Teilnahme am Religionsunterricht = Kindeswohlgefährdung?

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 17.10.2012

 

Die Zwillinge der getrennt lebenden Eltern sind gerade eingeschult worden und schon gab es Streit.

 

Sollen die beiden konfessionslosen Jungs am Religionsunterricht teilnehmen oder nicht?

Die Mutter war dagegen, der Vater dafür.

 

Das AG übertrug dem Vater die Entscheidung über eine Teilnahme am Religionsunterricht und den Schulgottesdiensten.

 

Die Mutter ging in Beschwerde und beantragte außerdem, im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Aussetzung der Vollziehung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

Letzteres wurde vom OLG abgelehnt:

Dass die Kinder bei einer Teilnahme am Religionsunterricht und den Schulgottesdiensten bis zur Entscheidung in der Hauptsache Schaden nehmen, ist nicht zu befürchten. Soweit sie bei ihrer Anhörung erklärt haben, dass sie nicht zum Religionsunterricht gehen wollen, kann dem nur eine untergeordnete Bedeutung zukommen. Denn dass sie die Bedeutung ihrer Erklärung wirklich überschauen, kann angesichts ihres Alters nicht angenommen werden. So konnten sie auch keinen Grund für ihre ablehnende Haltung angeben. Eine einseitige und dauerhafte Beeinflussung der Kinder in religiösen Fragen ist bei einer Teilnahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zu befürchten. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist eine Reflexion der Kinder mit den in der Zeit bis zur Hauptsacheentscheidung im ersten Grundschuljahr vermittelten Inhalten, die noch keine schwierigen theologischen Fragen betreffen, durchaus möglich und hängt letztlich davon ab, in welcher Form die Antragsgegnerin auf die Kinder eingeht, so dass auch einer erheblichen Verunsicherung im Hinblick auf die unterschiedlichen Auffassungen der Kindeseltern, die die Kinder miterleben, durch ein entsprechendes Verhalten der Kindeseltern entgegengewirkt werden kann. Insbesondere kann einer Unlust der Kinder, am Religionsunterricht vorläufig teilzunehmen, und einer Abneigung gegen den Schulbesuch entgegengewirkt werden, indem die Kindeseltern und insbesondere die die Kinder betreuende Kindesmutter ihre Erziehungskompetenz wahrnehmen und die Kinder positiv auf den Schulbesuch und die Teilnahme an dem Religionsunterricht einstellen. Eine Gefährdung des Kindeswohls bei einer Teilnahme am Religionsunterricht und dem Schulgottesdienst bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens ist daher nicht festzustellen, weshalb eine Aussetzung der Vollziehung aus Kindeswohlgründen nicht erforderlich ist.

Die Entscheidung in der Hauptsache steht noch aus.

OLG Köln v. 10.09.2012 - 10 UF 108/12

 

 

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6 Kommentare

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Mich erweckt manchmal der Eindruck, dass solche Themen gerne für Nebenkämpfe genutzt wird.

 

Meine drei Kinder gehen in einen ev. kirchlichen Kindergarten, in dem sich alle Religionen tummeln und die Eltern muslimischer Kinder scheinbar kein Problem damit haben, wenn die einmal die Woche in die Kirche gehen (ist halt Pflicht und man muss sich damit einverstanden erklären, wenn die Kinder angemeldet werden). Sprich, manchen ist ein Betreuungsplatz wichtiger wie eine relegiöse Ausrichtung.

 

Ähnlich ist es auch beim Religionsunterricht in der Schule.

Ich glaube nicht, dass einer aufgrund eines Religionsunterrichtes diese wechselt. Allerdings kann dieser Unterricht den Horizont erweitern, so dass man wirklich weiß, was diese Religion wirklich bedeutet. Damit glaubt man einem Menschen eher, wenn er sich voller Überzeugung einer anderen Religion zuwendet.

 

Vielleicht sollte auch für christliche Kinder ein muslimer Unterricht (1x die Woche) Verbindlich werden. Nicht um die Religion zu wechseln, sondern um zu verstehen, was dort losgeht.

 

Allerdings rechtfertig dies nicht so einen Kampf vor Gericht.

