Beschneidung von Jungen soll straffrei bleiben - Regelung im Familienrecht geplant

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 25.09.2012
Rechtsgebiete: BeschneidungFamilienrechtStrafrecht252|38806 Aufrufe

Wie die SZ meldet plant das Justizministerium, die Straflosigkeit der Beschneidung von Jungen nicht im Strafrecht, sondern im Familienrecht zu regeln.

Danach soll ein neuer § 1631 d BGB eingeführt werden. Dieser soll lauten:

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt wird. (2) Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet ist.

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252 Kommentare

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Von gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wurde ich darauf hingewiesen, dass unter der Studie, die behauptet, dass die Salbe EMLA eine wirkungsvolle Schmerzbehandlung darstellt und die in der Literaturliste des von der Deutschen Schmerzgesellschaft benutzten Reviews der AAP, auf die sich der Gesetzentwurf bezieht, auftaucht, zu lesen ist:

"Supported by Astra Pharma Inc., Canada"

Astra Pharma ist der Produzent von EMLA...

http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJM199704243361701

5
Emla Creme Wirkstoff: Lidocain und Prilocain Anwendung: Lokale Betäubung der Haut im Zusammenhang mit Eingriffen wie z. Einstich einer Kanüle zur Blutentnahme und chirurgischen Eingriffen an der Hautoberfläche. Lokalanästhesie vor mechanischer Wundreinigung von Ulcus cruris (Geschwüre der Beine). Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker     http://www.google.de/products/catalog?hl=de&cp=5&gs_id=2&xhr=t&q=emla+salbe&bav=on.2,or.r_gc.r_pw.r_qf.&biw=627&bih=411&wrapid=tljp134943752350500&um=1&ie=UTF-8&cid=1464285394441084657&sa=X&ei=VshuUKuvHKrS4QT18YHYDA&sqi=2&ved=0CEEQ8wIwAQ 
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Es gibt aber keine Schleimhaut, auf die die Creme aufgetragen werden könnte - zumindest nicht beim Mann oder Knaben oder männlichen Neugeborenen.

Wie schon mehrmals erwähnt, sind beim Neugeborenen Vorhaut und Eichel zum Schutz letzterer ähnlich fest verklebt wie die Fingernägel im Nagelbett. Um überhaupt irgendetwas irgendwo auftragen zu können, muss man also Vorhaut und Eichel gewaltsam trennen - alleine dies verursacht schon Schmerzen (wie man auf genügend Videos von Brit Milas deutlich hören kann).

Wenn jetzt aber bereits angekündigt wird, dass man sich sowieso nicht an die Vorgaben des Gesetzgebers halten will, dann erzeugt man selbst bei ansonsten toleranten Menschen genau die Empörtheit, die dann wieder als "Antisemitismus" oder "Antiislamismus" gegeißelt werden kann.

Aber das sind alles Nebenschauplätze: selbst bei wirkungsvoller Schmerzbehandlung bleibt die grundlegende Menschenrechtsverletzung ja bestehen. Jeder Mensch hat, wenn keine behandlungsbedürftige Krankheit dem entgegensteht, das Recht, seinen Körper und insbesondere seine Geschlechtsorgane unversehrt bis ins Erwachsenenalter bewahrt zu bekommen und nichts und niemand kann eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, rechtfertigen. Egal ob beim Mädchen oder beim Jungen.

Auf dem Beipackzettel steht auch.

3.2.d   Anwendung auf der genitalen Haut Die Anwendung von "Emla Creme" auf der genitalen Haut darf nur unter ärztlicher Überwachung erfolgen.  ..... In welchem Gesetz steht das ?   "Jeder Mensch hat, wenn keine behandlungsbedürftige Krankheit dem entgegensteht, das Recht, seinen Körper und insbesondere seine Geschlechtsorgane unversehrt bis ins Erwachsenenalter bewahrt zu bekommen .""      

 

 

3

Jeder Mensch hat, wenn keine behandlungsbedürftige Krankheit dem entgegensteht, das Recht, seinen Körper und insbesondere seine Geschlechtsorgane unversehrt bis ins Erwachsenenalter bewahrt zu bekommen..

 

.....

Für die Abtreibung eines Menschen (!? ) ist ja auch ein Abtreibungserlaubnisgesetz geschaffen worden. Da wird sogar noch ein Fötus ( Mensch sagen andere ) "ausgeschabt" ( getötet ?)  worden.

 

 

  

3

@ Enttäuscht: ein Mensch ist ein Mensch, der bereits geboren wurde und ein Fötus ist ein Fötus.

@ "In welchem Gesetz steht das ?"

1. im Grundgesetz, z.B. Art. 2 (2)

2. in Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, das den Schutz des Sexual- und Intimbereichs unter den besonderen Schutz, hergeleitet aus Art. 1 GG, gestellt hat.

Im Referentenwurf steht:

 

........

 

Die vorliegende Regelung ist mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zur Wahrung der Menschenrechte vereinbar.

1. VN-Kinderrechtekonvention

Sie steht im Einklang mit dem Übereinkommen über die Rechte des Kindes der Vereinten

Nationen (KRK). Insbesondere verstößt sie nicht gegen Artikel 24 Absatz 3 KRK, wonach

die Vertragsstaaten alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen treffen sollen, um überlieferte

Bräuche abzuschaffen, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind. Nach der

Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift sollte diese die Beschneidung von Jungen nicht

erfassen; vielmehr ging es in erster Linie um die weibliche Genitalverstümmelung. Es war

jedoch nicht einmal in Bezug auf diese – eindeutig gesundheitsschädliche – Praxis möglich,

sich auf eine ausdrückliche Nennung (z. B. als Regelbeispiel) zu einigen. 

3

Man kann - mit Verlaub - die "Salbenfrage" m.E. nicht einfach als "Nebenschauplatz" beiseite wischen, weil die Frage der "ärztlichen Kunst" zentral ist für die Beruhigung/Täuschung der Öffentlichkeit: der Mohel ist " vergleichbar befähigt" und macht alles nach den "Regeln der ärztlichen Kunst" und klärt umfassend auf. Also alles paletti!

Des weiteren muss ja wohl ein "Erlaubnisgesetz" Verbote einschliessen,oder? In diesem Fall das Verbot, die Kriterien der "ärztlichen Kunst" zu verletzen bzw. das Verbot, NICHT " vergleichbar befähigt" zu sein. Wenn nun der Einsatz von zumindest lokalen Betäubungsmitteln, der dem Mohel per Gesetz verboten ist, der Mindesstandard der ärztlichen Kunst ist, KANN die Tätigkeit des Mohels logischerweise gar nicht vergleichbar sein. Ode gehe ich hier völlig in die Irre?

Dass eine Reduzierung der Herzfrequenz um 5 Prozent innerhalb des Hochbelastungsbereichs eines Säuglings durch die (Quack-)Salberei, deren Grundlage eine vom Hersteller gesponserte Studie ist, den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht, kann mir niemand weismachen.

4

Volker Beck (Die Grünen) argumentiert folgendermassen:

"Bei der Grundrechtsabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beschneidung von Jungen ein irreversibler, aber nicht gesundheitlich schädlicher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist, der auch aus anderen, etwa hygienischen oder präventiven, Gründen vorgenommen wird."

"Die Religionsfreiheit rechtfertigt keine Eingriffe in die Rechte Dritter. Dies ist auch bei der Be­schneidung nicht der Fall.
Die Eltern treffen grundsätzlich die Kindeswohlsentscheidung und sind in der Regel die gesetz­lichen Vertreter des Kindes. Dies ergibt sich aus ihrer Pflicht und ihrem Recht zu Pflege und Erziehung der Kinder. Das Recht setzt ihnen dabei Grenzen, beispielsweise durch das Recht der Kinder auf gewaltfreie Erziehung."

https://www.mi.fu-berlin.de/monnerjahn/blog/Bildungsblog/2012/10/gesucht...

