Fahrverbot: Zur Prüfung der Existenzgefährdung bei Selbstständigen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 05.09.2012
Rechtsgebiete: FahrverbotHärtenStrafrechtVerkehrsrecht|5849 Aufrufe

Will das Gericht von einem Regelfahrverbot wegen einer drohenden Existenzgefährdung des Betroffenen absehen, so muss es dies ausführlich begründen und ggf. weitere Beweise erheben, was - zugegebenermaßen - mühsam werden kann. Hier aus einem Beschluss des OLG Bamberg zu diesem Thema:

 

1. Zwar hat das AG zu Recht die vom Betr. geltend gemachten persönlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Folgen eines Fahrverbots bedacht und in den Urteilsgründen thematisiert. Die
Auseinandersetzung mit dieser Frage gebot schon das rechtsstaatliche Übermaßverbot. Es entspricht andererseits ständiger obergerichtlicher Rspr., dass Angaben eines Betr., es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Existenzverlust, nicht ungeprüft übernommen werden dürfen. Vielmehr ist ein
derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines solchen Ausnahmefalles auszuschließen. Zugleich wird das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt, die Rechtsanwendung nachzuprüfen.

 2. Dies ist hier zumindest nicht mit der gebotenen Sorgfalt geschehen. Insbesondere vermag der Senat anhand der Urteilsgründe schon im Ansatz nicht zu übersehen, ob die durchgängig unbestimmten Feststellungen und Wertungen des AG zur konkreten Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit des Betr. einschließlich der Frage der Möglichkeiten der Urlaubsgewährung und weiterer Kompensationsmöglichkeiten auf einer hinreichenden Grundlage beruhen. Feststellungen zur konkreten Einkommens- und Vermögenslage des Betr. fehlen vollständig, so dass beispielsweise offen bleibt, ob und ggf. warum der Betr. unter Berücksichtigung seiner finanziellen Gesamtsituation gerade aufgrund des Fahrverbots etwa den Verlust seines Arbeitsplatzes oder aber die Gefährdung eines  existenzgewährleistenden Einkommens zu vergegenwärtigen hätte. Vielmehr erscheint eine konkret existenzbedrohende Wirkung eines (lediglich) einmonatigen Fahrverbots eher fernliegend. Wird wegen der drohenden Verhängung eines Fahrverbots eine existenzielle Betroffenheit geltend gemacht, ist bei Selbstständigen, Handwerkern oder Freiberuflern die Vorlage hinreichend aussagekräftiger Unterlagen wie Bilanzen, Kontounterlagen, Steuerbescheide oder Gewinnermittlungen grundsätzlich unabdingbar. Ob das AG insoweit, etwa durch Zeugeneinvernahme des betrieblichen Steuerberaters bzw. eines Mitarbeiters oder Sachbearbeiters des Arbeitgebers Beweis erhoben hat, ist nicht zu ersehen. Hinzu kommt, dass sich das AG unzureichend damit auseinander gesetzt hat, weshalb es dem Betr. auch wegen des nach Sachlage zu gewährenden Vollstreckungsaufschubs nach § 25 IIa 1 StVG tatsächlich nicht möglich und zumutbar sein sollte, den Beginn des Fahrverbots innerhalb des zeitlichen Rahmens von vier Monaten zumindest teilweise
auf einen ihm günstigeren Zeitpunkt zu legen und dadurch sowie durch weitere und dann durchaus zumutbare Ausgleichs- und innerbetriebliche Reorganisationsmaßnahmen, etwa der vorübergehenden Einstellung eines Mitarbeiters als Fahrer, die Folgen des Fahrverbotes so weit abzumildern, dass die Gefahr einer Existenzvernichtung sicher abzuwenden wäre. Allein mit dem Hinweis, dass der verheiratete Betr. aufgrund eines Rückenleidens seiner Ehefrau nicht auf deren Fahrdienste zurückgreifen kann, durften all diese Fragen keinesfalls unbeantwortet bleiben.

 

OLG Bamberg: Beschluss vom 17.07.2012 - 3 Ss OWi 944/12    BeckRS 2012, 17453

 

 

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen