Wir präsentieren: Den Loser, der Eure Kinder erschossen hat

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 25.07.2012

In den USA findet nach dem Anschlag auf die Premiere des Batman-Films eine Debatte statt, die auch wir schon geführt haben. Nach dem Mordanschlag auf eine Schule in Winnenden habe ich in einem meiner ersten Beiträge im Beck-Blog ein "Schulamokveröffentlichungsgesetz" vorgeschlagen. Mit diesem Gesetz sollte es Redakteuren und Verlagen unter Strafandrohung verboten sein, über solche Attentate unter Identifizierung des Täters zu berichten. Der provokante, aber durchaus ernst gemeinte Vorschlag sollte auf den Aspekt hinweisen, den viele Fachleute für nicht zu vernachlässigen halten: In solchen Anschlägen auf Schulen (oder auch anderen Einrichtungen) steckt im Kern die auch durch die Medienberichterstattung verursachte Gefahr einer kulturellen Entwicklung hin zum Wunsch nach Berühmtheit, egal unter welchen Vorzeichen. Eine solche Berühmtheit ist relativ leicht zu erlangen durch ein Verbrechen großen oder größten Ausmaßes. Wohl mit diesem Ziel hat sich der Täter die Premierevorstellung eines weltweit seit Monaten beworbenen Films ausgesucht - hier war die maximale Aufmerksamkeit zu erlangen. Ein (bislang nicht quantifizierbarer) Faktor, der bei solchen Taten - neben gravierenden Persönlichkeitsstörungen oder gar Psychosen - eine Rolle spielen könnte, ist die Nachahmung bzw. der Wunsch nach Übertreffen vorheriger ähnlich gelagerter Attentate.

In den USA ist jedenfalls in einigen Zeitungen die Debatte, die wir nach Winnenden (und nach Ansbach) geführt haben, aufgebrochen: Ist es richtig, den Tatverdächtigen mit Bild und Namen - schon Minuten nach der Tat - zu identifizieren und weltweit zur wirtschaftlich ausgebeuteten Nachricht zu machen, oder befördert man gerade damit die Gefahr von Nachahmungen?

Auszug (J.J.Gould in The Atlantic):

You don't have to have a firm stake in debates over the dynamics of "copycat killings" (which is tricky terrain with slippery slopes) to conclude that when the media sensationalize an act of mass killing, they're likely giving the killer something he wants, possibly the thing he killed for, and plausibly meanwhile giving another potential killer more of an incentive than he'd otherwise have to realize his potential.

Vorschläge in dieser Debatte sind weit von einer strafrechtlichen Lösung, wie ich sie erwogen habe, entfernt. Aber anders als der Gouverneur von Colorado, der den Attentäter nur "suspect A" nennen will (das klingt fast putzig in einer Zeit, in der die Amerikaner den vollständigen Namen inzwischen besser kennen als den ihres Präsidenten), greift Gould den Vorschlag eines Kommentators auf, man solle sich darauf einigen, bei jeder Erwähnung und bei jedem Bild des Tatverdächtigen darunter zu schreiben: "Loser", um jedenfalls die Assoziation "Hero" subtil zu hintertreiben:

Just employ the qualifier 'LOSER' every time their names are mentioned. So for example a picture caption would read "LOSER joe blow," etc. Maybe news media should also include an apology alongside each picture, like, "We are sorry to have to show you this LOSER picture, but ..."

Einen ganz anderen Standpunkt nimmt John Cassidy im New Yorker ein: Die Namen der Täter bzw. Verdächtigen seien schnell wieder vergessen. Die Debatte um die Medienberichterstattung lenke nur ab von der eigentlichen Debatte, die  in den USA geführt werden müsse: Über die Verschärfung des Waffenrechts, die alle Politiker scheuen:

In Britain, the name Michael Ryan—he shot sixteen people in 1987—is associated with a ban on semi-automatic weapons. In Canada, the name Marc Lépine—he shot fourteen women in 1989—is tied to gun laws that required gun owners to undergo a thorough background check, register their weapons, and take a course in firearms safety. Here, then, is the second and most important reason we shouldn’t erase Holmes from the record. As long as his name and his heinous acts live on in the public consciousness, there may be some chance of reform.