4

Wäre das folgende Unterstrichene interessant für eine Prüfung für das Verfassungsgericht ?

,

Weil es verfassungswidrig wäre, soll das neue Gesetz also nicht auf einen politischen Begriff von institutioneller Religionsfreiheit gegründet werden. Das wäre allerdings ehrlicher als, so wie jetzt, ausgerechnet auf das „Kindeswohl“. Je kleiner und wehrloser das Kind, je weniger artikulationsfähig es ist, desto großzügiger erlaubt der Bundestag, seine Grundrechte außer Kraft zu setzen.

Wenn ältere Kinder - so unwahrscheinlich es auch erscheinen mag - wollen, dass nicht an ihrem Geschlechtsteil herumgeschnippelt wird, soll das berücksichtigt werden. Säuglinge können so etwas aber nicht wollen, zumindest nicht darlegen, demnach bedarf es solcher Berücksichtigung nicht. Bei ihnen darf daher außer Ärzten auch religiöses Fachpersonal ran - bei älteren Kindern nicht. 

.......

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/gesetzentwurf-zur-beschneidung-gender-11916235.html 

5

Weiß jemand, ob von jemandem, der rechtlich kompetent ist, bereits an einer Verfassungsbeschwerde gearbeitet wird? Ich bin der Ansicht, dass man es in jedem Fall versuchen sollte und dass das BVerG selber sagen soll, ob es die Ansicht von Herrn Müller teilt, dass eine Betroffenheit eines jeden Kindes dadurch auszuschließen ist, dass die Eltern gegen das Gesetz klagen. Ich sehe das nicht so, denn das Gesetz hängt ein Damoklesschwert über ein jedes Kind, welches der elterlichen Willkür unterliegt und dem elterlichen Willen sogar widersprechen kann, wenn z. B. Kinder einen Vormund erhalten. Man muss sich das einmal allen Eltern in Deutschland klar machen: Falls ihr sterben solltet, darf der Vormund eine Beschneidung durchführen lassen, aus gleich welchem Grunde. Wenn das kein Grundrechtseingriff ist, von dem ein jedes Kind betroffen ist, weiß ich auch nicht.

0

Zur Frage der Beschneidung beim Tod der Eltern ist vielleicht ein Blick in das Gesetz zur religiösen Erziehung hilfreich. Kinder ab 10 Jahre müssen gehört werden.

4

Nach meiner langjährigen (beruflichen) Erfahrung nehmen heutzutage Familienrichter die betroffenen Kinder ausserordentlich ernst; versuchen z.B. mit aller ihnen zur Verfügung stehenden Einfühlungsfähigkeit, den Willen des Kindes auch unter vier Augen zu ermitteln. Daraus erwächst natürlich kein "Veto-Recht", aber es wird dadurch versucht zu verhindern, dass Kinder zum blossen " Spielball" des elterlichen Gezerres werden.

Es ist ja gerade die Absurdität des Gesetzentwurfes, dass er die in den letzten Jahrzehnten bei uns auch juristisch erreichten Kinderrechte völlig unterläuft bzw. sich an ihnen vorbeimogelt, weil das Kölner Landgericht entdeckt hat, dass es hier eine rechtspolitische "Nische" gibt, deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit weitestgehend ausgeblendet war. Ich habe leider nicht genug Überblick, um einschätzen zu können, wie die veränderten Kinderrechte in Entscheidungen des Verassungsgerichts in den letzten Jahren eingeflossen sind. Darauf ( und natürlich auch auf seine Entscheidungen zur Religionsfreiheit) müsste sich dieses bei der eventuellen Prüfung des Gesetzentwurfes ja irgendwie beziehen.

Man konnte ja in den letzten Jahren verfolgen, wie der Staat sich immer mehr in die familiäre Erziehung "einmischt" (Ausbau von Kinderkrippen und Kindergärten, Ganztagsschulen, kontinuierliche Erhöhung der Fremd-/Heimunterbringungen durch Familiengerichte), weil die familiäre Erziehung keine ausreichende "Ausbildung" mehr bereitstellt ("Pisa-Studie"). Es wird ja schon diskutiert, ob es über das Recht hinaus eine KindegartenPFLICHT geben sollte. Auch auf diesem Hintergrund wirkt es irgendwie (bestenfalls) "merkwürdig", dass jetzt einem archaischen Ritual, das, wie die Kinderärzte unisono bemängeln, auf einer " kollektiven Einfühlungsstörung" beruht, Gehör verschafft wird.

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werner schrieb:
Ich habe leider nicht genug Überblick, um einschätzen zu können, wie die veränderten Kinderrechte in Entscheidungen des Verassungsgerichts in den letzten Jahren eingeflossen sind. Darauf (und natürlich auch auf seine Entscheidungen zur Religionsfreiheit) müsste sich dieses bei der eventuellen Prüfung des Gesetzentwurfes ja irgendwie beziehen.

Die maßgeblichen Entscheidungen zu Kinder- vs. Elternrechten sind noch vor der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention getroffen worden:

BVerfGE 24, 119 (1968)

Das Kind ist ein Wesen mit eigener Menschenwürde und dem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit im Sinne der Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Eine Verfassung, welche die Würde des Menschen in den Mittelpunkt ihres Wertsystems stellt, kann bei der Ordnung zwischenmenschlicher Beziehungen grundsätzlich niemandem Rechte an der Person eines anderen einräumen, die nicht zugleich pflichtgebunden sind und die Menschenwürde des anderen respektieren. Die Anerkennung der Elternverantwortung und der damit verbundenen Rechte findet daher ihre Rechtfertigung darin, daß das Kind des Schutzes und der Hilfe bedarf, um sich zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der sozialen Gemeinschaft zu entwickeln, wie sie dem Menschenbilde des Grundgesetzes entspricht

BVerfGE 68, 176 (1984, leider nur Leitsatz)

1. ...
2. Ist während einer bereits länger andauernden Pflege zu befürchten, daß das Kind bei Herausgabe an die leiblichen Eltern einen nicht unerheblichen Schaden erleiden wird, so kann das Verbleiben des Kindes bei den Pflegeeltern angeordnet werden, obwohl die Voraussetzungen des § 1666 Abs.1 BGB nicht vorliegen. Jedoch ist hierbei das Wohl des Kindes gegen das Recht der Eltern abzuwägen.

"... die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Elternrechts dient in erster Linie dem Schutz des Kindes. Das Kindeswohl ist damit Maßstab der im Bereich des Kindschaftsrechts zu treffenden Entscheidungen der Instanzgerichte" (1 BvR 1069/01)

Der wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt 2008 zu den Folgerungen:

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Entscheidungen (...) herausgestellt, dass bei Interessenkollisionen zwischen dem Kind und den Eltern das "Kindeswohl letztlich bestimmend" sein müsse und den Interessen des Kindes grundsätzlich der Vorrang zukomme.
... und
das Bundesverfassungsgericht hat nicht nur die Menschenwürde des Kindes betont, sondern auch, dass "mit abnehmender Pflege- und Erziehungsbedürftigkeit sowie zunehmender Selbstbestimmungsfähigkeit des Kindes die im Elternrecht wurzelnden Rechtsbefugnisse zurückgedrängt werden, bis sie schließlich mit der Volljährigkeit des Kindes erlöschen."
(Hervorhebung im Original)

Da das BVerfG in Sachen Kinderrechte und Kindeswohl in den letzten Jahren dem Gesetzgeber immer zeigen musste, wo es lang geht, stehen die Chancen nicht schlecht, dass das BVerfG seine bisherigen Maßstäbe (auch was den Schutz des Sexual- und Intimbereiches angeht) auch in diesem Falle beibehalten und eine Beschneidungserlaubnis als Antasten bzw. Zerstören des Wesensgehaltes des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit werten würde. Denn ein direkter, dauerhafter Nutzen für das Kind ist nicht erkennbar und eine "Ausgrenzung" der Kinder wegen intakter Vorhaut ist bisher nicht belegt (das Verhindern der Ausgrenzung der Eltern kann nicht als Kindeswohl gewertet werden).

