Polizisten geben falschen Kontrollanlass an: Diensthandlung nicht rechtmäßig - Widerstand straflos!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.10.2012
Rechtsgebiete: WiderstandStrafrechtVerkehrsrecht7|23690 Aufrufe

Daran wird die Praxis - insbesondere die Polizei - noch zu knacken haben: Die Polizei hielt einen Fahrzeugführer wegen des Verdachts der Trunkenheitsfahrt an, sagte aber, es handele sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle. Danach kam es zu straflosen Widerstandshandlungen, da die Polizei nicht rechtmäßig handelte.

 

 I.

Das Amtsgericht Stadthagen hatte den Angeklagten wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,- Euro sowie wegen vorsätzlichen Nichtbefolgens eines polizeilichen Anhaltegebots zu einer Geldbuße von 60,- Euro verurteilt. Soweit dem Angeklagten zugleich ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und eine vorsätzliche Körperverletzung [eines
Polizeibeamten] zur Last gelegt worden war, ist das Amtsgericht wegen der Annahme eines nicht rechtmäßigen Vorgehens der Polizeibeamten vom Vorliegen einer Notwehrlage ausgegangen, weshalb insoweit kein Schuldspruch erfolgte.

Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Bückeburg das amtsgerichtliche Urteil teilweise aufgehoben und den Angeklagten wegen Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 25,- Euro sowie wegen der bezeichneten Ordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße von 60,- Euro verurteilt.

1. Das Landgericht hat hierzu im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen:

Am 24. März 2011 befuhr der Angeklagte in L. mit seinem Pkw die Straße A. d. H. Ebenfalls dort fuhren die Polizeibeamten POK K. und POK B., deren Auffassung zufolge der Angeklagte ein auffällig rotes Gesicht hatte, weshalb sie den Verdacht hegten, der Angeklagte führe alkoholisiert. Daraufhin wendeten sie ihr Dienstfahrzeug, um ihre Annahme im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle zu überprüfen. Sie stellten auf dem Topp ihres Fahrzeugs den Blinksignalgeber mit „Stopp, Polizei“ an, der mit grellen LED aufblitzte, und fuhren dem Angeklagten hinterher. Der Angeklagte indessen, der das Signal bemerkt hatte, hielt nicht an, sondern fuhr auch dann noch auffallend zügig weiter, nachdem die Beamten das Blaulicht eingeschaltet hatten, mit welchem das Fernlicht im Wechsel an- und ausging. Der Angeklagte wollte aufgrund einer negativen Einstellung der Polizei gegenüber gleichwohl nicht anhalten und fuhr zügig weiter, um noch vor den Polizeibeamten sein Grundstück zu erreichen, weil er davon ausging, dass diese es ohne seine Erlaubnis nicht betreten dürften.

Nachdem er sein Grundstück erreicht, auf diesem sein Fahrzeug abgestellt und dort sein Fahrzeug verlassen hatte, stellte sich POK K. dem Angeklagten in den Weg und eröffnete ihm, eine allgemeine Verkehrskontrolle durchführen zu wollen, verbunden mit der Aufforderung, sich auszuweisen und Fahrzeugpapiere und Führerschein vorzuweisen. Der Angeklagte schrie ihn an, er solle verschwinden, da dies sein Grundstück sei. Darauf forderte der Beamte den Angeklagten erneut auf, ihm die Fahrzeugpapiere auszuhändigen, was den Angeklagten dazu veranlasste, den Beamten wieder anzuschreien. POK K. versuchte, dem Angeklagten zu erklären, dass er jederzeit das Recht habe, eine Fahrzeugkontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen und die Verkehrstauglichkeit des Fahrers zu überprüfen. Er wollte dem Angeklagten erklären, dass dieser das Anhaltesignal missachtet habe, als der Angeklagte ihn etwa einen halben Meter nach hinten gegen die Garagenwand schubste, um an dem Beamten vorbei in sein Haus zu flüchten. POK B. folgte dem Angeklagten, konnte ihn erneut stellen und versuchte, diesen wieder zu belehren. Daraufhin schrie dieser die Beamten an, sie würden spinnen und nicht ganz richtig ticken; sie sollten sofort sein Grundstück verlassen, sie würden einen Hausfriedensbruch begehen.