Ich glaube hingegen, dass die Erinnerung an den Namen des Täters dafür nicht erforderlich ist, es genügt die Örtlichkeit. So ist in der Diskussion in den USA übrigens "Winnenden" ein wichtiges Stichwort.

Links zu lesenswerten Beiträgen in der  Debatte:

"This man is a Loser" in: The Atlantic

"How the Media shouldn´t cover a mass murder" in: New Statesman

Charlie Broker (BBC) 2009 zur Aufbereitung von Winnenden (youtube)

Why Obama shouldn´t write J. H. out of history in: The New Yorker

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21 Kommentare

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Das ist einer der sinnvollsten Ansätze in der gesamten Diskussion um Amokläufe, den die Regierung schnellstens umsetzten sollte. Bis zur Umsetzung eines Gesetzes (reicht es in den Pressegesetzen?) sollte es ad hoc eine Selbstverpfichtungserklärung in den Medien geben. Unter präventiven Aspekten halte ich sogar die Benennung als "Loser" für tragfähig, auch wenn dies sehr provokant ist. Man sollte sich trauen, dies bis zu Ende zu denken.  

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Ich unterstütze die Idee, den Täter negativ zu konnotieren. Zusätzlich wäre wünschenswert, wenn sich die Medien mit ihren wilden Spekulationen zurückhalten würden.

Beispiel Karlsruhe: Erst wurde vermutet, daß der Täter Jäger wäre, dann Sportschütze, und zuletzt wurde bekannt, daß alle besessenen Waffen illegal waren. Da hatte sich in der öffentlichen Wahrnehmung aber das "Jäger oder Sportschütze" schon festgesetzt.

Geschieht eine Tat mit illegalen Waffen ist die mediale Aufmerksamkeit hoch, aber nach spätestens 24 Stunden interessiert das Thema nicht mehr. Anders, wenn eine der extrem seltenen Taten mit einer legalen Waffe verübt wurde.

Zur zweiten Idee - der Reform des Waffenrechts: Wer sich die Statistiken von GB seit dem Handgun-Ban ansieht, der wird feststellen, daß die Schußwaffenkriminalität seitdem massiv angestiegen ist. Selbst die BBC und die altehrwürdig Times sprechen inzwischen von einem gigantischen Fehlschlag, der Millionen von Pfund gekostet, aber keinen Sicherheitsgewinn gebracht hätte. Es gibt eine offizielle Studie zum Versagen des britischen Waffenrechts.

Ein Amoklauf lässt sich nicht verhindern, indem man eine potentielle Tatwaffe verbietet. In Deutschland fanden bereits mehrere Amokläufe ohne Verwendung von Schußwaffen statt. Allerdings ohne großes mediales Interesse. In Asien herrschen teils absolute Schußwaffenverbote (China, Japan). Dort finden die Amokläufe mit alltäglichen Gebrauchsgegenständen statt: Hämmer, Messer, Äxte und anderes Werkezug. Die Opferzahlen sind da auch nicht gerade niedrig.

Ein Amoklauf ist ein gesellschaftliches Problem. Das Tatmittel ist (wie beim Suizid) zweitrangig.

Symptombekämpfung nützt wenig - wir müssen an die Wurzel des Übels ran und das sind die sozialen und gesellschaftlichen Probleme.

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EsEf schrieb:
wenn eine der extrem seltenen Taten mit einer legalen Waffe verübt wurde.
seltsamerweise werden gerade "legale" Waffen bei solchen "Amokläufen", besser: Massakern eingesetzt und fordern dann zweistellige Opferzahlen, gerade in Schulen.

Der Vergleich Erfurt/Winnenden (insgesamt über 30 Tote) mit Ansbach (kein Toter) zeigt doch gerade, wie fatal der leichte Zugang zu legalen Schusswaffen und Munition ist. Die Schüler in Emsdetten (ebenfalls legal erstandene Waffen) hatten einfach riesiges Glück. Auch in Lörrach (drei Tote) war es eine "legale" Waffe.

Welches Massaker in D, insbesondere an Schulen, auf offener Straße bzw. an Unbeteiligten (anders als in Karlsruhe, was am ehesten als "erweiterter Selbstmord" zu klassifizieren ist) ist denn bisher mit illegal beschafften Waffen verübt worden? "Nur" Eching/Freising mit drei Toten.

