Eigenmächtiger Urlaub - Kündigung trotzdem unzulässig

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 02.10.2012

Es ist sicher ein Ausnahmefall, den das LAG Köln zu entscheiden hatte, ein menschlich tragischer zudem: Der Arbeitnehmer ist seit 1996 in einem Schnellrestaurant beschäftigt und Vorsitzender des örtlichen Betriebsrats. Sein Vater war im Februar 2009 an Krebs verstorben, auch seine Mutter erkrankte im Juni 2009 hieran. Der Arbeitnehmer hatte aber nur noch 10 Urlaubstage. Nach mehreren Gesprächen mit seiner Arbeitgeberin - deren Inhalt zum Teil zwischen den Parteien streitig ist - buchte der am 04.08.2009 für den 06.08.2009 einen Flug in die Türkei, um seiner Mutter während der Chemotherapie beizustehen. Er schickte noch ein Fax, datiert vom 06.08.2009, in dem er behauptete, mündlich sei ihm bereits vor Wochen für den Zeitraum vom 07.08. bis 11.09.2009 Urlaub gewährt worden. Er nehme für sich das Recht in Anspruch, wegen der Chemotherapie seiner Mutter gemäß § 616 BGB von der Arbeit freigestellt zu sein.

Die Arbeitgeberin forderte ihn am 08.08.2009 auf, abends um 21.00 Uhr die Arbeit aufzunehmen. Darauf reagierte er nicht, sondern kehrte erst im September, nach dem Tod seiner Mutter, wieder an seinen Arbeitsplatz zurück.

Die Arbeitgeberin beabsichtigt, die fristlose Kündigung auszusprechen, und beantragt beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 BetrVG zu ersetzen. Der Antrag hatte in erster Instanz Erfolg.

Das LAG Köln hat der Beschwerde des Betriebsrats und des betroffenen Arbeitnehmers stattgegeben und den Antrag zurückgewiesen: Zwar stelle die ungenehmigte "Inanspruchnahme" von Urlaub grundsätzlich eine schwere Vertragspflichtverletzung dar. In die Interessenabwägung (§ 626 Abs. 1 BGB) sei allerdings aufzunehmen, ob der Arbeitgeber den Urlaub böswillig und diskriminierend verweigert habe, ob eine besondere Belastungssituation für den Betrieb aus dem ungeplanten Fehlen des Arbeitnehmers entstehe, welchem Zweck die Urlaubsabwesenheit diene und ob der Arbeitgeber eine Mitverantwortung dafür trage, dass eine frühzeitige gerichtliche Klärung durch den Arbeitnehmer unterblieb. Unter Berücksichtigung dieser Kriterien spiele hier maßgeblich eine Rolle, dass der Arbeitnehmer den Urlaub nicht begehrt habe, um es sich fünf Wochen lang gut gehen zu lassen. Vielmehr habe er seine (ebenfalls kranke) Ehefrau in Deutschland zurückgelassen gelassen, um sich um seine Mutter kümmern zu können. (LAG Köln, Beschl. vom 06.12.2010 - 2 TaBV 23/10)

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