 GG i.V. mit Art. 137 WRV.

Sehr geehrter Herr Prof. Rolfs,

ich habe weniger Sie gemeint als die Richter, die aus dieser die Kirchen einschränkenden Vorschrift einen Freibrief zur Gedanken- und Verhaltenskontrolle über alle von Kirchen beherrschten Unternehmen gemacht haben.

Aber wenn Sie sich den Schuh schon anziehen: lesen Sie doch mal den von Ihnen verlinkten RP-Artikel nach, dort steht u.a. "Weiter erläuterte Moll als Grund für die Gerichtsentscheidung, die Erzieherin habe "keinen großen Bohei" um ihren Fall gemacht. So sei sie nicht von sich aus an die Presse gegangen, wie etwa ein Arzt an einem katholischen Krankenhaus in den 1980er Jahren. Dieser war öffentlich für die Fristenlösung bei der Abtreibung eingetreten."

Möglicherweise genau die Entscheidung, auf die Sie hingewiesen haben? Das Verhalten des Arztes wurde ja bereits durch das BAG als Verstoß gegen Loyalitätspflichten aufgefasst - das wäre ungefähr so als hätte ein RWE-Angestellter 2010, also während der Grossmann-Ära, eine öffentliche Unterschriftenaktion gegen die AKW-Laufzeitverlängerung gestartet. Analog gilt dies für den Kirchenaustritt im zweiten in der Verfassungsbeschwerde behandelten Fall.

Diese beiden Fälle kann man vergleichen mit Anforderungen, die ein Arbeitgeber bezüglich Vorstrafenfreiheit oder Bonität/Schufa-Einträgen an einen mit Geldverkehr befassten Arbeitnehmer stellen darf.

Im angesprochenen Fall geht es aber um einen privaten Lebensbereich, der nichts mit der Berufsausübung zu tun hat und auch nicht um eine öffentliche, das Ansehen des Arbeitgebers gefährdende Äußerung.

Dazu kommt - jetzt wird's wieder arbeitsrechtlich: seit der Schuldrechtsreform unterliegen (neu abgeschlossene) Arbeitsverträge der AGB-Kontrolle. Eine Formulierung wie "Die Pflichten der Dienstgemeinschaft sind durch den Auftrag bestimmt, den die Caritas als Lebens- und Wesensäußerung der Christen und der Kirche hat. ... Ihr gesamtes Verhalten in und außer dem Dienst muß der Verantwortung entsprechen, die sie als Mitarbeiter im Dienste der Caritas übernommen haben. Es wird vorausgesetzt, daß sie den christlichen Grundsätzen bei der Erfüllung ihrer dienstlichen Pflichten Rechnung tragen." dürfte das Bestimmtheits- und Transparenzkriterium wohl kaum erfüllen (siehe die analoge Entscheidung zu den Versicherungsbedingungen http://blog.beck.de/2012/05/27/klausel-in-rechtsschutzversicherungsvertr...), vom katholischen Kanon mit seinen 1752 Artikeln will ich gar nicht erst anfangen. Und ich glaube kaum, dass in den Arbeitsverträgen von Tendenzbetrieben oder den einbezogenen Richtlinien dazu genau drinsteht, was der Arbeitnehmer neben den üblichen arbeitsvertraglichen Pflichten tun darf oder lassen muss, insbesondere wenn es um sein Privatleben geht.

Insofern werden die Tendenzbetriebe wohl bei zukünftigen, weltanschaulich motivierten Kündigungsversuchen einen sehr schweren Stand haben - und selbst wenn die Vorschriften tatsächlich so konkret abgefasst sein sollten, ist immer noch fraglich, ob sie die Güterabwägung mit den Grundrechten der Arbeitnehmer bestehen werden (Beispiel: nicht nur die Ehe, sondern auch die Familie steht unter dem besonderen Schutz des Staates, und um eine Familie zu gründen muss man nicht verheiratet sein) oder gar von vornherein sittenwidrig sind.

Inzwischen berichtet auch SpiegelOnline über den Fall. Dort auch mit Foto der Arbeitnehmerin und ihrer Lebenspartnerin (wenn auch nur halb von hinten).

Irreführend ist nur wieder die Überschrift: "Lesbische Erzieherin siegt gegen katholische Kirche". Dabei war die Arbeitnehmerin in diesem Verwaltungsprozess nur Beigeladene. Juristisch korrekt (aber eben nicht so schön reißerisch) gewesen wäre "Katholische Pfarrkirchenstiftung unterliegt gegen den Freistaat Bayern".

Hoffen wir, dass das Fazit, das Hensche zieht, auch in diesem Fall zutrifft:

"Dieses Urteil ist nicht selbstverständlich. Denn nach der Grundordnung des kirchlichen Dienstes soll eine Kündigung ausgesprochen werden, wenn ein leitend tätiger Mitarbeiter einen von der Grundordnung als schwerwiegend bewerteten Loyalitätsverstoß begeht und damit in gravierender Weise gegen Grundsätze der katholischen Kirche verstößt. Das ist nach der Grundordnung unter anderem dann der Fall beim "Abschluss einer nach dem Glaubensverständnis und der Rechtsordnung der Kirche ungültigen Ehe".

Daher müssen Personalverantwortliche katholischer Einrichtungen infolge der Grundordnung auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen mit leitenden Mitarbeitern hinwirken, wenn diese in einer gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft leben oder wenn sie nach einer "weltlichen" Scheidung erneut heiraten, ohne zuvor die Ehe nach kirchlichem Recht annulieren zu lassen. Damit haben katholische Einrichtungen in den letzten Jahren aber vor Gericht kaum mehr Erfolg. Denn die Gerichte bekennen sich zwar zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, lassen aber Kündigungen, die mit Verstößen gegen die kirchliche Moral begründet werden, immer wieder bei der Abwägung scheitern.

Fazit: Nach der aktuellen Rechtsprechung haben das Persönlichkeitsrecht und die Privatsphäre leitender Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen Vorrang gegenüber den moralischen Regeln, die in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes festgeschrieben sind. Das zeigt auch der vorliegende Fall."

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