Die Beamten sagten dem Angeklagten nun, dass sie einfache körperliche Gewalt anwenden würden, sollte dieser ihren Anordnungen nicht nachkommen. Der Angeklagte schrie und schimpfte darauf einfach weiter, so dass die Beamten nicht zu Wort kamen, den Angeklagten vernünftig zu belehren. Als sich der Angeklagte immer noch weigerte, drückten die Beamten ihn gegen die Beifahrerseite seines Fahrzeugs. Bei dem Versuch, dem Angeklagten aus einer Brusttasche dessen Geldbeutel und hiermit seine Papiere zu entnehmen, wehrte sich der Angeklagte, so dass POK K. ihn zu Boden brachte und auf ihm sitzend dessen Hände fixierte und schließlich die Papiere erlangte. Der Angeklagte rannte sodann in die Garage seines Hauses und begann, deren Tor zu schließen. Die Beamten gingen aufgrund des Verhaltens des Angeklagten weiterhin davon aus, dass dieser verkehrsuntüchtig sei, und wollten ihn ergreifen. POK B. folgte dem Angeklagten in die Garage und ergriff ihn dort. Der Angeklagte stieß sich von einem Türrahmen ab, um sich aus der Umklammerung des Beamten zu lösen, so dass der Angeklagte mit seinem Rücken gegen einen stumpfen Gegenstand stieß, was sofort starke Schmerzen unterhalb seines Schulterblatts verursachte.

Hieraufhin brachte nunmehr POK K. den Angeklagten im Garderobenbereich zu Fall, wo er diesen schließlich wegen des Verdachts der Straftaten der Beleidigung und des Widerstands gegen
Vollstreckungsbeamte über dessen Rechte als Beschuldigter belehrte. Nur unter Ausübung von Druck auf Nervenpunkte gelang es POK K., dem Angeklagten Handfesseln anzulegen und schließlich zum Streifenwagen zu bringen. Auf der Dienststelle stellte sich alsbald heraus, dass der Angeklagte keinen Alkohol getrunken hatte und auch nicht unter dem Einfluss von Medikamenten stand. Nachdem vom Durchführen erkennungsdienstlicher Maßnahmen abgesehen wurde, durfte der Angeklagte schließlich das Polizeirevier verlassen und zu Fuß nach Hause gehen.

2. Die Kammer hat im Rahmen der rechtlichen Würdigung ausgeführt, die Diensthandlung der Polizeibeamten sei rechtmäßig im Sinne von § 113 Abs. 3 StGB gewesen. Diese hätten zu Recht davon ausgehen dürfen, dass der Angeklagte sich eines Verstoßes gegen § 316 StGB schuldig gemacht haben könnte, weshalb sie eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO hätten durchführen können. Dieser habe der Angeklagte sich durch seine Flucht auf sein Grundstück entzogen, so dass die Beamten berechtigt gewesen seien, ihm im Wege der Nacheile auf sein Grundstück zu folgen, um dort ihre Maßnahmen durchzuführen, zumal sich durch das Nichtbeachten des Anhaltesignals der Verdacht erhärtet habe, dass der Angeklagte im verkehrsuntüchtigen Zustand sein Auto geführt hatte.

3. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen und formellen Rechts stützt. Mit der Sachrüge führt er u. a. aus, die Diensthandlung der Beamten sei rechtswidrig und der Angeklagte daher berechtigt gewesen, sich zur Wehr zu setzen.

II.

Die Revision des Angeklagten ist - allein - mit der Sachrüge zulässig erhoben und führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, soweit er einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und eine
vorsätzliche Körperverletzung zum Gegenstand hat. Dies erfasst auch den Ausspruch über die vom Landgericht nach § 52 Abs. 1 StGB erkannte Geldstrafe. Im Übrigen erweist sich die Revision nach Maßgabe von § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet, weil die Überprüfung des Urteils auf die allein zulässig erhobene Sachrüge keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufzeigt. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Landgericht getroffenen Feststellungen. Diese können nach Maßgabe von § 353 Abs. 2 StPO Bestand haben.