Es geht nicht um Schusswaffenkriminalität insgesamt, sondern um das Verhindern solcher öffentlichkeitswirksamer Massaker. Und davon gab es in Großbritannien seit Dunblane keines mehr.

Also bitte solche Waffenbesitzerpropaganda unterlassen, das ist überhaupt nicht hilfreich.

Bei solchen Dingen sollte man m.E. aber auch bedenken, dass sich der Grad der Zivilisiertheit einer Gesellschaft auch daran misst, wie eine Gesellschaft mir ihren Straftätern umgeht. Hier lässt sich besonders Norwegen hervorheben, die trotz der Monströsität des Breivikschen Massenmords diesen immer noch als einen Menschen betrachtet und ihn im Strafverfahren auch entsprechend behandelt hat.

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Sehr geehrter gast,

ich stimme Ihnen zu. Ich wollte auch eher auf die Debatte hinweisen und nicht unbedingt den Vorschlag unterstützen, der sich m.E. auch schnell abnutzt: Plötzlich wird dann "Loser" zum positiven Etikett. Also besser: Nicht über die Person schreiben. Zumal auch nicht ausgeschlossen ist, dass es sich bei ihm um einen kranken Menschen handelt.

Grüße

Henning Ernst Müller

Irgendwann einmal einigten sich die Medien nicht länger über Selbstmörder zu berichten, die sich eine Zeit lang in Hamburg vor die Züge warfen. Die Anzahl Selbstmörder, die diesen Weg wählten, war anschließend rückläufig. Nachahmung durch Berichterstattung war somit nachgewiesen. Aber noch immer werfen sich viele Menschen vor Züge. An den Gründen mag sich im Laufe der Zeit etwas geändert haben. War es in den 1920er und 30er Jahren noch überwiegend bittere Armut, ist´s in Zeiten der Grundsicherung anders. Aber wie ist es, wen interessiert das noch wirklich und wo ist was zu ändern?

 

MfG

Ich halte ein restriktives Waffenrecht (z.B. Munitionsbesitz nur erlaubt für Inhaber eines Waffenscheins*, Munition gehört sonst ausnahmslos auf den Schießstand und nicht ins Wohnhaus) auch für die wirksamere Lösung.

Der Gedanke, durch Verächtlichmachung oder Totschweigen des Namens Nachahmer abzuschrecken, hat zwar etwas für sich, ist aber mMn nicht zu Ende gedacht: in Blogs oder Foren (das Stichwort "/b/ was never good" sollte genügen) werden die Namen sowieso "für Insider" gehandelt (analog zum Klarnamen von Atze Schröder) und es reicht auch die nicht zu unterbindende Berichterstattung über die Tat an sich, um den Stein ins Rollen zu bringen - so vermutlich 2009, als das Massaker von Winnenden nur einen Tag nach dem im Geneva County stattfand.

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* vor Abfassen unqualifizierter Antworten: bitte nicht mit Waffenbesitzkarte verwechseln!

@ #8: das mag vielleicht für die waffenvernarrten und aggressiven US-Amis gelten, aber Taten wie in Erfurt/Emsdetten/Winnenden gab es früher nicht.

Wichtig an dem Artikel fand ich vor allem, dass die Zahl der Todesfälle (unter Studenten) durch Selbstmord oder Komasaufen jeweils viel höher als durch Mord ist. Die Schlussfolgerung, ein kluger Einsatz von Ressourcen könnte mehr Menschenleben präventiv retten, halte ich für einleuchtemd.

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Sehr geehrter Mein Name,

Sie schreiben:

Der Gedanke, durch Verächtlichmachung oder Totschweigen des Namens Nachahmer abzuschrecken, hat zwar etwas für sich, ist aber mMn nicht zu Ende gedacht: in Blogs oder Foren (das Stichwort "/b/ was never good" sollte genügen) werden die Namen sowieso "für Insider" gehandelt (analog zum Klarnamen von Atze Schröder) und es reicht auch die nicht zu unterbindende Berichterstattung über die Tat an sich, um den Stein ins Rollen zu bringen - so vermutlich 2009, als das Massaker von Winnenden nur einen Tag nach dem im Geneva County stattfand.

