Einspruchsverwerfung nach Teilaufhebung des Urteils: BGH entscheidet Streit zwischen Celle und Hamm

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 01.09.2012
Rechtsgebiete: BGHStrafrechtVerkehrsrecht|3302 Aufrufe

Im Blog hatte ich bereits über den Fall berichtet. Das OLG Celle hatte eine OWi-Sache dem BGH vorgelegt. Es geht um die Frage, ob bei Nichterscheinen des Betroffenen eine Einspruchsverwerfung stattfinden darf, wenn ein Urteil nur teils erfolgreich in der Rechtsbeschwerde angegriffen worden war und nur noch zu diesem Teil erneut verhandelt werden musste. Der BGH hat so entschieden, wie es das OLG Celle sich wünschte, also gegen die Ansicht des OLG Hamm. Aus der Entscheidung:

 

Das Amtsgericht Hannover hat den Betroffenen durch Urteil vom 9. Dezember 2010 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 160 € verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt. Dieselben Rechtsfolgen enthielt bereits der Bußgeldbescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 19. Mai 2010. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat das Oberlandesgericht Celle durch Beschluss vom 29. März 2011 das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hannover zurückverwiesen. Die weiter gehende
Rechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht als unbegründet verworfen. Das Amtsgericht Hannover hat den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Landeshauptstadt Hannover vom 19. Mai 2010 durch Urteil vom 25. August 2011 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene, der nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbun-den war, trotz ordnungsgemäßer Ladung in der Hauptverhandlung unentschuldigt ausgeblieben ist. Gegen dieses Urteil hat der Betroffene erneut Rechtsbe-schwerde eingelegt. Er rügt mit einer unzulässigen (§ 79 Abs. 3 OWiG, § 344 Abs. 2 StPO) Verfahrensrüge, dass sein Verteidiger fälschlich eine Abladung zum Hauptverhandlungstermin am 25. August 2011 erhalten habe und auch er deshalb nicht zum Termin erschienen sei. Mit der Sachrüge beanstandet er die Verletzung des rechtlichen Gehörs.

 

2. Das Oberlandesgericht Celle möchte die Rechtsbeschwerde als unbegründet verwerfen. Es ist der Ansicht, dass der Einspruch des Betroffenen, der trotz Anordnung seines persönlichen Erscheinens in der Hauptverhandlung ausbleibt, auch nach vorangegangener Teilaufhebung im Rechtsfolgenaus-spruch nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden kann.......

 

... Das Oberlandesgericht hat die Sache gemäß § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof vorgelegt und die Rechtsfrage wie folgt formuliert:
„Darf das Amtsgericht den Einspruch eines nicht vom persönlichen Er-scheinen in der Hauptverhandlung entbundenen Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde auch dann noch gemäß § 74 Abs. 2 Satz 1 OWiG verwerfen, wenn das vorangegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht zu-rückverwiesen worden war?“....

 

Der BGH hat sodann eine ausführliche und m.E. durchaus nachvollziehbare Erklärung hierzu abgegeben, die tatsächlich sicher nur wenige im vollen Wortlaut interessiert. Man kann sie auf der BGH-Hompeage nachlesen. Der Leitsatz des BGH:

 

 

Das Amtsgericht hat den Einspruch des nicht vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundenen und unentschuldigt ausgebliebenen Be-troffenen auch dann nach § 74 Abs. 2 OWiG zu verwerfen, wenn das vorausgegangene Sachurteil vom Rechtsbeschwerdegericht nur im Rechtsfolgenaus-spruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen worden war.

 

BGH, Beschl. vom 18. Juli 2012 – 4 StR 603/11

 

 

 

 

 

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