Im Einzelnen:

1. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch, soweit dieser sich auf die Tatbestände des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und der vorsätzlichen
Körperverletzung erstreckt. Der Tatbestand des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte setzt
nach Maßgabe von § 113 Abs. 2 StGB als objektive Bedingung der Strafbarkeit voraus, dass die maßgebliche Diensthandlung, der ein Widerstand entgegen gesetzt wird, rechtmäßig ist. Kann die
Rechtmäßigkeit der Diensthandlung hingegen nicht festgestellt werden, lässt deren Unrechtmäßigkeit die Rechtswidrigkeit entfallen und macht dies die Diensthandlung zum rechtswidrigen Angriff gegen den Betroffenen, gegen den grundsätzlich Notwehr zulässig ist (BGHSt 4, 163; Fischer, Strafgesetzbuch, 59. Aufl., § 113 Rn. 20). Dies erfasst auch eine hiermit in Zusammenhang stehende Körperverletzung (
OLG Hamm, GA 73, 245; OLG Celle, NdsRpfl. 1966, 252; LK-StGB/Rosenau, 12. Aufl., § 223 Rn. 63; Schönke/Schröder-Eser, Strafgesetzbuch, 28. Aufl., § 113 Rn. 37). Dies gilt nach Maßgabe von § 113 Abs. 4 Satz 2 StGB jedenfalls dann, solange das Einlegen eines Rechtsbehelfs nicht zumutbar ist.

Zutreffend hat das Landgericht zunächst darauf abgestellt, dass es insoweit nicht auf die materielle Richtigkeit der Diensthandlung, sondern auf deren formelle Rechtmäßigkeit ankommt (BGHSt 4, 164; 21, 363; OLG Köln, NStZ 1986, 235; OLG Celle vom 8.7.2011 [31 Ss 28/11]; StV 2011, 678; LK-StGB/Rosenau, § 113, Rn. 35; Fischer, § 113 Rn. 11; SSW-StGB/Fahl, § 113 Rn. 10), also auf das Vorliegen einer gesetzlichen Eingriffsgrundlage, die sachliche und örtliche Zuständigkeit des handelnden Polizeibeamten zum Eingreifen und das Einhalten der wesentlichen Förmlichkeiten. Hierzu zählt auch eine ordnungsgemäße Belehrung eines Betroffenen. Namentlich an Letzterem aber fehlt es.

Die Beamten gingen den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zufolge davon aus, dass der Angeklagte sich aufgrund der mitgeteilten Umstände in einem Zustand der Fahruntüchtigkeit befunden haben könnte. Die tätig gewordenen Polizeibeamten hatten demzufolge ausdrücklich den konkreten Verdacht des Vorliegens einer Straftat, nämlich einer Trunkenheit im Verkehr, unter Umständen auch des Verdachts einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit. Hierüber aber haben die Polizeibeamten den Betroffenen indessen nicht belehrt, als sie ihn auf seinem Grundstück angesprochen und zur Herausgabe seiner Papiere aufgefordert hatten. Die Beamten hatten den getroffenen Feststellungen zufolge vielmehr die Absicht, den Angeklagten wegen ihres Verdachts im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle zu überprüfen und haben diesem auf dessen Frage nach der Berechtigung ihres Vorgehens ausdrücklich erklärt, dass sie jederzeit das Recht hätten, eine Fahrzeugkontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO durchzuführen und die Verkehrstauglichkeit des Fahrers zu überprüfen. Eine Belehrung im Hinblick auf ihren konkreten Verdacht, der Angeklagte könne alkoholisiert gefahren sein, erfolgte den getroffenen Feststellungen zufolge aber gerade nicht. Auch lässt sich den vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht entnehmen, dass eine entsprechende Belehrung im Hinblick auf den Verdacht einer Trunkenheitsfahrt zumindest versucht wurde. Dies führt im Ergebnis zum Fehlen der Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Diensthandlung.

