BAG: Diplomatische Immunität endet mit der Ausreise

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.08.2012

Im Streit um die Klage um Ansprüche einer indonesischen Arbeitnehmerin gegen einen Attaché der Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien (Berichte im BeckBlog vom 04.07.2011, vom 14.11.2011 und vom 06.08.2012) hat der Rechtsstreit eine überraschende Wendung genommen: Der Beklagte hat die Bundesrepublik Deutschland inzwischen verlassen. Damit ist seine diplomatische Immunität erloschen (Art. 39 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens). Über die von der Arbeitnehmerin an die Klägerin abgetretenen Ansprüche kann nunmehr vor dem ArbG Berlin in der Sache verhandelt werden. Das hat der Fünfte Senat des BAG entschieden (Urt. vom 22.08.2012 - 5 AZR 949/11).

Der Beklagte war akkreditierter Attaché der Botschaft des Königreichs Saudi-Arabien in der Bundesrepublik Deutschland. Die indonesische Staatsangehörige R. arbeitete von April 2009 bis Oktober 2010 als Hausangestellte im Privathaushalt des Beklagten in Deutschland. Im Februar 2011 trat sie ihre Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis an die Klägerin ab, die mit ihrer Zahlungsklage Vergütung und Schmerzensgeld beansprucht. Sie behauptet, der Beklagte habe Frau R. ausgebeutet, misshandelt, bedroht und gefangen gehalten. Vergütung habe der Beklagte nicht gezahlt. Der Beklagte bestreitet die Vorwürfe.

Das ArbG Berlin und das LAG Berlin-Brandenburg haben die Klage wegen § 18 GVG als unzulässig abgewiesen. Nach dieser Vorschrift sind Mitglieder der diplomatischen Missionen nach Maßgabe des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen vom 18.04.1961 von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit. Die Immunität einer Person, deren dienstliche Tätigkeit beendet ist, endet bei nichtdienstlichen Handlungen gemäß Art. 39 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens mit der Ausreise.

Der Fünfte Senat hat beim Auswärtigen Amt eine Auskunft über den Aufenthalt des Beklagten eingeholt. Dieser hat die Bundesrepublik Deutschland mittlerweile verlassen. Dadurch sind seine diplomatischen Vorrechte erloschen. In einem anhängigen Rechtsstreit wird dadurch der Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit nachträglich geheilt. Auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die Immunität des Beklagten im Hinblick auf die Schwere der erhobenen Vorwürfe von Anfang an beschränkt war, kommt es nicht (mehr) an. Dies führt zur Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Arbeitsgericht Berlin.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

1 Kommentar

Kommentare als Feed abonnieren

Diplomatische Immunutät ist für mich eigentlich nicht wichtig, da ich wohl eh nie welche bekommen werde, aber interessant finde ich das Thema trotzdem.  Bisher ging ich immer davon aus, dass diplomatische Immunität einen gegen alles absichert. Jetzt zu hören, dass sie aufhört, wenn man das Land verlässt, finde ich sehr gut. Denn sonst klingt die einfach viel zu einladend. Immun gegen das Gesetzt zu sein klingt einfach zu mächtig und es gibt immer wieder welche, die das ausnutzen. So gibt es immerhin noch eine Möglichkeit, nachträglich für Gerechtigkeit zu sorgen.

0

Kommentar hinzufügen