Darum verwendet der Gesetzentwurf ja auch so viel Energie darauf, die Beschneidung als "unschädlich" bzw. ohne Nachteile darzustellen, erwähnt nur beiläufig, dass auch ein Kind Grundrechte hat (aber nicht, inwieweit diese durch den elterlichen Eingriff verletzt werden) und verschweigt Nebenwirkungen und Risiken der Zirkumzision. Ebenfalls wird die Meinung der deutschen fachärztlichen Vereinigungen und Kindervertreter totgeschwiegen.

Es ist zu hoffen, dass sich das BverfG im Gegensatz zum Gesetzgeber an der Wertung der Fachleute orientiert und sachlich korrekt urteilt anstatt ideologisch.

 

 

Trotzdem gibt es immer noch genügend "Nischen" in Familien, in Schulen und in den verschiedensten Glaubensgemeinschaften wo Kinder psychisch und auch körperlich auf unterschiedlichste Weise mißhandelt werden, dass nie die Behörden erfahren, weil alles totgeschwiegen wird. 

Es ist schrecklich, dass Kinder demnächst legal beschneiden lassen dürfen.

 

 

 

 

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Ich bedanke mich für die Aufklärung!

Fraglich scheint mir lediglich, ob die Definition von "direkter, dauerhafter Nutzen für das Kind" und "Ausgrenzung der Kinder" nicht wieder die Religionsfreiheit berührt.

Die m.E. fast schon peinliche Offensichtlichkeit der Zielgerichtetheit der Auswahl/Verkürzung/Nichtberücksichtigung der fachlichen Stellungnahmen habe ich auch zur Kenntnis genommen. Ich frage mich, ob dieses Vorgehen juristisch irgendwie von Belang sein kann.

Ich nehme an, dass das Thema zur Erleichterung unserer politischen Klasse und der Presse erst einmal vom Tisch ist, und erst wieder hochkocht, wenn ein Fall von missglückter Beschneidung durch einen Mohel an die Öffentlichkeit kommt.

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Folgende Gesetze werden durch die Legalisierung der Jungenbeschneidung verletzt:

Grundgesetz Art. 2 (2)
„Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“

Grundgesetz Art. 3 (3)
Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

§ 1631 Abs. 2 BGB:
„Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“

Weiteres die Kinderrechtskonvention:

Artikel 24 (3) der UN-Kinderrechts-Konvention:
„Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen.“

Guy Sinden, ebenfalls verantwortlich für beschneidung-von-jungen.de: „Im Ministerium begründet man weiter, in keinem Land der Welt sei die Beschneidung verboten. Offensichtlich soll hier im Vergleich mit anderen Ländern, in denen oftmals Kinder misshandelt werden, eine Entscheidung gegen Individualrechte und entgegen sich ändernder Rechtsprechung und Wertevorstellungen der Mehrheit der Bevölkerung erzwungen werden. Die vorgelegte Regelung trägt eindeutig die Handschrift religiöser Lobbyisten, alle Forderungen die seitens religiöser Verbände gestellt wurden, wurden erfüllt. Es ist schade. Aber Jungen haben offensichtlich keine Lobby.“
 

Zitate aus :

http://www.lokalkompass.de/dortmund-city/politik/gesetzentwurf-regierung-will-beschneidung-von-jungen-erlauben-d218722.html

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Die schwedische Pädiatrie-Vereinigung (Svenska barnläkarföreningen, BLF) fordert ein Verbot der religiösen und medizinisch nicht notwendigen Beschneidung von Jungen.

Nach einer Jahrelangen Diskussion ist das BLF zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beschneidung von Jungen verboten werden sollte, weil die davon betroffenen Kinder noch nicht in der Lage seien eine selbstständige Entscheidung über den Eingriff zu treffen.

....

 

 

http://www.thelocal.se/39200/20120219/

 

 

 

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Kabinett beschließt Beschneidungsgesetz  

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http://www.sueddeutsche.de/politik/gesetzentwurf-kabinett-bringt-gesetz-zur-beschneidung-auf-weg-1.1491979 

..

Nach Angaben der Nachrichtenagentur dpa soll das BGB um den Paragrafen 1631d ergänzt werden. Seine beiden Absätze lauten demnach:

....

(1) Die Personensorge umfasst auch das Recht, in eine medizinisch nicht erforderliche Beschneidung des nicht einsichts- und urteilsfähigen männlichen Kindes einzuwilligen, wenn diese nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden soll. Dies gilt nicht, wenn durch die Beschneidung auch unter Berücksichtigung ihres Zwecks das Kindeswohl gefährdet wird.

...

(2) In den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes dürfen auch von einer Religionsgesellschaft dazu vorgesehene Personen Beschneidungen gemäß Absatz 1 durchführen, wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind. 

....

Dem Zentralrat der Muslime ist das geplante Beschneidungsgesetz nicht konkret genug. "Was ist denn Kindeswohlvorbehalt? Wie drückt sich das aus?", sagte der Zentralrats-Vorsitzende Aiman Mazyek im Bayerischen Rundfunk. 

 

.....

Bis zu welchem Alter ist ein Kind ein- und urteilsfähig ?  

 

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Sollte heißen :

.

Bis zu welchem Alter ist ein Kind nicht ein- und urteilsfähig ? 

Wer prüft das ?

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„Der heutige Beschluss des Kabinetts ist bereits ein wichtiges Signal, um die entstandene Verunsicherung zu beseitigen“, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) am Mittwoch in Berlin und fügte hinzu: „Die parlamentarischen Beratungen können jetzt intensiv aufgenommen werden. 

 

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http://www.fr-online.de/politik/gesetzentwurf-beschneidung-bleibt-straffrei,1472596,20561214.html 

 

Wieso wird nicht erst beraten und dann beschlossen ?

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Bleibt zu hoffen, dass dieser Wunsch, der die Motivation der Gesetzesklempner ausdrückt, nicht in Erfüllung geht:

Von einem "wichtigen und richtigen Schritt" sprach die Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses, Charlotte Knobloch. Sie hoffe nun, "dass dieses Thema endlich aus der öffentlichen Diskussion verschwindet." (aus der SZ)

Man stelle sich eine ähnliche Äußerung über die Beschneidung der Klitorisvorhaut bei Mädchen vor - und das öffentliche Echo ...

Beschneidungen bleiben erlaubt (www. dw.de)

Die Bundesjustizministerin verwies auf den im Grundgesetz geregelten Vorrang des elterlichen Sorgerechts: Eltern dürften deshalb ihre Kinder "grundsätzlich frei von staatlichen Eingriffen nach eigenen Vorstellungen" erziehen und ihnen religiöse Überzeugungen vermitteln.

Äh ... Grundrechte der Kinder? Recht auf gewaltfreie Erziehung? Nichts da, Elternrecht ist Trumpf.

Fundamentale Kritik am Gesetzentwurf kam bereits im Vorfeld der Kabinettsentscheidung von der Deutschen Kinderhilfe. "Es ist ein Irrglaube, mit Zäpfchen oder einer Salbe diese erheblichen Schmerzen und ihre Auswirkungen auf das Schmerzempfinden im späteren Leben lindern zu können", kritisierte der Vorstandsvorsitzende Georg Ehrmann. Die Deutsche Kinderhilfe lehne Beschneidungen im Säuglingsalter ebenso wie der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte als unzumutbare Körperverletzung ab, betonte Ehrmann. Er appellierte an den Bundestag, das Gesetz nicht im Eilverfahren durchzuwinken, sondern an einem Runden Tisch zu diskutieren.

Ich teile den Optimismus, dass das BVerfG es schon richten werde, nicht. Dass die beabsichtigte gesetzliche Regelung offenkundig verfassungswidrig ist und nun mit geradezu peinlichen Verkürzungen, Verzerrungen und Auslassungen in der Argumentation durchgepeitscht werden soll, muss nicht heißen, dass unsere Verfassungsgericht das Spiel nicht trotzdem mitspielt. Denn die Karlsruher Richter haben sich mMn schon lange von einer streng rechtlichen Überprüfung der ihnen vorgelegten Fragen verabschiedet und fungieren leider oft genug nur noch als politische Bekräftigungsinstanz. Mittlerweile schreckt man nicht einmal mehr davor zurück, auch offenkundig falsche Behauptungen des Gesetzgebers zu wiederholen und zu übernehmen, wenn es politisch opportun ist.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Rechtsprechung des BVerfG zur Sicherungsverwahrung: Das BVerfG behauptet dort (BVerfGE 109, 133, 157 f., fortgeführt in BVerfGE 128, 326, 373) wider besseres Wissen, dass die Kriminalprognose zuverlässig sei. Dabei belegen sämtliche Studien (Kinzig 2008, M. Alex 2010, Müller/Stolpmann/Fromberger/Haase/Jordan 2011) das Gegenteil und nicht einmal die Koryphäen auf dem Gebiet der Kriminalprognose würden sich anmaßen zu behaupten, dass sie die Rückfälligkeit eines Straftäters "sicher" vorhersagen können. Aber es wäre wohl politisch nicht vermittelbar, wenn man zugeben würde, dass ca. 90% der Sicherungsverwahrten trotz tatsächlicher Ungefährlichkeit weggesperrt werden...

Am Ende werden wir aus Karlsruhe wahrscheinlich wieder etwas ähnliches wie in BVerfGE 6, 389 zu hören bekommen. Dort hieß es zur eigentlich offenkundigen Geschlechterdiskriminierung bei der Strafbarkeit der männlichen Homosexualität:

"Die Strafvorschriften gegen die männliche Homosexualität (§§ 175 f. StGB) verstoßen nicht gegen den speziellen Gleichheitssatz der Abs. 2 und 3 des Art. 3 GG, weil der biologische Geschlechtsunterschied den Sachverhalt hier so entscheidend prägt, daß etwa vergleichbare Elemente daneben vollkommen zurücktreten."

Mit einer ähnlich tautologischen Begründung könnte man nun auch die offensichtliche Jungendiskrininierung "rechtfertigen".

Ich lasse mich aber gerne eines besseren belehren und gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Richter den Mut finden werden, den Rechten der wehrlosen Kinder zur Geltung zu verhelfen, die ihnen das Parlament wohl mit einem Federstrich nehmen wird...

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Danke für die Verlinkung dieses sehr interessanten und guten Beitrages!

Lesenswert auch der eigene Kommentar von Prof. Grotzmann zu einem anderen:

Hinsichtlich des zweiten zentralen Aspekts, ob die Eltern hier zum Kindeswohl handeln, lässt sich nur mit erheblichen Schwierigkeiten ein Argument erzwingen, dass das Einschränken des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit rechtfertigen könnte. Auch hier hat das Kölner Gericht sich im Rahmen des Möglichen weitgehend zurueck gehalten.

Dass das Argument des Kindeswohls problematisch ist, zeigt sich schon, da hier offenkundig religiöse Normsetzungen, die auf ein definiertes Kollektiv ausgerichtet sind, das Handeln der Eltern bestimmen. Die Definition des Kindeswohls ist jedoch notwendigerweise auf ein spezifisches Kind bezogen; die religiöse Regelung erkennt subjektive Befindlichkeiten allerdings nur als strikt beschränkte Ausnahme, zB. bei Erkrankung.
Zudem bedeutet das Kindeswohl nicht das Wohl der Eltern, die tatsächlich sozusagen treuhänderisch im Interesse des Kindes zu handeln haben; die religiöse Regelung (s. den Beitrag) zielt auch bzw. sogar primär aber dezidiert auf die Erfüllung eines positiven religiösen Gebots ab, dass den Eltern obliegt.

Selbst wenn man diese Bezüge zwischen religiösem und staatlichem Recht ausser acht lässt – was aus Sicht des staatlichen Rechts ohnedies der Fall sein sollte -, liesse sich hier ein Wohl des Kindes, das eine Körperverletzung rechtfertigen wuerde, m.E. kaum konstruieren. Das stärkste Argument ist sicherlich, die nahtlose Integration in die (religiöse) Gemeinschaft: spätestens wenn nachweislich ist, dass unbeschnittene Personen keine oder wenige Ausgrenzungen zu erwarten haben, bzw. wie im Beitrag dargestellt, die Religionsgemeinschaften hier zu einem recht unproblematischen Umgang gefunden haben, dürfte dieses – ohnedies in Abwägung mit einem Grundrecht doch sehr gezwungene Argument – nicht überzeugen.
Das vielfach angeführte Argument der Religionsfreiheit greift ohnedies gar nicht, da auch dieses Recht auf ein Individuum und seine spez. Freiheit bezogen ist – aber niemals die Freiheit einer Person einzuschränken, z.B. andere zu verletzen, meinen kann.

Hier verstehe ich Prof. Grotzmann nicht:

"spätestens wenn nachweislich ist, dass unbeschnittene Personen keine oder wenige Ausgrenzungen zu erwarten haben, bzw. wie im Beitrag dargestellt, die Religionsgemeinschaften hier zu einem recht unproblematischen Umgang gefunden haben..."

Der Gesetzentwurf bezieht seine diesbezüglichen Erkenntnisse ausschliesslich von den Religionsverbänden und erwähnt die symbolische Beschneidung als "vereinzelt". Nicht-Beschnittene Gläubige existieren demnach überhaupt nicht. Diese Darstellung ist doch ganz einfach zu widerlegen, oder? Die deutsche jüdische Gemeinde z.B. hat doch tausende russische unbeschnittene Juden aufgenommen, die nicht alle nachträglich beschnitten wurden.
Der Gesetzentwurf lässt ausserdem unter den Tisch fallen, dass die Abstammung von einer jüdischen Mutter entscheidend ist.

Interessant (wenn auch nicht entscheidend) ist übrigens in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass über die ART der Beschneidung Rabbiner entscheiden. Im alten Griechenland waren Juden nur teilbeschnitten.

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Schade , dass Prof. Grotzmann und ebenso der Historiker Prof. Wolffsohn nicht von unser Regierung gehört wurden, die einiges klarstellen über die jüdische Beschneidung.

Wünschenswert wäre, falls das Gesetz ratifiziert wird , dass diese beiden Herren auch vom Verfassungsgericht gehört werden.

Oder spielen beim Verfassungsgericht nie "Sachverständige" eine Rolle mehr ?

 

 

 

 

 

 

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http://de.wikipedia.org/wiki/Kupieren#Rechtliche_Bestimmungen

Das Kupieren der Ohren eines Dobermann fügt dem Tier langanhaltende Schmerzen zu, die nicht auf einem vernünftigen Grund beruhen. Die Maßnahme ist deshalb tierschutzwidrig und strafbar. Dies gilt auch dann, wenn der Eingriff an den Ohren nicht in Deutschland, sondern im Ausland vorgenommen wurde, wo dies noch erlaubt ist. Denn wer seinen Hund nur deshalb kurzfristig ins Ausland bringt, um dort die Ohren kupieren zu lassen, macht sich strafbar, weil der Hund die Schmerzen nicht nur unmittelbar beim Eingriff hat. Diese Schmerzen dauern vielmehr noch mehrere Wochen während der Nachbehandlung (2-4 Wochen) an. Ein vernünftiger Grund für das Kupieren der Ohren liegt im Sinne des Tierschutzgesetzes nicht vor (AG Neunkirchen, Az. 19.536/93).

Wer hätte gedacht, dass Dobermänner einmal besseren Schutz durch Gesetze genießen als Kinder ...

Lesen Sie einmal was jetzt Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden im Zeit Interview unter anderem gesagt hat. Da gibt er dem Kölner Urteil Recht.

.

 

Wir sind einen wichtigen Schritt weiter, aber der Weg ist noch lang. Trotzdem: Das Gesetz ist eine Verschlechterung des bisherigen Zustands und die Diskussion ist ja keineswegs mit dem Gesetzentwurf erledigt.

....

Erstens müssen jetzt die Abgeordneten des Deutschen Bundestags sich in Ruhe ihre Meinung bilden, und ich bin keineswegs sicher, wie die sich entscheiden werden, auch wenn wir viel Unterstützung aus der Politik erhalten haben. Aber nicht immer ist das Meinungsbild der Parteibasis identisch mit der Position der Parteiführung.

.. Die Situation ist nicht so schwarz-weiß wie viele glauben. Die Beschneidung ist objektiv eine Körperverletzung, wie übrigens jede Blutabnahme oder Impfung beim Arzt auch. Es ist auch idiotisch, Kritik daran mit dem Argument abzutun, es täte nicht weh. Es tut weh. Es ist auch dummes Zeug, die Sache damit zu bagatellisieren, dass Mann diese paar Zentimeter Haut doch nicht braucht.

..

 

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/beschneidung-gesetzentwurf

 

 

 

5

Herr Kramer hat offensichtlich Angst, dass sich in der Zeit bis zur Abstimmung einige Abgeordnete " in Ruhe" über die juristischen und medizinischen Hintergründe informieren, und anders als ihre Parteiführung abstimmen. Sichwort: Aufhebung des Fraktionszwangs. Dagegen hat die SZ schon vor ein paar Tagen massiv gewettert.

Herr Kramer gibt dem Kölner Urteil keineswegs Recht: Tatbestand, naja, o.k., aber trotzdem besteht er auf Religionsfreiheit, obwohl er die Vorhaut jetzt ein bisschen aufwertet...

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Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, erläutert im ZDF-Morgenmagazin, warum sie die Beschneidung von nicht Einwilligungsfähigen grundsätzlich ablehnen.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/aktuellste/446#/beitrag/v...

"Die Ungereimtheiten des Gesetzentwurfs sind bei der Anhörung in der SPD-Fraktion sehr deutlich geworden" (u.a. keine Erläuterung, was "ärztliche Kunst" und was "Kindeswohl" bedeutet), "das Kind ist Subjekt und kein Objekt, über das Eltern frei verfügen können", "wir leben heute im 21. Jahrhundert und da können auch jahrtausendealte Traditionen hinterfragt werden".

P.S.: warum werden die Stellungnahmen der "Experten" nicht veröffentlicht, denen das Eckpunktepapier zugesandt wurde? Muss verschwiegen werden, dass alle Mediziner dagegen sind? -> http://dipbt.bundestag.de/extrakt/ba/WP17/479/47943.html

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Recht und Politik (3/2012) haben der Strafrechtler Holm Putzke und die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries zum Thema „Ist die religiöse Beschneidung Körperverletzung?“Stellung genommen.

Harald Stücker kommentiert den Beitrag von Zypries hier: "Die Alltagsvernunft in der Komikernation" (dort auch der Link zu den Beiträgen, hier wegen wordpress-Quelle nicht direkt verlinkbar - welcher Praktikant hat denn den Spamfilter eingestellt?)

Die Stellungnahme von Frau Zypries „Lassen wir die Kirche im Dorf!“ fasst alles, was kein Argument ist, noch einmal kurz und prägnant zusammen. Durch den gesamten Text zieht sich der Versuch, Beschneidungsgegner lächerlich zu machen. Er klingt wie ein Echo des Kanzlerworts von der „Komikernation“, und auch argumentativ liegt er etwa auf diesem Niveau. Dabei ist es vor allem komisch, zu sehen, wie viele ihrer Schüsse nach hinten losgehen.

Es ist in der Tat bestürzend, welche "Qualität" die "Abhandlung" einer einstigen Justiz(!)ministerin aufweist. Selten gab es so viel Anlass zum Fremdschämen in der juristischen Welt.

Das Ziel der gesamten Politik in Deutschland, über Partei- und Koalitionsgrenzen hinweg, war nie, eine für unser Selbstverständnis zentrale juristische, gesellschaftliche und ethische Frage möglichst gründlich und unvoreingenommen zu erörtern, um sie schließlich nach Abwägung aller relevanten Sachargumente zu entscheiden. Das Ziel war immer, die bereits getroffene Entscheidung so schnell wie möglich durch die lästigen Instanzen zu prügeln. Das Ziel war immer, die Debatte abzuwürgen, sie zu löschen wie das Feuer, das  plötzlich an der Hose hochzüngelt. Daher das panische, kopflose und dilettantische Vorgehen der Politik in den letzten Wochen. Bundestagsdebatten, Pressekonferenzen, Ethikkommissionen, Anhörungen (ohne Betroffene!), Gesetzentwürfe: alles Theater, alles Kulisse.

Komikernation eben.

http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/beschneidung-volks...

Jerzy Montag in der "Zeit" über Untiefen und neue Koalitionen in der Beschneidungsdebatte.

Mit dem "Drecks"-Vorwurf hat er allerdings ein schönes Eigentor geschossen: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-10/beschneidung-volks...

Wenn ausschließlich eine Beschneidung zu maximaler Hygiene führen kann, so dass man sie einem Kind aufnötigen muss [und] zu seinem gesundheitlich Besten aufzwingen muss, dann bedeutet das im Umkehrschluss nichts anderes, als dass alle Beschneidungsanhänger Unbeschnittene per se als unsauber und unhygienisch erachten.

Warum das Recht auf Körperverletzung nun unter dem Deckmantel der "Religionsfreiheit" daherkommt, weiß allerdings nur die "Zeit".

http://www.haaretz.com/misc/iphone-blog-article/an-end-to-the-agony.premium-1.469576

 

An end to the agony

Victor S. Schonfeld
Jewish and Muslim children deserve protection from a hurtful, dangerous custom overdue for replacement. If it takes a court in 21st-century Germany to help us move beyond circumcision, I welcome that.

Germany's parliament may soon approve a law to protect religious circumcision, this to counteract a Cologne court ruling last June that pronounced the practice unlawful.