Zwar ermächtigt die Vorschrift des § 36 Abs. 5 StVO ihrem Wortlaut zufolge Polizeibeamte zum Durchführen einer Verkehrskontrolle einschließlich der Verkehrstüchtigkeit von Verkehrsteilnehmern und sind nach der VwV zu dieser Norm Verkehrskontrollen sowohl solche zur Prüfung der Verkehrstüchtigkeit der Führer oder der nach den Verkehrsvorschriften mitzuführenden Papiere als auch solche zur Prüfung des Zustands der Fahrzeuge. Allgemeine Verkehrskontrollen in diesem Sinne sind allgemeinem Verständnis zufolge indessen lediglich präventive verkehrsbezogene Maßnahmen, die ergriffen werden, um vorbeugend die Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten, ohne dass ein augenblickliches Bedürfnis zur Regelung des Straßenverkehrs bzw. zum Erhalten seiner Ordnung und Sicherheit vorliegt oder eine Veranlassung zum repressiven Einschreiten zum Verfolgen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit besteht (vgl. nur BayObLG NJW 1987, 1095). Für eine allgemeine Verkehrskontrolle auf der Grundlage von § 36 Abs. 5 StVO ist demzufolge kein Raum, wenn das Anhalten eines Verkehrsteilnehmers wegen des konkreten Verdachts einer Verkehrsstraftat oder Verkehrsordnungswidrigkeit erfolgt (BGH NStZ 1984, 270 unter Hinweis auf die Genese der Norm; BayObLG a. a. O.; Burmann/Heß/Janke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl., § 36 Rn. 12; Janiszewski, Anmerkung zu OLG Hamm vom 28.4.1983, NStZ 1983, 513). Die gegenteilige Auffassung, die ein Eingreifen auf der Grundlage von § 36 Abs. 5 StVO und eine hierauf gestützte Pflicht zur Herausgabe der Papiere auch bei Vorliegen einer konkreten Verdachtslage für zulässig erachtet (OLG Düsseldorf, NZV 96, 458; Hentschel, NStZ 1984, 271 und Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 36 Rn. 24; Bouska, DAR 1984, 33) vermag nicht zu überzeugen. Denn ein Verstoß gegen eine im Rahmen einer Verkehrskontrolle erfolgende Weisung ist seinerseits bußgeldbewehrt, und es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber einen konkret Betroffenen oder Straftäter durch Sanktionen veranlassen will, an der Erforschung oder der Ahndung einer von ihm begangenen und beendeten Ordnungswidrigkeit oder Straftat aktiv mitzuwirken.

Dies schließt bei Vorliegen einer konkreten Verdachtslage ein Einschreiten der Polizeibeamten indessen nicht aus. Ihr Vorgehen stützt sich dann aber nicht auf die Vorschrift in § 36 Abs. 5 StVO, sondern auf die besonderen Regelungen der StPO und des Polizeirechts (BGH a. a. O.) etwa auf §§ 163b i. V. m. § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO, 53 OWiG. Dies kann für die Frage nach der formellen Rechtmäßigkeit des Handelns von Polizeibeamten, vorliegend vor allem im Hinblick auf das Einhalten der wesentlichen Förmlichkeiten einschließlich einer formal ordnungsgemäßen Belehrung, nicht ohne Folgen bleiben. Die fehlerhafte, weil bei Vorliegen eines konkreten Verdachts ausdrücklich auf § 36 Abs. 5 StVO gestützte, Belehrung des Angeklagten muss demnach zur Rechtswidrigkeit der maßgeblichen Diensthandlung führen. Eine Belehrung über den konkret vorhandenen Verdacht des Fahrens unter Alkoholeinfluss ist nicht erfolgt. Dass eine solche beabsichtigt war und dies nur am Verhalten des Angeklagten gescheitert ist, ist den getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Vielmehr ist der Angeklagte auch nach seiner Frage nach der Berechtigung der Beamten ausdrücklich über eine Kontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO belehrt worden und ist selbst, nachdem der Angeklagte sich vorübergehend beruhigt hatte und bevor er zum Überprüfen seiner Fahrtüchtigkeit auf das Polizeirevier verbracht worden war, zwar eine Belehrung im Hinblick auf einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und einer Körperverletzung erfolgt, indessen nicht über den Verdacht einer Trunkenheitsfahrt. Auf die Frage, ob eine Verkehrskontrolle des Angeklagten noch auf dessen Grundstück hatte erfolgen dürfen, kommt es hiernach gar nicht entscheidend an.

