Intransparente Vertragsgestaltung bei "provisionsabhängigem Fixum"

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 01.10.2012
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtTransparenzgebotAGB-Kontrolle5|6944 Aufrufe

Die Klägerin war für etwa vier Monate bei dem Beklagten als Telefonakquisiteurin beschäftigt. Sie arbeitete von zu Hause aus und konnte ihre Arbeitszeit von Montag bis Freitag frei einteilen. Im Arbeitsvertrag war vereinbart:

§ 4 Vergütung

Frau A. wird von der Firma B. für ihre Tätigkeit für diese ausschließlich auf Provisionsbasis vergütet.

Sie erhält jeweils pro Monat als Vorauszahlung zum Monatsanfang bis zum 10. des Monats ein Fixum von 750,00 Euro, welches verrechnet wird auf die gesamte monatliche Vergütung.

Frau A. erhält für ihre Tätigkeit pro Monat eine Provision in Höhe von 10% vom Netto-Ertrag ihrer Telefonie-Tätigkeit für die Firma B.

Die Monatsabrechnungen und Nachweise der erbrachten Erträge der Frau erfolgen seitens der Firma B. zum Monatsende.

Die Parteien streiten über die Zahlungsansprüche der Klägerin. Nach ihrer Auffassung kann sie für jeden (vollen) Monat ihrer Tätigkeit mindestens 750 Euro beanspruchen, unabhängig davon, wie viel Provision sie durch ihre Tätigkeit verdient hat. Der Beklagte verweist demgegenüber darauf, dass die 750 Euro lediglich als Vorschuss zu zahlen gewesen seien und die Klägerin sie nicht zu beanspruchen habe, soweit sie zu wenige Verträge vermittelt habe.

Das ArbG Nienburg hat der Klage (bis auf die geforderte Urlaubsabgeltung) stattgegeben und die auf teilweise Rückzahlung des bereits gezahlten Fixums gerichtete Widerklage abgewiesen. Die Berufung blieb beim LAG Niedersachsen ohne Erfolg (Urt. vom 05.06.2012 - 1 Sa 5/12, BeckRS 2012, 73006):

Der Arbeitsvertrag unterliege der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Die getroffene Vergütungsregelung erweise sich als unklar und widersprüchlich (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Begriff „Fixum“ bezeichne einen monatlich feststehenden Betrag im Gegensatz zum Begriff Provision, der eine variable Vergütung kennzeichne. § 4 des geschlossenen Arbeitsvertrages erweise sich in der Verwendung des Wortes „Fixum“ in Kombination mit den Begriffen Provision, Vorauszahlung und Verrechnung als widersprüchlich. Ein monatlich feststehender Betrag als Mindestgehalt und eine voll ins Verdienen zu bringende Provision in Verrechnung einer Vorauszahlung stünden in einem unvereinbaren Widerspruch. Darin liege eine unangemessene Benachteiligung der Klägerin nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da die Vertragsklausel teilbar sei ("blue-pencil-test"), lasse sich eine angemessene Vergütungsregelung durch Streichung des unwirksamen Teils aufrecht erhalten. Der Klägerin stünden daher die 750 Euro monatlich auch dann zu, wenn sie keine Provision in dieser Höhe erzielt habe.

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5 Kommentare

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Den blue-pencil-test gibt's nicht nur im Arbeitsrecht, sondern auch im allgemeinen Zivilrecht: BGH NJW 1991, 1750 (1752); BGH NJW 2012, 3023 (3027 Rn. 35).

Ich hätte vor dem Hintergrund der BAG-Entscheidung vom 21.06.2011 (dazu unten) den vorliegenden Fall anders gelöst. Der blue-pencil-Test wird in dem hier diskutierten Fall ja mitten im Satz angewandt,  da das LAG Niedersachsen auf die Worte "Vorauszahlung" und "Verrechnung" abstellt. Das sieht dann so aus:

 

"Sie erhält jeweils pro Monat als Vorauszahlung zum Monatsanfang bis zum 10. des Monats ein Fixum von 750,00 Euro, welches verrechnet wird auf die gesamte monatliche Vergütung."

 

Das BAG hat dagegen bei einer Klausel, welche lautete "Die Angestellte ist verpflichtet, im monatlichen Durchschnitt 150 Stunden zu arbeiten.",dem LAG Köln (Urteil vom 25.01 2010 − 2 Sa 963/09, in: BeckRS 2010, 68165) einen Strich durch die Rechnung gemacht. Köln wollte daraus das folgende machen: "Die Angestellte ist verpflichtet, 150 Stunden zu arbeiten".

 

Das BAG sagte dazu nein (Urt. v. 21.06.2011 - 9 AZR 238/10, in: BeckRS 2011, 77583); die Klausel sei nicht teilbar, denn:

 

"Die Verbindung zwischen Stundenangabe und Bestimmung der Arbeitszeit als Durchschnittsarbeitszeit konstituiert eine Regelungseinheit, die nicht durch die Streichung der Worte „im monatlichen Durchschnitt“ in eine Bestimmung der Stundenanzahl und in eine Bestimmung des Berechnungszeitraums für die Ermittlung der durchschnittlichen Monatsarbeitszeit aufgebrochen werden kann. Bei Anwendung des sog. Blue-pencil-Tests ergäbe sich: 'Die Angestellte ist verpflichtet, (monatlich) 150 Stunden zu arbeiten' [...]. Eine solche - im Ergebnis starre - Regelung der Arbeitszeit widerspricht jedoch dem Regelungsplan, den [die Arbeitgeberin] als Verwenderin der Klausel verfolgte. Sie wollte ein frei flottierendes Arbeitszeitregime etablieren, das auf Vertragsebene weder eine Mindest- noch eine Höchstarbeitszeit vorsieht. Dies verdeutlicht insbesondere [eine andere] Bestimmung [desselben Arbeitsvertrages],  der zufolge die Arbeitnehmerin bei Vorliegen betrieblicher Gründe verpflichtet ist, Überstunden im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zu leisten. Die [Arbeitgeberin] beabsichtigte, sich die Befugnis zu sichern, die Arbeitnehmerin in einem Arbeitszeitkorridor einzusetzen, der von null Stunden im Monat bis zu den durch das Arbeitszeitgesetz gezogenen Grenzen reicht. Die Flexibilisierung durch Anknüpfung an einen Durchschnittswert stellt damit ein konstitutives Element der Vertragsbestimmung dar, das von der Bestimmung der Anzahl monatlicher Arbeitsstunden nicht zu trennen ist." 

 

 

 

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