Wasserkartellrecht – Entwickelt sich der Rohrbruch zur Sturmflut?

von Dr. Rolf Hempel, veröffentlicht am 25.07.2012

Am 30.01.2012 hatte ich im Blog über den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2011 berichtet. Der Bundesgerichtshof hatte damals klargestellt, dass eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Trinkwasser auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs und einer Gebührensatzung liefert, ein Unternehmen im Sinne der Vorschrift über die Auskunftspflichten gegenüber den Kartellbehörden ist (§ 59 Abs. 1 GWB). Offen blieb damals, ob eine Anwendung der Missbrauchsvorschrift des § 19 GWB auf öffentlich-rechtlich organisierte Wasserversorger, die auch die Beziehung zu den Wassernutzern öffentlich-rechtlich ausgestaltet haben, in Betracht kommt.

Der Bundesgerichtshof hat womöglich Gelegenheit, seine dunklen Andeutungen in der damaligen Entscheidung zu präzisieren. Ob sich der Wassereinbruch in der öffentlichen Wasserversorgung zur Sturmflut auswachsen wird?

Zum Hintergrund

Der enwag, dem Wasserversorger in Wetzlar, war durch die zuständige Landeskartellbehörde Hessen aufgegeben worden, die Wasserpreise zu senken. Die Verfügung der Behörde hatte auch vor dem Bundesgerichtshof weitgehend Bestand. Die Stadt beschloss darauf hin wenige Monate nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, die Wasserversorgung künftig wieder in öffentlich-rechtlicher Form zu organisieren, um eine kartellrechtliche Kontrolle über Wasserpreise zu vermeiden. Die Landeskartellbehörde hatte dem Wasserversorger zuvor erneut aufgegeben, die Wasserentgelte zu senken. Einige Monate nach Rekommunalisierung der Wasserversorgung in Wetzlar erließ die Landeskartellbehörde eine Auskunftsverfügung nach § 59 GWB gegen den inzwischen hoheitlichen Wasserversorger. Auf den Antrag der Betroffenen hatte das Oberlandesgericht Frankfurt in einer Entscheidung vom 20.09.2011, Az. 11 W 24/11 (Kart), die aufschiebende Wirkung der Beschwerde der Betroffenen gegen die Auskunftsverfügung der Landeskartellbehörde angeordnet. Die Rechtsbeschwerde war nicht zugelassen worden. Dem Oberlandesgericht fehlte angesichts der Rekommunalisierung ein schlüssiges Ermittlungskonzept der Behörde.

Durch Beschluss vom 19.06.2012, auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs veröffentlicht am 24.07.2012, hat der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs auf die gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde gerichtete Beschwerde der Landeskartellbehörde die Rechtsbeschwerde zugelassen (Beschluss vom 19.06.2012, Az. KVZ 53/11).

Der Bundesgerichtshof führt aus:

"Die Rechtsbeschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung […] zuzulassen. Es ist zu klären, ob die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen eine Auskunftsverfügung deshalb angeordnet werden kann, weil sich diese Verfügung gegen einen Wasserversorger richtet, der die Leistungsbeziehungen zu seinen Abnehmern öffentlich-rechtlich ausgestaltet hat."

Dann stellt der Senat in den Raum:

"Insofern könnte von Bedeutung sein, dass der Senat in der Entscheidung "Niederbarnimer Wasserverband" ausdrücklich offen gelassen hat, ob die in öffentlich-rechtlichen Formen tätigen Wasserversorger wegen der Besonderheit, dass die öffentlich-rechtliche und die privatrechtliche Ausgestaltung der Leistungsbeziehung im Fall der Wasserversorgung weitgehend austauschbar sind, der Preiskontrolle nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen unterworfen sind" (a.a.O., Tz. 1, a.E.).

Der Bundesgerichtshof wird diese offene Frage also womöglich zu entscheiden haben. Es bleibt abzuwarten, ob Rekommunalisierungskonzepte danach noch ein gangbarer Weg sind, der kartellrechtlichen Wasserpreisaufsicht zu entkommen (und dafür aber der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle von Wassergebührensatzungen zu unterliegen).

Würde der Bundesgerichtshof dem GWB eine Befugnis der Kartellbehörden zur Prüfung von Wassergebühren entnehmen, so würde sich die Forderung des Bundeskartellamts nach einer Klarstellung durch den Gesetzgeber der 8. GWB-Novelle (vgl. Stellungnahme des Bundeskartellamts zum Regierungsentwurf zur 8. GWB-Novelle, 22.06.2012) erübrigen.

Insgesamt stehen die Zeichen also auf Sturm in der Wasserversorgung.

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