 

OLG Celle: Beschluss vom 23.07.2012 - 31 Ss 27/12    BeckRS 2012, 18009

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7 Kommentare

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Schön, dass es noch solche Urteile gibt. Eine Verurteilung der beiden Polizisten wegen gemeinschaftlich begangener Körperverletzung müsste folgen.

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Freiheitsberaubung sehe ich noch als gravierender an als Körperverletzung.

Ob die Polizisten wohl einen "unvermeidbaren Verbotsirrtum" geltend machen könnten?

(Na gut, niemand glaubt ernsthaft, dass es zur Anklage kommt.)

4

Unter Berücksichtigung der begangenen Ordnungswidrigkeit meines Achtens nachvollziehbar, dass die Polizisten die falsche Rechtsgrundlage genannt haben.

Aber angenommen, die Ordnungswidrigkeit wäre nicht begangenen werden, frage ich mich ja ob eine rote Nase allein als zureichender, tatsächlicher Anhaltspunkt (Anfangsverdacht nach 152 (2) StPO) für eine verfolgbare Straftat genügt.

 

Demzufolge müsste die Polizei ja zukünftig jeden, der aussieht als hätte er was geschluckt, vorab belehren und eine Strafanzeige fertigen, da schließlich nur die StA dieses Verfahren einstellen kann..

Mmmmh

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@Martin:

Dreh- und Angelpunkt sind diese Sätze:

"Die Beamten gingen den vom Landgericht getroffenen Feststellungen zufolge davon aus, dass der Angeklagte sich aufgrund der mitgeteilten Umstände in einem Zustand der Fahruntüchtigkeit befunden haben könnte. Die tätig gewordenen Polizeibeamten hatten demzufolge ausdrücklich den konkreten Verdacht des Vorliegens einer Straftat, nämlich einer Trunkenheit im Verkehr, unter Umständen auch des Verdachts einer entsprechenden Ordnungswidrigkeit."

Die Beamten gingen von einer möglichen Straftat aus und haben dann nicht richtig gehandelt. Wenn sie nicht davon ausgegangen wären, sondern sich der Verdacht erst später ergeben hätte, wäre auch eine anfängliche Begründung/Belehrung über § 36 StVO und die spätere Erweiterung auf die Straftat unproblematisch gewesen.

 

Insgesamt ist die Entscheidung aber nicht wirklich überaschend. Sondern logisches Einmaleins. Überaschend ist eher, dass beide(!) Parteien den Vorgang bis vors OLG durchgezogen haben.

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Danke für die Erläuterung Tom, kann ich so auch nachvollziehen, zumal ich sowieso nicht verstehe, wieso zwei Polizeibeamte mit abgeschlossenem Studium nicht gleich die StPO Schiene fahren, wenn die Möglichkeit aufgrund des begangenen Owi-Verstoßes gegeben war.

 

Aber um nochmal auf den konkreten Verdacht einzugehen:

Nach § 152 (2) StPO ist ein Anfangsverdacht ja nur bei zureichenden, tatsächlichen Anhaltspunkten für den Verdacht einer verfolgbaren Straftat gegeben. Ob lediglich eine rote Nase ohne weitere Ausfallerscheinungen als Anfangsverdacht genügt bezweifle ich doch stark.

Ich vermute mal, dass du mir nun sagen wirst, dass dies aufgrund der Aussagen der Polizisten so zu werten ist. Aber um noch etwas weiter darauf rumzuhacken: Nehmen wir an die zwei studierten Polizisten geben an, dass sie den Fahrzeugführeraufgrund seiner roten Nase einer Kontrolle unterziehen um festzustellen, ob dieser fahrtauglich ist, so kann ja die rote Nase allein keineswegs als Anfangsverdacht gewertet werden.

