Droht erfolglos abgemahnten Internetnutzern, die pornographische Filme illegal weiterverbreitet haben, ein "Porno-Pranger"?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 28.08.2012

Die auf Abmahnungen spezialisierte Kanzlei Urmann und Collegen plant nach einer Meldung von WELT ONLINE vom 21. August 2012, ab September eine sog. Gegnerliste ins Netz zu stellen, auf der sie die Namen derjenigen veröffentlichen will, die pornographische Filme illegal weiterverbreitet haben und trotz  Abmahnung nicht zahlen wollen.

Die Anwälte berufen sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 12.12.2007, die die Veröffentlichung einer Gegnerliste als Werbemaßnahme einer Kanzlei nicht verbiete (hier die Stellungnahme der Kanzlei zur Gegnerliste).

Da es bei der Entscheidung um das Benennen juristischer Personen und Unternehmen im Zusammenhang mit Kapitalanlageberatungen in einer Gegnerliste ging, erscheint fraglich, ob aus der Entscheidung auch abgeleitet werden kann, dass auch „Verbraucher“ in einer Gegnerliste publik gemacht werden können, zumal es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen handelt. Nach WELT ONLINE von heute habe hierauf der Leipziger Staats- und Medienrecht der Christoph Degenhart hingewiesen 

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7 Kommentare

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Ihr Ziel - Werbung - hat die Kanzlei damit bereits jetzt erreicht.

Dass es im Urteil des BVerfG um eine Gegnerliste ging, auf der ausschließlich juristische Personen des Privatrechts standen, bei denen es fraglich ist, ob auf diese das allgemeine Persönlichkeitsrecht anzuwenden ist, ignorieren die GmbH-Anwälte ganz beiläufig (oder doch absichtlich?).

Sollten diese oder andere "Abmahnwahnsinnigen" Namen von Privatpersonen veröffentlichen, kann man nur hoffen, dass sie mit einstweiligen Verfügungen und Unterlassungserklärungen eingedeckt werden.

Vielleicht versucht die Kanzeli auch nur, noch auf sich aufmerksam zu machen, so lange die Abmahnindustrie ungestört mit illusorischen "Schadens"werten wüten darf.

Da es de facto eine Umkehr der Beweislast gibt, obwohl keine auf dem Markt befindliche IP-Ermittlungssoftware zuverlässig und "gerichtsfest" arbeitet (siehe Morgenstern, Holger, Zuverlässigkeit von IP-Adressen-Ermittlungssoftware, Computer und Recht 2011, 203-208), hilft dem normalen Verbraucher nur passende Information im Vorfeld.

Ergänzung:

Dies dürfte eine erste Folge des BGH-Urteils vom 19. April (PDF-Version, Pressemitteilung) sein, das nun auch - in grotesker Verdrehung des Gesetzes (???) - das Bereitstellen einer einzigen mp3-Datei als "gewerblichen Umfang" umdefiniert, völlig im Gegensatz zur Absicht des Gesetzgebers und dazu noch das Missbrauchskorrektiv der "relevanten Auswertungsphase" abgeschafft.

Dazu Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs:

Zukünftig können auch die sixties und seventies – samt Flower Power – wieder abmahntechnisch urheberrechtlich  ausgewertet werden.
Es werden wieder Glücksritter über die Erotikmessen ziehen und die Rechte an Uralt-Pornofilmen für ein paar hundert Euro kaufen, um dann mit Abmahnungen ein paar tausend Euro zu verdienen. Damit ist der Wert des Backkatalogs von Pornos wieder erheblich gestiegen. Händler, welche diesen Blog verfolgen, sollten also bevor sie die Rechte an Pornos verschleudern zunächst prüfen, ob dieser Film noch in Tauschbörsen verbreitet ist, da könnte noch richtig Geld drin “stecken”.

Die genannte Kanzlei hat also offensichtlich beschlossen, an diesem RaubGlücksrittertum teilzuhaben.

 

Es verwundert, dass nicht die zuständige Rechtsanwaltskammer tätig geworden ist. Trotz aller Aufweichungen scheint mir dies in Anbetracht der diversen potentiellen Verstöße dieses beabsichtigten Verhaltens u.a. gegen strafrechtliche bzw. datenschutzrechtliche Normen standeswidrig zu sein. 