Da bin ich anderer Ansicht (siehe schon die ausführliche Diskussion vor drei Jahren): Es ist etwas völlig anderes, ob ein Name in irgendwelchen Internet-Foren gehandelt wird, oder ob der Tatverdächtige auf dem Titelbild des Spiegel, des Stern und  der BILD-Zeitung, fast allen Tageszeitungen in Deutschland, sowie in der Tagesschau, im heute-journal etc. abgebildet wird, jeweils garniert mit "Home-Stories" über seine Vergangenheit und Spekulationen über seine Motive (mobbing, Einzelgänger, schlechte Noten, verständnislose Eltern). Der Winnenden-Täter (und seine Nachahmer) hat erreicht, wovon viele junge Leute in dieser Altersgruppe träumen: Instant-Berühmtheit, die man sonst nur mit einer Goldmedaille in einer nicht abseitigen Sportart (mit Talent und jahrelangem Training) , und allenfalls - vor ein paar Jahren - noch mit DSDS erreichen konnte, oder (vielleicht) als Kanzlerkandidat der SPD. Ob Winnenden mit Geneva County zu tun hatte, erscheint mir fraglich. Dass allein die Berichterstattung über die Tat schon ausreichen kann, lässt sich kaum beurteilen - jedenfalls erscheint mir für das mögliche Motiv "Berühmtheit" mit entscheidend, dass die Person des Täters so weit wie möglich ausgeblendet wird.

Beste Grüße

Henning Ernst Müller

 

Henning Ernst Müller schrieb:
Da bin ich anderer Ansicht (siehe schon die ausführliche Diskussion vor drei Jahren): Es ist etwas völlig anderes, ob ein Name in irgendwelchen Internet-Foren gehandelt wird, oder ob der Tatverdächtige auf dem Titelbild des Spiegel, des Stern und  der BILD-Zeitung, fast allen Tageszeitungen in Deutschland, sowie in der Tagesschau, im heute-journal etc. abgebildet wird, jeweils garniert mit "Home-Stories" über seine Vergangenheit und Spekulationen über seine Motive (mobbing, Einzelgänger, schlechte Noten, verständnislose Eltern).

Das wird für den durchschnittlichen Beobachter einen spürbaren Unterschied darstellen. Der gerade als Nachahmer zur Tat Geneigte wird sich hingegen jegliches verfügbare Sonderwissen zu der als Vorlage dienenden Tat aneignen und ohne Schwierigkeit mit der selektiven Berichterstattung assoziieren. Ich habe Zweifel, ob den dazu vertretenen Thesen immer eine ausreichende forensische Differenzierung des Interesses an einer unmittelbaren persönlichen Darstellung und dem möglicherweise allein ausreichenden Interesse an einem vergleichbaren "Triumph" über die konkrete Opfergruppe der Tat, von dem der Nachahmer Kenntnis durch die Berichterstattung erlangt, zugrunde liegt.

Entscheidungen über Auswahl und Darstellungsweise von Nachrichten können Presseorgane natürlich eigenverantwortlich treffen. Die staatliche Erzwingung einer vergleichbaren Beeinflussung mag in einzelnen Notstandslagen auch gerechtfertigt sein, etwa um eine Massenpanik zu vermeiden.

Es ist aber nicht vereinbar mit der Rolle der Medien, dauerhaft unter exekutiver Kontrolle kriminalpräventive Ziele durch Nichtinformation zu verfolgen. Eine Öffnung gegenüber einem solchen Ansatz könnte ebenso für jeden anderen Sachverhalt eine Einzelfallabwägung begründen, was konkret zur Berichterstattung "erforderlich" ist und ob dem Informationsinteresse bezüglich der jeweiligen Inhalte ein "legitimes" Desinformationsinteresse gegenüber steht. Von einer geringen Aufklärungsquote oder dem hohen Ertrag eines strafbaren Verhaltens zu erfahren, ist aus Sicht Mancher vielleicht dem Ziel allgemeiner Redlichkeit unterzuordnen. Beispielsweise hat der Konsum von "Raubkopien" aller Art aus dem Internet ein attraktives Nutzen-Risiko-Verhältnis, dessen mediale Darstellung oder Verschleierung bereits hart umkämpft ist.

