Flüchtigkeitsfehler mit Folgen

von Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 22.09.2012

Das Betäubungsmittelgesetz hat nur 4 Strafnormen (§§ 29, 29a, 30, 30a BtMG). Es wird daher oftmals als wenig anspruchsvolles Rechtsgebiet belächelt. Verfolgt man indes die Spruchpraxis der Strafsenate des BGH, fällt auf, dass es sich bei  einer großen Anzahl der Urteilsaufhebungen um solche aus dem Gebiet des Betäubungsmittelrechts handelt, denn tatsächlich wimmelt es im BtMG nur so von Rechtsproblemen, wie z.B. Abgrenzung Vorbereitung/Versuch oder Täterschaft/Teilnahme beim Handeltreiben, Konkurrenzfragen (z.B. Bewertungseinheit) oder bei der Strafrahmenwahl. Werden hier (Flüchtigkeits-)Fehler gemacht, führt dies häufig zur Aufhebung des Urteils, wie mal wieder der Beschluss des BGH vom 24.7.2012 (2 StR 166/12 = BeckRS 2012, 19269) zeigt:

Der Ausspruch über die im Fall II. 2 der Urteilsgründe verhängte Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren hat keinen Bestand. Das Landgericht hat das Vorliegen eines minder schweren Falles im Sinne von § 29a Abs. 2 BtMG rechtsfehlerhaft verneint. Die Strafkammer hat bei der Strafrahmenwahl eine Reihe strafmildernder Zumessungsgesichtspunkte aufgezählt: So war der Angeklagte geständig und nicht vorbestraft. Außerdem konnte ein erheblicher Teil des vom Angeklagten gelieferten Amphetamins (379 Gramm von insgesamt 500 Gramm) sichergestellt werden. Als strafschärfend hat das Landgericht lediglich angeführt, dass im Fall II. 2 "das 1,8-fache der nicht geringen Menge gegeben" sei und es "deshalb" beim Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG verbleibe (UA S. 12).

Damit hat das Landgericht rechtsfehlerhaft das Handeltreiben mit einer Betäubungsmittelmenge, welche die Grenzmenge des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur unwesentlich überschreitet, straferschwerend bewertet. Tatsächlich stellt das Handeltreiben mit einer noch im näheren Grenzbereich liegenden Betäubungsmittelmenge indes einen Umstand dar, der eher für die Annahme eines minder schweren Falls sprechen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 3. April 2000 - 5 StR 87/00, StV 2000, 620; Patzak in Körner/Patzak/Volkmer, BtMG 7. Aufl., § 29a Rn. 122). Das Landgericht hat neben den strafmildernden Gesichtspunkten nichts angeführt, was in diesem Fall zu Lasten des Angeklagten wirkt und dazu führen könnte, das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen. Der Senat kann daher nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Vorgehensweise zur Anwendung des § 29a Abs. 2 BtMG und deshalb zu einer milderen Einzelstrafe gelangt wäre.

Der BGH hat das Urteil des Landgerichts daher im Ausspruch über die genannte Einzelstrafe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben und  zur neuen Verhandlung und Entscheidung hierüber an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen. Mehrarbeit, die nicht sein muss…

 

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