Arbeitgeber "betrügt" und "bescheißt"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 21.08.2012

Die klagende Arbeitgeberin verlangt im Verfahren der einstweiligen Verfügung von der beklagten Gewerkschaft und ihren Vorstandsmitgliedern die Unterlassung beleidigender Äußerungen während eines Arbeitskampfes.

Arbeitgeberin verspricht erst Rückkehr zum Verbandstarifvertrag, wechselt dann aber in die OT-Mitgliedschaft

2009 hatte das Unternehmen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) einen Tarifvertrag zur Zukunftssicherung abgeschlossen, der Einbußen der Arbeitnehmer u.a. beim Urlaubsgeld, bei den Urlaubstagen, der Jahreszuwendung und der Entgelterhöhung vorsah. Gemäß § 3 des Tarifvertrags sollten ab dem 01.01.2012 wieder die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten. Während der Laufzeit des Tarifvertrags wechselte die Arbeitgeberin ihre Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft).

Arbeitnehmer und Gewerkschaftsfunktionäre machen lautstarken Druck

Im Rahmen der Tarifauseinandersetzung 2012 skandierten die streikenden Arbeitnehmer Sprechchöre in Reimform, in denen es u.a. hieß, dass die Arbeitgeberin sie „betrüge“ bzw. „bescheiße“. Hierbei waren Gewerkschaftssekretäre der NGG anwesend und schritten nicht ein. Teile der Parolen wurden auch von (mindestens) einem Gewerkschaftssekretär per Megafon gesprochen. Die Arbeitgeberin verlangt mit der einstweiligen Verfügung von der NGG sowie ihren drei Vorstandsmitgliedern und den beiden Gewerkschaftssekretären Unterlassung der näher bezeichneten Äußerungen im Rahmen eines Streiks bzw. die Einwirkung auf die Streikenden, solche Äußerungen zu unterlassen.

Unterlassungsklage bleibt erfolglos

Ihr Antrag hatte weder in erster noch in zweiter Instanz Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf (Urt. vom 17.08.2012 – 8 SaGa 14/12) hat die beanstandeten Äußerungen aufgrund des Gesamtzusammenhangs nicht als Tatsachenbehauptungen im strafrechtlichen Sinne gewertet. Es handele sich um zugespitzte Äußerungen, mit denen die Arbeitnehmer zum Ausdruck brächten, dass sie sich angesichts des Wechsels der Arbeitgeberin in eine OT-Mitgliedschaft „betrogen“ gefühlt hätten. So verstanden seien die zugespitzen Äußerungen von der Meinungsfreiheit, die im Arbeitskampf auch der Gewerkschaft zustehe, noch gedeckt. Hinzu komme, dass derjenige Gewerkschaftssekretär, der an den Äußerungen aktiv beteiligt war, sich inzwischen in der Freistellungsphase der Altersteilzeit befinde. Dass die weiteren beklagten Vorstandsmitglieder sich aktiv an den Äußerungen beteiligt hatten, habe die Arbeitgeberin nicht darlegen können.

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5 Kommentare

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Ich bin vor einiger Zeit über diese Stellungnahme eines NRW-Handwerksverbands zur IG Metall gestolpert:

http://www.feh-nrw.de/ig-metall-stellt-unwahre-behauptungen-zur-arbeitsz...

 

Zitat: "Dass es die IG Metall in ihren Flugblättern zu den Tarifverhandlungen mit der Wahrheit nicht immer sehr genau nimmt, ist nicht neu."

 

Man hat da offenbar vermieden, deutlich zu schreiben, dass die IG Metall in ihren Flugblättern lügt. Gerichtlich vorgehen wäre wohl auch schwierig gewesen? Presserechtlich? Hat so ein Verband einen Anspruch auf Gegendarstellung im nächsten Flugblatt, wenn nachgewiesen werden kann, dass gelogen wurde?

 

Wie so viele Monopolisten gehen anscheinend auch die DGB-Gewerkschaften davon aus, alles zu dürfen.

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Ghost schrieb:
Wie so viele Monopolisten
wofür als beste Beispiele immer noch Unternehmen mit großen Produktionsstätten in strukturschwachen Gebieten dienen (einige der vielen Beispiele: WAGO in Sondershausen, Faist/Aksys in Krumbach, Grob in Mindelheim, Rehau in Rehau, Ostfriesland generell): die Gemeinde ist völlig abhängig von dem Arbeitgeber-Monopolist, welcher die Ansiedlung anderer großer Arbeitgeber nach Kräften verhindert, denn dann hätte er ja kein regionales Arbeitgebermonopol mehr und die Drohung mit Werksverlagerung bei Nicht-Kuschen der Gemeinde würde nicht mehr wirken.

Ghost schrieb:
gehen anscheinend auch die DGB-Gewerkschaften davon aus, alles zu dürfen.
Während die Arbeitgeber(verbände) bei Tarifverhandlungen bekanntlich nur mit Wattebäuschchen werfen ...

Ob die NGG ein Monopolist ist, möchte ich angesichts der geringen Bedeutung der Union Ganymed mal offen lassen. Zumindest die IGM ist kein Monopolist, die Gewerkschaftseigenschaft der CGM ist ausdrücklich gerichtlich festgestellt.

 

Aber mal was anderes:

Christian.Rolfs schrieb:
Gemäß § 3 des Tarifvertrags sollten ab dem 01.01.2012 wieder die Entgelte des Flächentarifvertrags gelten. Während der Laufzeit des Tarifvertrags wechselte die Arbeitgeberin ihre Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine Mitgliedschaft ohne Tarifbindung (OT-Mitgliedschaft).

Wenn die Geltung des Flächen-TV tatsächlich tarifiert wurde und nicht nur als Absichtserklärung im Raum stand, sollte doch der Wechsel in die OT-Mitgliedschaft gar keine Auswirkung haben? Die beiderseitige Mitgliedschaft in den tarifschliessenden Organisationen ist doch nur eine Form, durch die Tarifbindung entstehen kann, das geht doch auch anders, z.B. durch Vereinbarung?

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Ich glaube es gibt wenig Momente, wo Arbeitgeber so schlecht gegenüber den Arbeitnehmern stehen, wie in Tarifverhandlungen.

Während die Arbeitnehmer weitgehende Streikrechte etc. haben, die dem Arbeitgeber direkt schaden, beschränken sich die Möglichkeiten des Arbeitgebers in der Praxis darin, den Abschluss der Verhandlungen (und damit die Lohnerhöhung) möglichst lange rauszuzögern. Aussperrungen sind kaum erlaubt und der Effekt ist eher gering, zumal sich der Arbeitgeber damit auch selber schadet.

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