Naja, da haben sich wohl einfach die falschen drei am falschen Ort getroffen ;)

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Der Sachverhalt ist bereits (zumindest in NRW) ins Intranet einer jeden Polizeibehörde eingestellt und wird bewirken, dass fürderhin umfassend belehrt wird. Dies ist zwar in der praktischen Mehrzahl der Fälle schlcht in den Wind gesprochen, aber notwendig zur Erfüllung der formellen Rechtmäßigkeit. Mir scheint. einige der Vorkommentatoren haben den Sachverhalt nur überflogen, da dort valide Aussagen zum Anhalten, auch ohne konkreten Anlass getroffen wurden.

Ansonsten ist den Anmerkungen von Martin bezüglich der beteiligten Personen sowie auch der weiteren praktischen Bedeutung nichts wesentliches hinzuzufügen.

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Die Argumentation des Urteils ergibt keinen Sinn. Erstens erfährt kein Verkehrsteilnehmer aufgrund geröteter Gesichtszüge einen zureichenden Anfangsverdacht, der ihn in die formelle Stellung eines Beschuldigten bringt (dann wäre bei lediglich roter Nase auch eine Blutentnahme nach 81a jederzeit möglich). Auch wären Einleitungen von Strafverfahren bei jeder Verkehrskontrolle mit "rotnasigen" Fahrzeugführern die Folge, denn der Status "Beschuldigter" verlangt eine Strafanzeige sowie Ermittlungshandlungen, welche die Polizisten gar nicht autonom sondern nur die Staatsanwaltschaft einstellen könnte.

Zweitens erfasst die Verkehrskontrolle nach 36 V StVO u.a. auch die Prüfung und Feststellung der Fahrtüchtigkeit. Ob bereits Anzeichen wie eine bei der Vorbeifahrt festgestellte rote Gesichtsfarbe vorliegen ist in diesem Zusammenhang völlig gleichgültig. Da der Anhalteweisung nach 36 I, V StVO nicht nachgekommen war, wurde der Betroffene somit zum (Owi)Täter und die Beamten wären gem. §§ 46, 53 OWiG zur Feststellung seiner Personalien sowie ggf. Durchsuchung/Festhaltung berechtigt gewesen. Da Verfolgung auf frischer Tat vorlag, zudem Gefahr im Verzug vorlag (Alkoholabbau), sähe ich auch keine Probleme, die Betretung des Grundstückes zu begründen.

Der Argumentation des Gerichts folgend, wäre die Kontrolle sowie alle geschilderten Folgemaßnahmen nach 36 V StVO rechtmäßig gewesen, wenn die Beamten die rote Gesichtsfarbe nicht erwähnt hätten. Da hätte es sich wohl um eine "normalen" Verkehrskontrolle gehandelt, deren Haltesignale der Betroffene sowieso zu befolgen gehabt hätte.

Ausgehend von der Rote-Nase-Argumentation des Gerichts wäre übrigens auch eine WEITERE PRÄVENTIVE Rechtsgrundlage zur Anhaltung denk- und anwendbar: Eine Halteweisung nach § 36 I, III StVO iVm § 44 II S.1. Diese RG berechtigt die Polizei u.a., Haltezeichen und Weisungen zu geben, wenn ein s.g. "augenblickliches Verkehrsbedürfnis" besteht. Dies ist als gegeben anzunehmen, wenn die Weisung der Sicherheit des Straßenverkehrs (eventuelle Alkoholisierung des Betroffenen) dienlich ist, eine der verpönten Folgen des § 1 II StVO (Schädigung/Gefährdung durch Alkoholisierten Verkehrsteilnehmer) konkret zu erwarten ist sowie die entsprechende Gefahr akut oder kurz vor dem Eintritt steht.

Die vom Gericht unterstellte zwangsweise Anwendung der StPO ist demnach haltlos.

 

Auch leuchtet mir nicht ein, aus welchen Gründen eine Widerstandshandlung wegen nicht erfolgter Belehrung straffrei bleiben sollte. Wenn ein Polizist nach Verdacht auf eine Person zu tritt und diese als Erstreaktion den Beamten attackiert, bevor dieser auch nur ein Wort ausprechen konnte wären diese Schläge demnach vermutlich ebenfalls legitim...

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