Ein Gesetz sollte zudem nicht unter einer Bezeichnung diskutiert werden, die den Regelungsinhalt beschönigend ins Gegenteil verkehrt. Ebenso etwas irreführend in der ursprünglichen Diskussion zum "Schulamokveröffentlichungsgesetz" ist Ihr Verweis auf den größeren Umfang des § 130a StGB. Mit der Beschränkung auf Inhalte, die objektiv zur Förderung oder Weckung der Bereitschaft zu Straftaten bestimmt sind, bzw. auf entsprechenden Vorsatz stellt die Norm ja klar, dass das gegen sie abgewogene Interesse von ganz anderer Qualität und weit geringerer Schutzwürdigkeit ist. Nicht zu vergessen auch Abs. 3, der eigentlich eine Berufung auf dieses Regelungsmuster im Zusammenhang mit Berichterstattung ausdrücklich ausschließt.

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Heute in der "Süddeutschen Zeitung" ein Beitrag von Annette Ramelsberger (nicht online):

Verdächtiger A

Tutenchamun, Lord Voldemort, James Holmes - wessen Name verbannt wird, der bleibt umso mehr in Erinnerung

Auszug:

Heute ist die "Damnatio memoriae" von vornherein aussichtslos. Im Zeitalter des Internets droht eher das Gegenteil: die immerwährende Erinnerung. Jede Äußerung  ist in der allgemeinen Computerwolke festgeschrieben, eine Löschung kaum möglich. Und moderne Terroristen suchen gerade Orte auf, wo ihr Verbrechen möglichst direkt übertragen werden kann - wie beim Anschlag auf die Türme des World Trade Centers von New York. Doch auch das ist nicht neu. Schon früher war Attentätern wichtig, was von ihnen bleibt. die junge Charlotte Corday, die nach der Französischen Revolution den Revolutionär Marat im Bade tötete, wollte vor der Hinrichtung keine Henkersmahlzeit. Sie wünschte sich, dass ein Bild von ihr gemalt werde - auf dass sie in Erinnerung bleibe.

Angesichts dessen, dass der Name Herostratos bis heute bekannt ist und "Hitlisten" wie Top 50 Killing Sprees durch Kopieren auf ewig im Internet bleiben, auch wenn das Original längst gelöscht wurde, dürfte eine "Marginalisierung" im Sinne von Nicht-Unterdrückung und Nicht-Aufbauschen in Verbindung mit einer horrenden Zivilklage der Opfer(hinterbliebenen) am ehesten der Glorifizierung entgegenwirken. Schwierig genug, wie das Beispiel Charles Manson zeigt, der mittlerweile auf T-Shirts auftaucht.

Da Holmes allerdings einen ähnlichen Allerweltsnamen hat wie Tim Kretschmer oder Ernst Wagner, besteht Hoffnung, dass in ein paar Jahren den Leuten beim Stichwort "Holmes" eher 33 Zentimeter einfallen als 12 Tote. Bei Harris/Klebold wird das leider nicht funktionieren ...
 

Die Nummer mit dem Looser ist ja wohl komplett daneben. Die Aufmerksamkeit bekommt er ja trotzdem, und die Methode entspricht exakt dem Schulhofverhalten, dass in nicht wenigen Fällen mitverantwortlich ist für solche Taten.

Ich habe die Berichterstattung und Diskussion in diesem Fall nicht verfolgt, normalerweise läuft es aber in erster Linie auf "othering" hinaus, was sich für die Mehrheit zwar gut anfühlt, aber keinerlei Erkenntnis zu etwaigen Ursachen bringt.

Kein Einfaches Thema, aber den Täter durch sämtliche Medien zu jagen ist sicher auch nicht hilfreich ...

 

 

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Ich bin mit Herrn Prof. Müller durchaus einer Meinung, dass diese "Instant-Berühmtheit" sehr viele Leute in erstaunlichem Maße anzieht. Dennoch denke ich, dass es tatsächlich schwer, bis gar unmöglich wäre den Namen des Täters aus der Berichterstattung zu lassen. Allerdings sollte man dabei mehr Gewicht auf die Namen der Opfer legen als auf den des Täters. Den Namen des norwegischen Attentäters weiß heute und wahrscheinlich auch in fünf Jahren noch fast jeder der diesen Namen einmal aussprechen konnte. An die Namen der Opfer werden sich in fünf Jahren wohl nur noch die Angehörigen und Freunde erinnern.