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Hallo Mercum,

Ich bezweifel das man durch einen Religionsunterricht den Horizont erweitert, ich persönlich behaupte sogar das Gegenteil, das Religion den Horizont sehr stark einschränken kann. Daher sehe ich eine Ethikunterricht als viel zielfördernder an als ein Religionsunterricht. Die Interresatne Frage in dem Fall wäre, ob ein Gericht in einem nicht katholisch geprägten Land zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre, also die Entscheidung dem betreuenden Elternteil überlassen hätte, zumal eine konfessionslose Erziehung von Natur aus neutral ist, was erfahrungsgemäß ein Religionsunterricht nicht von sich behaupten kann. Hat das AG vieleicht sogar angenommen das ein nicht teilnehmen am Religionsuntericht eine Kindeswohlgefährdung darstellt? Ist also ein Elternteil der sein Kind nicht in eine Glaubensrichtung erzieht ein schlechterer Elternteil? Wirklich interresant wird also erst das Haubtsacheverfahren. 

 

 

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Mich würde interessieren, warum hier gerade der Vater vorläufig über die Teilnahme am Religionsunterricht entscheiden durfte. Die Kinder leben bei der Mutter und sind konfessionslos (was der Vater anscheinend früher akzeptiert hat). Das spricht doch eher dafür, der Mutter vorläufig die Entscheidung zu überlassen, weil so am bisherigen Zustand vorläufig nichts verändert wird.

 

Es gibt im Übrigen auch in diesem Alter oft schon Kinder, die ganz dezidierte Ansichten zur Religion haben. Warum das völlig beiseite geschoben wird mit einem "die Mutter soll die Kinder positiv auf den Schulbesuch und die Teilnahme an dem Religionsunterricht einstellen"...?

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Hallo Hard,

 

dem stimme ich zu, vielleicht liegt es auch am Charakter der Kinder. Ein Ethikunterricht wäre vielleicht vielfältiger und breiter gefächert. Mir haben unterschiedliche Ansichten nicht geschadet und mit zu einem Atheisten werden lassen ... aus verschiedenen Gründen. Bedeutet aber nicht, dass ich die Religion grundsätzlich ablehne.

Schließlich weiß jeder informierte Mensch, dass die Religion auch eine starke Auslegungssache ist (egal welche), aber dennoch in das kulturelle Leben hineinspielt. Wie sähe die deutsche Kultur ohne die christliche Prägung (unabhängig davon, ob gut oder schlecht) aus? Wir alle sind hiervon geprägt, in irgendeiner weise.

 

Wird ein Kind zur Selbständigkeit erzogen, dann kann es immer frei entscheiden, wenn es die Volljährigkeit erreicht. Man kann sich aber nur entscheiden, wenn man viele unterschiedliche Ansichten erfahren und auch erleben konnte.

 

Meine Kinder glauben an Gott und gehen gerne in die Kirche. Dies werde ich Ihnen nicht abspenstig machen, nur weil ich eine andere Ansicht vertrete. Sie sind getauft und werden auch konfirmiert, sollten sie sich anders entscheiden, dann können sie das später gerne tun. Ich hoffe, dass sie dann so selbstbewusst durch das Leben gehen, dass sie ihre eigene Meinung vertreten. Das sollte das Ziel von Eltern sein, und nicht ein Streit über die Teilnahme an einem Religionsunterricht.

 

Mir wird im Familienunterricht über zuviele kleine Detailfragen gestritten. Eine verbindliche Meditation würde gerade in solchen Sachen viel Geld, Nerven und Streit sparen und schonen.

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Abgesehen von der Frage, welche Konfliktlinien da im Hintergrund verlaufen:
 

Wie(so) soll eine Mutter, die keinen Religionsunterricht für ihre konfessionslosen Kinder wünscht, die Kinder, die auch keinen Religionsunterricht wollen, positiv auf den Besuch des Religionsunterrichts einstimmen? Das ist doch absurd

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Es ticken die Uhren eben ein wenig anders in Köln, dem Sitz der vermutlich reichsten Erzdiözese der katholischen Welt mit einem Milliardenvermögen (nimmt man auch nur die Hälfte der "sonstigen Einnahmen" als Einkünfte aus Kapitalanlagen zum Zinssatz von 4%, kommt man über eine Milliarde).

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