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Wie die SZ heute, wie auch meine örtliche Presse (Straubinger Tagblatt S.9), berichtet, wird jetzt der Deutsche Anwaltverein die geplante Veröffentlichung im Internet als "Grenzüberschreitung".

Die Sprecherin des Landesamts für Datenschutz in Bayern mit Sitz in Ansbach teilte mit, die Behörde sei der Auffassung , dass eine Veröffentlichung der Namen von Privatleuten auf Gegnerlisten grundsätzlich nicht zulässig sei.

Hier noch ein umfassender Bericht (bereits am 18.08. erschienen), mit vielen hilfreichen Links:

http://www.sueddeutsche.de/digital/illegale-downloads-abmahnanwaelte-pla...

Update:

Durch eine Anordnung des Bayerischen Landesamtes für Datenschutz wurde der Kanzlei die Veröffentlichung einer Gegnerliste vorerst untersagt (ntv.de)

Die Kanzlei wurde von einer Abmahnungsempfängerin ihrerseits abgemahnt und nachdem keine Unterlassungeserklärung abgegeben wurde, hat das LG Essen eine einstweilige Verfügung erlassen (mit Link zum PDF, HTML hier)

Die Grundrechtsverletzung, von der die Kanzlei spricht, ist selbstverständlich gerechtfertigt und die Klageankündigung nur ein weiterer Werbetrick.

Hier noch Aufschlussreiches zu den Praktiken der Kanzlei: http://www.regensburg-digital.de/schlappe-fuer-porno-anwaelte/30082012/

@ Mein Name

Die zusammengestellten sehr informativen Links habe ich mit großem Interesse verfolgt. Besten Dank!

Nun hat auch das Bayerische Landesamt für Datenaufsicht es untersagt, die Liste zu veröffentlichen: http://www.welt.de/newsticker/news3/article108908061/Landesamt-fuer-Date...

Nach der einstweiligen Verfügung nun das Urteil:

Richter bremsen Anwälte aus (n-tv)

Blog des vertretenden Anwalts:

Die 4. Kammer des Landgericht Essen urteilte heute (26.09.), dass auch nach der Stellungnahme der Kanzlei ein Unterlassungsanspruch des einzelnen abgemahnten Anschlussinhabers besteht, nicht auf einer solchen Liste zu erscheinen....

Anders als bei einer (zulässigen) Gegnerliste, auf der ausschließlich bereits in der Öffentlichkeit stehenden Unternehmen aufgeführt werden, sind die Rechte der Privatperson hoch zu bewerten. Jede Privatperson kann sich in seiner selbst gewählten Anonymität bewegen ohne befürchten zu müssen, als Werbemaßnahme öffentlich benannt zu werden. Und auch die Werbung durch die Veröffentlichung von einzelnen Privatpersonen ist vom Effekt nicht überzeugend. Zudem besteht ein vorbeugender Unterlassungsanspruch aufgrund der Ankündigung der Liste ohne Abgrenzung, wer dort erscheinen und wer nicht erscheinen wird. Es ist nicht zuzumuten, dass man abwarten muss, dass der eigene Name veröffentlicht wird, um dann erst dagegen vorgehen zu können.

 

Die Meldung mit der Überschrift „Abmahnanwalt verurteilt", auf die ich leider nicht verlinken kann, in der heutigen  FAZ Nr. 204 S. 16 will ich Ihnen nicht vorenthalten, weil sie gleichsam den Schlusspunkt setzt:

„Der Regensburger Rechtsanwalt Thomas Urmann, der im vergangenen Jahr durch fragwürdige Massenabmahnungen von angeblichen Nutzern der Internet-Pornoseite Redtube bekannt wurde, ist zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden. Allerdings aus einem ganz anderen Grund wie die Mittelbayerische Zeitung berichtet: Als Geschäftsführer einer Wurstwarenfabrik in Gundelfingen (Kreis Dillingen) hat er demnach die Pleite der Firma verschleiert. Damit habe er sich der Insolvenzverschleppung, der Hinterziehung von Sozialbeiträgen und des versuchten Betrugs schuldig gemacht. Wie Urmanns Verteidiger der Zeitung sagte, hatte er sich zuvor mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie eine Geldauflage von 80.000 € sowie 80 Stunden Sozialarbeit geeinigt. Zudem verliert Urmann seine Zulassung als Anwalt.“

Der letzte Satz stimmt so allerdings nicht; eine solche Automatik besteht nicht (dazu Legal Tribune online).

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