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Sehr geehrte/r Herr/Frau gast,

Sie unterstellen (wie viele andere in der Diskussion), dass ein zufälliges Opfer bzw. dessen Angehörige daran interessiert sind, mit einer solchen TZat berühmt bzw. damit assoziiert zu werden. Das ist häufig nicht der Fall. Und dass Journalisten im Vorgarten der Opfer kampieren, um deren Fotoalbum auszuschlachten, ist ebenfalls zu kritisieren.

Die manchmal behauptete Alternative persönliche "Täter-" oder "Opfer-" Berichterstattung zu betreiben, existiert m. E. gar nicht. Man wünschte sich eine neutrale Tat-Berichterstattung.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Nicht nur Attenäter wollen berühmt werden.

Auch Kriminelle der rechten Szene und religiöse Fundamentalisten, die mehrfach im Gefängnis waren, setzen ihre Fälle mit allen Namen der Prozeßbeteiligen inkl. Aktenzeichen zB. ins Internet und haben dadurch "Bewunderer" bzw "Mitläufer", die dann auf ihren Seiten oder fundamentalistischen Magazine darüber "berichten". 

 

 

 

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ist es nicht ein grundsätzliches Problem in unserer Gesellschaft das in erster Linie mit negativen Nachrichten Geld verdient werden kann. Es ist bei den Gewaltverbrechen ebenso wie in der Wirtschaft. Es wird lieber stundenlang über die Firma berichtet die Arbeitsaplätze abbaut statt über die Firma die welche geschaffen hat. Aus diesem Grund wird die negative Berichterstattung durchaus bewusst genutzt um kostenlose Werbung ( auch negative Werbung ist Werbung) zu bekommen.  Das gleiche Phänomen ist in allen anderen Bereichen zu beobachten, es werden lieber ausgiebig die Unfalltoten dargestellt statt die Helfer die sogar meist  ohne bzahlung wirklich alles geben um zu helfen usw. usw.

 

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Ein interessanter Vorschlag, den Sie, Herr Henning Ernst Müller, hier unterbreiten.

Die öffentliche Aufmerksamkeit, die einem Täter durch einen Amoklauf zu bteil wird, könnte in der Tat dazu beitragen, dass bestimmte kranke Persönlichkeiten in ihrem Wunsch nach Aufmerksamkeit sich zu solch einer Tat hinereißen lassen.

Neben einem Gesetz wäre auch eine Art selbstverpflichtendes Gebot der Medien, kollektiv nicht mehr den Namen des Täters und dessen Bild zu veröffentliche denkbar. Dieses würde einem Täter bereits im Vorfeld verdeutlichen, dass er nach einem Amoklauf eben nicht die mediale Aufmerksamkeit bekommt, die er sich vielleicht wünscht.

Doch mit ihrem Vorschlag lassen Sie mehr oder weniger explizit erkennen, dass Sie das Phänomen des Amoklaufs bereits durch eine bestimmte Deutungsvariante zu erfassen versuchen.

Ihr Erklärungsmuster lautet in etwa: Amokläufer sind (wahrscheinlich) psychische kranke Persönlichkeiten. 

Wer würde diesem Ansatz erstmal nicht zustimmen?

Wie immer bei einem Amoklauf werden schnell die unterschiedlichen Erklärungsmuster hervorgekramt:

- Der Täter ist krank

- Die Gesellschaft ist Schuld (Leistungsdruck, Mobbing usw.)

- Das Elternhaus hat versagt

- Ruf nach einem Verbot von Waffen

etc.

 

Allerdings scheint mir, dass insbesondere im Hinblick auf das Aurora-Shooting eine Lesart, die man eigentlich kaum fassen kann, viel zu kurz kommt. 

In diesem Artikel der jungen Welt wird ein gar nicht mal schlechter gesellschaftskritischer Ansatz gewählt, um den Amoklauf in den USA zu diskutieren.

http://www.jungewelt.de/2012/07-27/023.php

Allerdings konterkariert der Autor seinen eigenen Ansatz indem er völlig richtig bemerkt:

 

"...warum kommt es in einer Gesellschaft, in der eine von radikalen Neoliberalen euphorisch beklatschte sozialdarwinistische Konkurrenz herrscht und eine ganze Generation, deren »Glückssucht« einzig und allein darin besteht, die Sicherheit und den Lebensstandard, den sie von ihren Eltern gewohnt sind, zu halten, der Krise geopfert wird, warum kommt es in einer solchen Gesellschaft nicht zu noch viel, viel mehr solcher barbarischen Akte?"

