Strafbefehlsformular in der Sitzung benutzt: Kein Verfahrenshindernis!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 23.09.2012
Rechtsgebiete: StrafbefehlStrafrechtVerkehrsrecht2|4392 Aufrufe

Das wäre ja auch echt blöd gewesen. In der Sitzung erscheint der Angeklagte nicht, das Gericht nimmt die üblichen Formulare für einen Strafbefehl gem. § 408a StPO in denen es heißt, dass auf die Anklageschrift verwiesen wird und riskiert dadurch eine Verfahrenseinstellung. Das OLG Düsseldorf hat hierzu entschieden, dass die übliche Verweisung zwar falsch ist - ein Verfahrenshindernis ergebe sich hieraus aber nicht:

 

1. Zwar ist der gemäß § 408a StPO nach Eröffnung des Hauptverfahrens erlassene Strafbefehl vom 1. Juli 2011 insoweit mit einem Mangel behaftet, als er wegen des Tatvorwurfs auf die Anklageschrift vom 14. Mai 2010 Bezug nimmt und das dem Angeklagten zur Last gelegte Delikt sowie Zeit und Ort seiner Begehung nicht aus sich heraus verständlich bezeichnet. Die diesbezüglichen Angaben, die § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO für den Strafbefehl vorschreibt, waren beim Übergang vom Haupt- ins Strafbefehlsverfahren nicht etwa entbehrlich, denn der nach § 408a StPO ergangene Strafbefehl unterscheidet sich nicht von einem ohne vorhergehenden Eröffnungsbeschluss erlassenen („normalen“) Strafbefehl und nimmt auf das vorangegangene Verfahren keinen Bezug (KK-Fischer, StPO, 6. Auflage [2008], § 408a Rdnr. 14; vgl. hierzu bereits Senatsbeschluss vom 24. Mai 2012 [III-1 RVs 6/12]).

2. Dieser Mangel begründet aber kein Verfahrenshindernis. Insoweit hält der Senat an seiner mit Beschluss vom 24. Mai 2012 (III-1 RVs 6/12) noch vertretenen Ansicht nach erneuter Prüfung der Rechtslage nicht mehr fest.

a) Zu den von Amts wegen zu prüfenden Verfahrenshindernissen gehören nur solche Umstände, die nach dem erklärten oder aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes so schwer wiegen, dass sie die Zulässigkeit des gesamten – weiteren – Verfahrens in Frage stellen (vgl. nur OLG Köln Urteil vom 24. Oktober 2000 [Ss 329/00] <juris Rz. 45, 46> mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Mängeln bei der Überleitung vom Haupt- ins Strafbefehlsverfahren nach § 408a StPO kommt eine derart weitreichende Bedeutung regelmäßig nicht zu; sie verlieren vielmehr durch den Einspruch ihre Bedeutung. Das Vorliegen eines bis in die Revisionsinstanz wirkenden Verfahrenshindernisses wird in Rechtsprechung und Schrifttum zu § 408a StPO allenfalls für die – hier nicht zur Rede stehenden – Fälle eines inhaltlich mangelhaften Antrags der Staatsanwaltschaft oder einer Verletzung des Übereinstimmungsgebots diskutiert (sowie überwiegend verneint, vgl. OLG Hamburg JR 1989, 169 mit Anm. Rieß; OLG Stuttgart NStZ 1998, 100, 101; KK-Fischer, aaO, § 408a Rdnr. 19; Meyer-Goßner, StPO [55. Auflage], § 408a Rdnr. 7; KMR-Metzger, StPO [Stand Juli 2011], § 408a Rdnr. 27; SK-Weßlau, StPO [Stand Juli 2000], § 408a Rdnr. 24).

b) Auch die unter Verstoß gegen § 409 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO erfolgte Abfassung des Strafbefehls vom 1. Juli 2011 begründet keinen schwerwiegenden Mangel im Sinne eines Verfahrenshindernisses. Insbesondere ist die hier vorliegende Konstellation mit den Fällen einer zu unbestimmten und damit unwirksamen Anklage nicht vergleichbar. Im übergeleiteten Verfahren nach § 408a StPO wird – anders als im gewöhnlichen Strafbefehlsverfahren nach § 407 StPO – nicht erst durch den Strafbefehlsantrag die öffentliche Klage erhoben (wie sich aus § 408a Abs. 1 Satz 3 StPO ergibt, der die Anwendung des § 407 Abs. 1 Satz 4 StPO gerade ausschließt). Vielmehr wird der Verfahrensgegenstand nach wie vor durch die zugelassene Anklage umschrieben, die ihrer Umgrenzungsfunktion – auch im hier vorliegenden Fall – bereits genügt. Durch die Überleitung des Verfahrens in das Strafbefehlsverfahren nach § 408a wird die einmal wirksam erhobene Anklage nicht etwa beseitigt. Die Anklage bestimmt vielmehr unverändert den Verfahrensgegenstand im Sinne des § 264 StPO, der durch den Strafbefehl lediglich für das weitere Verfahren im Sinne des § 265 StPO gewürdigt wird (OLG Köln aaO <juris Rz. 51>; OLG Stuttgart NStZ 1998, 100, 101; OLG Hamburg JR 1989, 169, 170). Nimmt der gemäß § 408a ergangene Strafbefehl daher auf die zugelassene Anklage Bezug, so entfaltet der diesbezüglich vorliegende Begründungsmangel keine weiterreichenden Wirkungen, die die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens in Frage stellen und damit die Annahme eines Verfahrenshindernisses rechtfertigen könnten.

 

Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil v. 31.7.2012 - III-1 RVs 41/12

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2 Kommentare

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Mit anderen Worten -

es ist völlig egal, ob ein unstreitig vorliegender Formfehler vorliegt oder nicht. Ich frage mich ja manchmal,

warum man überhaupt noch Vorschriften in der StPO hat, wenn deren Verletzung (jedenfalls in einer Vielzahl von Fällen)

sowieso keine Auswirkungen hat.

 

Mir ist die Argumentation der Richter klar, aber muss man hier wirklich so urteilen ?

 

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Man kann, muss aber nicht.

 

An vielerlei Stellen kann man es mit den Förmeleien nämlich auch übertreiben. Die Auswüchse im Strafverfahren sind das beste Beispiel dafür.

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