This is wrong - the German government should rethink. I say this as a Jewish parent from a proud rabbinic lineage, with relatives killed in the Holocaust; I say this as the maker of "It's a Boy!" - the 1995 British TV documentary that first broke the taboo on showing the hidden toll of circumcision. It demonstrated how a rite ingrained in Jewish and Muslim culture, and said to be divinely commanded, regularly results in acute suffering, injuries, mutilation and deaths.
(...)
Despite Wednesday's decision by the German cabinet to approve legislation that would protect circumcision, it's still not too late to reverse course. In a letter I've sent Chancellor Angela Merkel my message is simple: Please don't undo the opportunity for change created by your courageous Cologne judge. Jewish and Muslim children deserve protection from a hurtful, dangerous custom overdue for replacement. If it takes a court in 21st-century Germany to help us move beyond circumcision, I welcome that.

Die Beschneidung gesetzlich gestatten?

Von Prof. Dr. Wolf-Dietrich Herzberg, ZIS 10/2012

Daraus ein interessanter Vergleich:

Gar nicht beachtet haben die Autoren des Entwurfs einen zweiten Widerspruch. Ich meine den Wertungswiderspruch zwischen dem geplanten § 1631d BGB und dem schon geltenden § 1631b BGB. Das Einwilligungsrecht, das den Eltern eingeräumt werden soll, bedeutet für sie die Erlaubnis, auf die Begehung einer Körperverletzung (§ 223 StGB) zum Schaden des Kindes hinzuwirken, und für den Beschneider die Rechtfertigung bei der Erfüllung des Tatbestandes. Den Referenten war natürlich eines klar: Sie durften diese Gestattungen nicht an die Voraussetzung binden, dass die Beschneidung, obwohl ohne Heilungssinn, das Wohl des Kindes positiv fördert. [...] Darum mussten sich die Referenten mit einer Annahme begnügen, die zwar auch falsch, aber nicht so offensichtlich falsch ist: Die medizinisch unnötige Beschneidung sei im Normalfall kindeswohlneutral, nur ausnahmsweise gefährde sie das Kindeswohl. [...] So haben denn die Referenten der Rechtfertigung nur eine negative Grenze gezogen: Es genügt, dass die Beschneidung das Kindeswohl nicht gefährdet. Für das Kindeswohl erforderlich sein muss sie nicht.

Nun vergleiche man diese Regelung mit der des § 1631b BGB! Auch dort geht es um eine Maßnahme der Personensorge, die zum Nachteil des Kindes einen Straftatbestand erfüllt, nämlich den des § 239 Abs. 1 StGB. Das macht die Maßnahme besonders problematisch. Darum haben die Eltern keine freie Hand. Es genügt nicht, dass die Freiheitsentziehung das Kindeswohl nicht gefährdet. Nein, die Maßnahme bedarf erstens „der Genehmigung des Familiengerichts“ und sie muss zweitens positiv „zum Wohl des Kindes […] erforderlich“, d.h. einer Operation vergleichbar sein, die dem Kind zwar Schmerzen bereitet, aber um seiner Gesundheit willen nottut. Für die Gestattung der zeitweiligen Freiheitsentziehung werden also weitaus strengere Voraussetzungen aufgestellt als für die einer Körperverletzung, die mit Schmerzen, Risiken und dem endgültigen Verlust eines wichtigen Körperteiles verbunden ist.
Dieser Wertungswiderspruch bekräftigt unseren Befund. Anders als bei der gesetzlichen Erlaubnis der Unterbringung geht es bei der für die Beschneidung geplanten nicht um das Interesse des Kindes, um den Schutz und die Förderung seines Wohls. Vielmehr handelt es sich um einen Konflikt von Interessen, den der Gesetzgeber zulasten des Kindes und zugunsten der Eltern entscheiden soll. Die Rechtfertigungsnorm, die diese Entscheidung trifft, sollte sich nicht tarnen als eine Bestimmung, die eine besondere Maßnahme der „Personensorge“ zur „Pflege“ und zum „Wohl des Kindes“ erlaubt.
Sie gehört ins Strafgesetzbuch!

Beschneidungen passen nicht in eine moderne Gesellschaft - ZEIT-Leserartikel von Avi Steinberg, geboren in Israel

 Mich stört nicht nur die Leichtfertigkeit, mit der viele religiöse Beschneidungen vorgenommen werden. Es geht mir allgemein darum, dass ohne medizinischen Grund ein Eingriff am Körper Neugeborener vollzogen wird, nur weil die Tradition es so will. In einer aufgeklärten Gesellschaft, in der die Menschenwürde das höchste Gebot ist, ist diese Tradition moralisch nicht vertretbar und sollte strafbar sein. Die Beschneidung verstößt zudem gegen das hohe Gebot der Nächstenliebe, das ja gerade im Judentum betont wird.

Ähnliche Gedanken hatte meine Tochter, als sie ihren Sohn zur Welt brachte. Wie andere israelische Eltern heutzutage hat sie erwogen, ihn nicht beschneiden zu lassen. Schließlich entschied sie, den Eingriff von einem Arzt vornehmen zu lassen, ohne eine religiöse Zeremonie. Sie wollte nicht, dass ihr Kind später von der Gesellschaft als "anders" gebrandmarkt würde. Sie sagte mir: "Hätte ich in Deutschland gelebt, hätte ich es nicht gemacht."

Die Skepsis der Pädiater - Ärztezeitung, mit lesenswerten Kommentaren

Auch die geforderte umfassende Aufklärung der Eltern bleibe auf der Strecke. So könnten selbst Ärzte bei einem acht Tage alten Kind noch nicht beurteilen, ob zum Beispiel eine Hämophilie oder ein Antikörpermangelsyndrom vorliegt.

Humanisten in NRW schreiben Landesregierung an 

Der Humanistische Verband in Nordrhein-Westfalen hat sich in einem Schreiben an den Sozial- und Integrationsminister des Landes, Guntram Schneider (SPD), gegen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur religiös motivierten Beschneidung ausgesprochen. Er halte nicht einer nachvollziehbaren Begründung stand ...
Für die Beschneidung von männlichen Kindern würden allgemein nachvollziehbare Begründungen fernab von Traditionen, Schriften und Büchern, die ausschließlich für die Gläubigen der jeweiligen Religion eine irgendwie begründete Verbindlichkeit haben, nicht vorgebracht. ... 
Ausschließlich mit religiösen Begründungen und Bezugnahmen vorgetragene Verhaltensweisen oder Gesetzmäßigkeiten dürften weder jetzt noch in Zukunft zugelassen werden, da diese „offensichtlich willkürlich interpretierbar" seien.  ... 
Ferner weist der Verband darauf hin, dass keineswegs alle Juden bzw. Moslems weltweit beschnitten seien und auch keine Informationen vorlägen, welche Benachteiligungen bei den Gläubigen bei nicht erfolgter Beschneidung auftreten würden. 

Diskussion in der SPD-Fraktion mit Experten zur Beschneidung minderjähriger Jungen

Prof. Dr. Willutzki ( Begründer und ehem. Vorsitzender des Deutschen Familiengerichtstags) verwies zu Beginn darauf, dass das Urteil einer kleinen Strafkammer für weltweites Aufsehen gesorgt hätte und seiner Meinung nach Schaden von Deutschland abgewendet werden müsse. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass hier Juden und Muslime ausgegrenzt würden. Aus seiner Sicht sei die Befugnis der Eltern, ihr Kind aus religiösen Gründen beschneiden zu lassen nicht durch das Kindeswohl begrenzt.

Randolf Hamza Wördemann, (Stv. Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland): In der Debatte gehe es nach seinem Empfinden um ein erfundenes Problem. Es gebe keine Opfer bei der Beschneidung minderjähriger Jungen. Es gebe auch keine negativen Auswirkungen.