 

Nun möchte ich auf den angesprochenen kaum diskutierten Erklärungsansatz zu sprechen kommen.

Wir alle haben gesehen, dass der Täter im Gericht ein Verhalten an den Tag gelegt hat, dass nicht "normal" war.

Vieles deutet daraufhin, dass der Bewustseinszustand des Täters erheblich eingeschränkt war. In diversen Medien wurde außerdem darüber berichtet, dass Holmes im Gefängnis immer wieder gefragt hat, warum er eigentlich hier ist (Gedächtnisverlust)

 

Warum?

 

Ich verweise nun auf etwas, was vielen hier wahrscheinlich zunächst als lächerlich und absurd vorkommen wird. 

Programme zur Geisteskontrolle, die Geheimdienste seit langem nutzen.

Ich verweise auf die ZDF-Dokumentation "Die dressierten Killer"

http://www.youtube.com/watch?v=GQ4qkLjxU0w

und empfehle die Stichworte MKUltra, Project Monarch und Deckname Artischocke zu googeln.

Diese "Projekte" sind dokumentiert.

Im Falle des Amokläufers von Aurora gibt es des Weiteren  Hinweise, die interessant sind:

http://www.youtube.com/watch?v=3jUIz4yvemM&feature=related

http://www.fourwinds10.net/siterun_data/government/war/terrorism_war/news.php?q=1343231885

 

Natürlich ist es jetzt leicht, laut Verschwörungstheorie zu rufen, sich über diesen Beitrag lächerlich zu machen oder ihn zu löschen. Aber vielleicht kommt ja doch auch eine interessante Diskussion zustande.

 

Um auf den Ausgangspunkt zurück zu kommen

 

Wie hier im Forum erwähnt wurde, ist anzunehmen, dass auch bei einem Gesetz, das Medien klar verbietet, den Namen des Amokläufers zu nennen, davon auszugehen, dass sein Namen durchsickert und im Internet verbreitet wird. Dies wird man kaum verhindern können. Aber zumindest verhindert man,  dass das Bild des Täters eben nicht in den Hauptnachrichtensendern und auf allen Kanälen zu sehen ist.

Dies ist m.E. ein wichtiger Schritt.

Neben möglichen Veränderungen auf der gesetzlichen Ebene m sollte man jedoch auch vor allem auf eine lückenlose Aufklärung solcher Taten achten (einen Grund habe ich angeführt). 

 

 

 

 

 

 

 

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In der Print-Version der "Zeit" vom 2. August  (Feuilleton, S. 39) veröffentlichte Ingeborg Harms  einen Artikel mit der Überschrift "Prominent durch Mord". Darin wird das Phänomen von der kulturellen Seite her beleuchtet und u.a. auch auf die Frage eingegangen, wer noch (außer den Tätern selbst) von der Prominenz profitiert - etwa Schriftsteller und  Filmproduzenten. Harms stellt zudem einen Zusammenhang her mit dem Königsmord und dessen moderner medialer Variante  (zu Guttenberg, Wulff, Clinton etc.), ein Zusammenhang, der mir aber nicht ganz einleuchtet.

Was aber zu unterstreichen ist:

"ein Amokläufer ist gegen die Macht der Medien gefeit. Er diktiert das Öffentlichkeitsinteresse ganz ohne Spindoktoren, Agenten, PR-Experten und Stylisten. Er hat kein Image mehr zu verlieren, er ist der mönströse Leviathan..."

Am Ende heißt es: "Und dass Präsident Obama seinen Namen nicht nennt, wird seinen Nimbus nur vergrößern." Das ist sicherlich gut beobachtet. Eine Strategie des Nicht-Benennens funktioniert nur, wenn die großen Medien flächendeckend mitspielen. Wenn nur einzelne (Gouverneur, Präsident) dies tun, unterstreichen sie die Besonderheit noch.

 

 

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