Ankündigung einer Erkrankung bei nicht bewilligtem Urlaub - Kündigung nur nach Abmahnung?
von , veröffentlicht am 31.10.2012Der Kläger wendet sich gegen die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Er wollte für den Zeitraum vom 21.08. bis 04.09.2011 Urlaub nehmen, was die beklagte Arbeitgeberin wiederholt aus betrieblichen Gründen ablehnte. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, den Urlaub erzwungen versucht zu haben: Unmittelbar vor dem begehrten Urlaubstermin sei der Kläger am Freitag, den 19.08.2011, mit einer Manschette um den Arm in das Büro des Geschäftsführers gekommen und habe erklärt, der Geschäftsführer der Beklagten solle den Arzt Dr. B anrufen, welcher bestätigen könne, dass er – der Kläger – krank und nicht arbeitsfähig sei. In diesem Zusammenhang habe der Kläger sodann vorgeschlagen, er werde, wenn er zu dem gewünschten Termin Urlaub erhalte, keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen und nach Urlaubsende geheilt seine Arbeit wieder aufnehmen. Nachdem dieser Vorschlag abgelehnt worden sei, habe sich der Kläger in die Krankheit geflüchtet und ab dem 20.08.2011 bis zum 07.09.2011 arbeitsunfähig krankschreiben lassen. Allein der Umstand, dass der medizinische Dienst der Krankenkasse am 07.09.2011 die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bestätigt habe und die Arbeitsunfähigkeit auch gegenwärtig fortbestehe, ändere nichts daran, dass der Kläger jedenfalls den unzulässigen Versuch unternommen habe, die Beklagte unter Druck zu setzen, wobei ihm jedes Mittel recht gewesen sei. Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis außerordentlich, hilfsweise ordentlich gekündigt. Der Kläger tritt den Vorwürfen substantiiert entgegen.
Das ArbG Herne hat der Klage gegen die außerordentliche Kündigung rechtskräftig stattgegeben. In der Berufung ist nur noch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung im Streit. Das LAG Hamm hat - im Gegensatz zum Arbeitsgericht - auch die ordentliche Kündigung kassiert. Es handele sich um einen einmaligen Vorfall während einer fast 25-jährigen Betriebszugehörigkeit. Der Arbeitgeber hätte zunächst abmahnen müssen:
Schließlich ist bei der gebotenen Interessenabwägung der Umstand zu berücksichtigen, dass es sich mangels abweichenden Beklagtenvorbringens um ein einmaliges und erstmaliges Fehlverhalten des Klägers handelt, welcher unbeanstandet seit dem Jahre 1988 im Betrieb der Beklagten beschäftigt ist. Neben der langen Betriebszugehörigkeit sind weiter zu berücksichtigen die bestehenden Unterhaltspflichten des Klägers. Allein der Umstand, dass die Beklagte zu Recht Wert darauf legt, dass die betriebliche Urlaubsplanung eingehalten, Abweichungen nicht unter Druck erzwungen und das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis nicht durch die Verknüpfung berechtigter Arbeitsunfähigkeitszeiten und geforderten Vorteilen belastet wird, rechtfertigt auch unter dem Gesichtspunkt der Betriebsdisziplin keine Abweichung von dem Grundsatz, dass eine verhaltensbedingte Kündigung regelmäßig nur nach vorangehender Abmahnung zulässig und im Zuge der Interessenabwägung eine Einzelfallbetrachtung notwendig ist. Der Kläger hat zwar im Gespräch vom 19.08.2011 gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht verstoßen, indem er letztlich eine Änderung der sachlich begründeten betrieblichen Urlaubsplanung erreichen wollte. Eine offene Auflehnung gegen die betriebliche Ordnung liegt demgegenüber ersichtlich nicht vor.
LAG Hamm, Urt. vom 21.06.2012 - 8 Sa 315/12.
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1 Kommentar
Kommentare als Feed abonnierenChristian Harten kommentiert am Permanenter Link
"Eine offene Auflehnung gegen die betriebliche Ordnung liegt demgegenüber ersichtlich nicht vor. "
Wunderbar, eine Anleitung zum Erpressertum in arbeitsrechtlich vertretebaren Sinne. Offener geht es ja wohl nicht...