Dr. Josef Schuster, Vize-Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland: Die Beschneidung ... müsse ohne Gefahr für das Kind durchgeführt werden. Deshalb müsse dem Mohel (Beschneider) ein kinderärztliches Attest vorgelegt werden, dass aus medizinischen Gründen nichts gegen eine Beschneidung spricht (selbst wenn dies stimmen sollte - siehe oben, Ärztezeitung - ein solches Attest kann nicht ausgestellt werden)...  Die aktuelle Diskussion hätte dazu geführt, dass innerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaft über die Verwendung von Emla-Salbe zur Schmerzvermeidung debattiert werde.

...

Die SPD-Bundestagsfraktion hat die Abstimmung für ihre Abgeordneten freigegeben. Das heißt, es wird keine Festlegung der Fraktion geben.

Vortrag von Prof. Herzberg auf einer Informationsveranstaltung des Arbeitskreises Kinderrechte (Eigentlich hatte es eine Diskussionsveranstaltung zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf zur Frage der Beschneidung von nicht-einwilligungsfähigen Jungen werden sollen. Da sich trotz intensiven Bemühens kein Befürworter der Knabenbeschneidung finden ließ, der seine Sichtweise und seine Argumente vorgetragen hätte, wurde der Abend zu einer Informationsveranstaltung) --- Ausschnitte:

Der geplante § 1631 d BGB soll nun das Einwilligungsrecht der Eltern und damit indirekt auch die Rechtfertigung des Beschneiders ausdehnen auf Fälle, wo die Beschneidung des Kindes medizinisch nicht erforderlich ist. Er fügt sich ein in die Vorschriften des familienrechtlichen Kinderschutzes, er betrachtet die Einwilligung ausdrücklich als einen Akt der „Personensorge", die laut Gesetz der „Pflege" und dem „Wohl" des Kindes dienen muss (vgl. §§ 1626, 1627, 1631 BGB). Der neue Paragraph behauptet also Folgendes: Auch die medizinisch unnötige Beschneidung erweist dem Kind Gutes, und zwar genug Gutes, um das Schlechte der Körperverletzung aufzuwiegen. Das wirft folgende Frage auf: Versäumen die Eltern etwas zum Schaden ihres Kindes, wenn sie es nicht beschneiden lassen, obwohl ihre Religion die Beschneidung gebietet?
...
Wir dürfen Verletzungen nicht deshalb erlauben, weil eine Religion solche Aussagen macht und ihre Anhänger daran glauben. Unser Staat ist kein Gottesstaat und er besitzt keine Staatsreligion. Bei uns gelten die Gesetze einer säkularen, der Vernunft und Rationalität verpflichteten Rechtsordnung. Keine Religion steht darüber, jede hat sich darein zu fügen. Es bleibt die Behauptung von Vorteilen für das Kind, die rational nachprüfbar sind: Hygiene, religiöse Integration, Minderung von Krankheitsgefahren beim Geschlechtsverkehr in späteren Jahren. Aber erstens wöge keiner dieser Vorteile, wenn feststellbar, schwer genug, die Schmerzen, Risiken und belastenden Dauerfolgen der Beschneidung aufzuwiegen. Und zweitens sind weder Hygiene noch Integration noch Gesundheitsschutz in späteren Jahren abhängig von der Beschneidung des Kindes.
...

Darum erscheint es mir geradezu zynisch, auch die medizinisch unnötige Beschneidung als einen Akt der „Personensorge" auszugeben. Die neue Vorschrift tut, als könnten Eltern ihr Kind dadurch „pflegen" und seinem „Wohl" dienen, dass sie ihm von seinem gesunden Geschlechtsorgan den sensibelsten Teil, der für das Empfinden sexueller Lust besonders wichtig ist, abschneiden lassen. Damit verschleiert das Gesetz, worum es in Wahrheit geht: um eine schlimme Körperverletzung ohne Heilungssinn, reinweg zum Schaden des Kindes; diese soll nicht, wie bei medizinischer Indikation, im Interesse und zum Wohl des Kindes erlaubt werden, sondern im Interesse der Eltern. Deren Interesse mag durchaus altruistische Elemente aufweisen, denn die Eltern können die Beschneidung aus dem Irrtum heraus wünschen, ihrem Jungen damit Gutes zu tun. Aber dieser Irrtum macht das Interesse der Eltern nicht zum Interesse des Kindes. Die Vorschrift löst also einen Konflikt von Interessen. Den Konflikt zwischen zwei Parteien, zwischen den Eltern hier und dem Kinde dort. Und diese Lösung besteht fatalerweise darin, den Eltern grundsätzlich den Vorrang einzuräumen und ihnen die Verletzung des Kindes zu erlauben.
Das aber kann das Gesetz meines Erachtens nicht, ohne dem Grundgesetz zu widersprechen. Kein Zweck, den die Eltern verfolgen mögen, hat die Würde und das Gewicht, die Beschneidung vereinbar zu machen mit dem Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Das liegt für Zwecke wie Masturbationsverhinderung, Penisverschönerung, Wascherleichterung oder Fortführung einer Familientradition auf der Hand. Der würdigste Zweck, und dass muss auch in diesem Raum gesagt werden dürfen, ist dann doch noch der religiöse.
...
Ich meine das Anliegen der Eltern, ihrem Glauben gemäß durch die schwere Verletzung des Kindes einen göttlichen Befehl oder eine religiöse Pflicht zu erfüllen. Sie berufen sich dafür auf das Recht, in Freiheit ihre Religion auszuüben. Aber hier hat unser Grundgesetz den Konflikt sogar ausdrücklich gegen die Ausübungsfreiheit gelöst. Denn das Grundgesetz ordnet dies in Artikel 140 an. Es geht dort um staatsbürgerliche Rechte und staatsbürgerliche Pflichten wie z.B. die Pflicht, niemanden zu verletzen oder bei einem Unglücksfall Hilfe zu leisten. Diese Rechte und Pflichten werden im keinem Fall dadurch beschränkt, dass jemand seine Religionsfreiheit ausübt (vgl. Art. 140 GG i.V. mit Art. 136 Abs. 1 WRV).
Im Grunde ist das selbstverständlich. Dass eine Sekte es ihren Mitgliedern zur religiösen Pflicht macht, andere in ihren Häusern aufzusuchen und zu bekehren, beschränkt das Hausrecht und die Pflicht, es zu respektieren, nicht im Geringsten. Wenn der Missionar ins Haus eindringt oder sich weigert, es zu verlassen, macht er sich wegen Hausfriedensbruch strafbar.
Und ein näher liegendes Beispiel: Die Mädchenbeschneidung begegnet uns sehr wohl auch als Religionsausübung. So, wie die muslimische Sekte der Schafi‘iten sie fordert (bloßes Anritzen der Schamlippen), hat sie in jeder Hinsicht schwächere Auswirkungen als die männliche Zirkumzision. Aber in Deutschland ist es ganz unstreitig, dass der Mädchenbeschneider trotz Religionsausübung eine rechtswidrige Körperverletzung begeht.
Die Religionsausübung hat jede Freiheit, aber eben nur im Rahmen der Gesetze. Und zu ihnen gehört § 223 StGB, der Körperverletzungen verbietet. Es ist in meinen Augen eine absurde Annahme, dass jemand von Rechts wegen sein Kind verletzen darf, weil seine Religion es von ihm verlangt.
...zugleich befürchte ich, dass politische Rücksichten den Gesetzgeber am Ende die entworfene Beschneidungserlaubnis beschließen lassen. Und ich fürchte, dass ihre Nichtigkeit auch vom Bundesverfassungsgericht nicht erkannt werden wird. Ich will nicht dramatisieren, aber es wäre für mich ein zivilisatorischer Rückschritt und ein Verlust an Humanität und Rechtskultur.
Eine Abgeordnete der SPD-Fraktion hat gesagt und ich mache mir abschließend ihre Worte zu eigen: ,,Ich möchte nicht, dass Deutschland in die Geschichte eingeht als das Land, das Körperverletzung an wehrlosen Kindern legalisiert wegen irgendwelcher Bibelstellen und Tausende von Jahren alten Traditionen. Der Respekt vor dem Leben - das ist doch unsere Lektion aus der Nazizeit".

 

 

 

 

Empfehlungen
der Ausschüsse zu Punkt ... der 902. Sitzung des Bundesrates am 2. November 2012

Entwurf eines Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes

Der federführende Rechtsausschuss (R) und der Gesundheitsausschuss (G) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung
zu nehmen:

A.

1. Der Bundesrat begrüßt, dass mit der beabsichtigten gesetzlichen Regelung
Rechtssicherheit für alle Betroffenen geschaffen werden soll. Er bittet allerdings,
im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob das Ziel
der Rechtssicherheit mit dem vorliegenden Gesetzentwurf tatsächlich erreicht
werden kann. Daran bestehen Zweifel.

- Nach § 1631d Absatz 2 BGB-E dürfen auch Personen Beschneidungen durchführen,
wenn sie dafür besonders ausgebildet und, ohne Arzt zu sein, für die
Durchführung der Beschneidung vergleichbar befähigt sind. Auch für die in
Absatz 2 genannten Personen gilt, dass die Beschneidung nach den Regeln der
ärztlichen Kunst durchgeführt werden muss. Dies hält der Bundesrat für unabdingbar.
Es stellen sich vor diesem Hintergrund allerdings mehrere Fragen:
- Können außerhalb einer Klinik oder einer ärztlichen Praxis überhaupt Beschneidungen
nach den Regeln der ärztlichen Kunst durchgeführt werden
,
oder können dort die notwendigen Anforderungen an Hygiene und Sterilität
nicht gewährleistet werden, die für eine Behandlung nach den Regeln der
ärztlichen Kunst erforderlich sind? Hierbei handelt es sich um eine tatsächliche
Frage, die im Gesetzgebungsverfahren geprüft werden muss. Wäre eine
Beschneidung außerhalb einer Klinik oder ärztlichen Praxis nicht nach
den Regeln der ärztlichen Kunst möglich, besteht die Gefahr, dass für
§ 1631d Absatz 2 BGB-E kein oder nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich
bleibt. Eine weitere Folge könnte sein, dass Beschneidungen
von den Gerichten bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der
"Regeln der ärztlichen Kunst" als rechtswidrig angesehen werden, wenn sie
nicht in einer Klinik oder Arztpraxis durchgeführt werden.

- Was ist unter einer "im Einzelfall gebotenen und wirkungsvollen Schmerzbehandlung"
zu verstehen? Ist entsprechend der Auffassung pädiatrischer
Schmerzspezialisten eine Vollnarkose bei der Beschneidung unverzichtbar?

Wäre die letztgenannte Frage zu bejahen, bliebe für § 1631d Absatz 2
BGB-E ebenfalls kein oder nur ein sehr eingeschränkter Anwendungsbereich,
weil Vollnarkosen nur von Ärzten gegeben werden dürfen und eine
Beschneidung ohne Vollnarkose nicht den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen
würde.

[2.] [Oder gibt es Schmerzbehandlungen für Beschneidungen nach den Regeln
der ärztlichen Kunst, die außerhalb einer Klinik oder Arztpraxis angewandt
werden können?]

(3.)/[4.] Dem Bundesrat ist es ein Anliegen zu betonen, dass mit dieser Prüfbitte das
dem Elternrecht immanente Recht zur religiösen Kindererziehung nicht infrage
gestellt werden soll. (Das Gegenteil ist der Fall. Der Bundesrat hält es für seine
Pflicht darauf hinzuweisen,) / [Der Bundesrat weist darauf hin,] dass der vorliegende
Gesetzentwurf die Gefahr birgt, dass infolge der Notwendigkeit der Auslegung der im
Gesetzentwurf vorgesehenen unbestimmten Rechtsbegriffe entgegen der Intention des
Entwurfs gerade Rechtsunsicherheit geschaffen werden könnte.
Eine gesetzliche Regelung,
die die Beschneidung auch aus religiösen Gründen ermöglichen soll, muss so konstruiert sein,
dass dieses Ziel zweifelsfrei erreicht wird.

B.

5. Der Ausschuss für Frauen und Jugend und der Ausschuss für Familie und Senioren
empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.

 

++++++++++++++++++

Schon interessant, wie das unter dem Deckel gehalten wurde - dass der Gesetzentwurf nämllich Rechtsunsicherheit erst erzeugt und mit Begriffen zu manipulieren versucht, die aber dummerweise durch anerkannte Standards schon festgelegt sind ("Regeln der ärztlichen Kunst"). Dies erweist sich nun als Bumerang.

Eine Schande ist dagegen, dass der Rechtsausschuss zu den verfassungsrechtlichen Aspekten kein Wort verliert.

Zum Thema "Beschneidung verhindert Stigmatisierung und liegt daher im Kindeswohl" ein interessanter Blogeintrag von Erol Özkaraca, Rechtsanwalt und Angehöriger im Berliner Abgeordnetenhaus für den beinahe schon legendären Bezirk Neukölln - SPD.

Ich denke, dass ein solcher Eingriff in die körperliche Unversehrtheit derartig schwerwiegend ist, dass man ihn zum Schutze vor zu erwartender Stigmatisierung nicht rechtfertigen kann. Es kommt noch ein weiteres Argument hinzu. Ist dieses Verhalten der religiösen Gesellschaften, nämlich zu Stigmatisieren und nicht konformes Verhalten zu tadeln und diese Menschen auszugrenzen, zu beleidigen und wohl möglich zu bestrafen, gesellschaftlich unterstützenswert? Ich denke, dass sich dies nicht mit einer offenen, freiheitlichen Gesellschaft verträgt. Gerade diese Einwanderungsgesellschaft ist es doch, die sich gegen ihre eigene Ausgrenzung zu recht vehement wehrt. Die Verhinderung einer vermeintlichen Stigmatisierung kann insbesondere dann nicht dem Kindeswohl dienen, wenn die Ursache der Stigmatisierung überhaupt nicht im Interesse der Gesamtgesellschaft dient. Wir erleben gerade im Verhältnis der Aleviten zu den Sunniten permanente Stigmatisierungen von Aleviten durch Sunniten. Keiner käme auf die Idee, ein Nachgeben der Aleviten zur Vermeidung von Stigmatisierungen durch die Sunniten diene dem Wohle der Aleviten.
Nein, auch hier ist keine Rechtfertigung aus dem Grund des Kindeswohl zu erkennen, weil die Vermeidung gesellschaftlich nicht gewollter Stigmatisierungen nicht dem Kindeswohl dienen kann.

Wie armselig im Vergleich zur SPD die FDP mit dem Thema umgeht, kann man hier machlesen:

http://www.stephan-thomae.de/content/thomae-fraktionsinternes-fachgespr%...

- voraussichtlich Fraktionszwang

- "Sachverständige" bleiben anonym

- Beschneidung von Knaben "vom Grundgesetz gedeckt", bei Mädchen nicht - ohne Begründung

- "jüdisches Leben" muss auf jeden Fall "möglich sein", koste es was es wolle

Und die Krönung: "Die Regelung bestätigt vielmehr eine Jahrzehnte lang in Deutschland geübte Praxis, durch die Rechte der Kinder verbessert werden."

Ahnungslosigkeit? Gehirnwäsche? Perversion des Denkens?

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